Jobcenter geht neue Wege Sparte „Heinrich Förster“ in Dessau - Langzeitarbeitslose wecken zwei Gärten aus Dornröschenschlaf
Das Jobcenter Dessau geht neue Wege: Anfang März startete die neue Arbeitsgelegenheit „Soziale Gärten“ bei der FAW-Akademie Dessau. Was sich dahinter verbirgt. Und was mit der Ernte passiert.

Dessau/MZ - Das Dornengestrüpp, das die beiden brach liegenden Gärten in der Kleingartenanlage „Heinrich Förster“ überwucherte, hätte Dornröschen alle Ehre gemacht. Es war kein Durchkommen möglich, ein Weg musste mühsam freigeschnitten werden. Was sich unter dem Gestrüpp verbarg, blieb den Männern und Frauen zunächst verborgen.
Dieses Dickicht sollte für 12 Langzeitarbeitslose der Arbeitsplatz auf Zeit sein. Ihre Aufgabe war es, die beiden Parzellen urbar zu machen, Obst und Gemüse anzubauen und an soziale Einrichtungen weiterzugeben. „Soziale Gärten“ heißt die Arbeitsgelegenheit des Jobcenters, die von der Fortbildungsakademie der Wirtschaft (FAW) Dessau gGmbH umgesetzt wird. Bange machen ließen sich die Teilnehmer angesichts der völlig verwilderten Gärten nicht. Murren und Stöhnen habe es am Anfang aber öfter gegeben, blickt Anleiter Thomas Becker auf den Maßnahmebeginn im März zurück.

Die Teilnehmer haben viel Freude bei der Arbeit
Doch inzwischen überwiegt die Freude und der Stolz auf das Geschaffene. „Es macht sehr viel Spaß hier und man lernt unheimlich viel“, sagt zum Beispiel Claudia Bouaddiss. „Ich hoffe, dass ich noch eine Weile bleiben kann“, ergänzt die junge Frau, die einige Wochen später in die Maßnahme eingestiegen ist. Auch Celine Rachner kommt gerne jeden Morgen zur Arbeit. Das falle ihr nicht schwer, denn „ich fühle mich hier wohl“. Einen großen Anteil daran hat Thomas Becker. „Er hört uns zu, erklärt viel und nimmt auch Rücksicht“, anerkennt Celine Rachner. Die beiden Frauen sitzen in der Werkstatt der FAW und vereinzeln die Keimlinge von Mai- und Herbstrübchen.

Alle Pflanzen selbst zu ziehen, ist ein Anspruch der Maßnahme, die sich Innovation und Nachhaltigkeit auf die Fahne geschrieben hat. „Wir wollen den Teilnehmern nahe bringen, dass vieles selbst gemacht werden kann und man nicht alles kaufen muss“, erklärt Thomas Becker. Das gelte nicht nur für die Verarbeitung und Nutzung der Ernte, sondern auch für die Arbeit an sich. „Schauen Sie, mit diesen Bändern hier können sie wunderbar Tomaten anbinden“, zeigt Celina Rachner auf einen Haufen zerschnittener Feinstrumpfhosen. Und Samenbänder könne man prima aus Toilettenpapier fertigen, ergänzt sie.

Das Kinderheim, die Tafel Dessau, die Tagesgruppe „Wolkenfrei“, das Hospiz, Jugendliche im Betreuten Wohnen des Parität sind bereits Nutznießer der „Sozialen Gärten“. Die AGH-Teilnehmer übernehmen die „Belieferung“ der Einrichtungen selbst und erfahren somit ein direktes Feedback auf ihre Arbeit. „Wir sind auch im Gespräch mit dem Franz- und dem Rosseltreff, um auch deren Besucher zu unterstützen“, blickt Babette Kühnel, Leiterin der FAW-Akademie Dessau voraus.
Jobcenter sichert Fortsetzung der Arbeitsgelegenheit zu
Ideen werden auch für den Winter entwickelt, wo die Gartenarbeit ruht. Mit der Grundschule Ziebigk sei geplant, einen Kräutergarten anzulegen, berichtet Kühnel. Die AGH-Teilnehmer würden die Beete bauen, die Erstbepflanzung mitbringen und die Einweisung machen. „Dann übernimmt die Schule und lebt das Projekt.“ Ähnliches kann sich Kühnel auch für Kindereinrichtungen vorstellen. „Wir werden die Maßnahmeinhalte fortschreiben und Netzwerke knüpfen“.

Jobcenterchefin Ines Blaschczok zeigt sich dem bisherigen Maßnahmeverlauf begeistert. Insbesondere die vielfältigen Ansätze, die in der AGH steckten, hebt sie hervor. Brach liegende Landschaft werde aktiv bearbeitet, geerntete Produkte weiterverarbeitet beziehungsweise weitergegeben, Partnerschaften entwickelt. „Und die Teilnehmer erfahren dabei in ihrer täglichen Arbeit viel direkte Wertschätzung, was wiederum für deren Selbstwertgefühl immens wichtig ist“, freut sie sich.
Denn Ziel sei es, die Teilnehmer für eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt fit zu machen und sie für eine Beschäftigung in diesem Bereich zu interessieren. „Der Arbeitskräftebedarf ist auch hier groß“, so Blaschczok.
Doch erst einmal haben die Männer und Frauen noch bis Ende Februar Zeit, in der AGH Erfahrungen zu sammeln und Fähigkeiten zu erlangen. Ab März 2024 soll es dann die zweite Auflage der Arbeitsgelegenheit „Soziale Gärten“ des Jobcenters Dessau geben, kündigt die Chefin eine Fortführung an. „Wir brauchen AGH und diese hier ist innovativ und sinnvoll.“