SKV Rot-Weiß Zerbst SKV Rot-Weiß Zerbst: Erfolgreichster Kegel-Verein Deutschlands

Zerbst - Das Brett ist zu klein und Lothar Müller erst einmal ratlos. Der Präsident der Sportkegler von Rot-Weiß Zerbst steht an einem Dienstagabend im VIP-Raum des Vereinsheims. Vor ihm glänzt und funkelt es. Die Wand, auf die Müller schaut, ist vollgestellt mit Pokalen. Vielen Pokalen. Ihre Anzahl kann der 62-Jährige gar nicht beziffern. „Ich habe die lange nicht mehr gezählt“, sagt Müller. Und außerdem würden es ja ständig mehr werden. Gerade erst kam ein neuer hinzu: Der Weltpokal 2015, gewonnen Anfang Oktober in Serbien.
Doch der verursacht nun Probleme. „Wir haben kein Platz mehr“, sagt der Präsident und schaut skeptisch auf das zu kleine Brett. Dicht an dicht gedrängt, stehen darauf bereits sechs gläserne Trophäen. „Das sind die Weltpokale der vergangenen Jahre“, erklärt Müller mit einem Schmunzeln. Er ist sich bewusst, dass sein Platzproblem ein Luxusproblem ist.
FC Bayern München des Kegelns
Der Rot-Weiß Zerbst ist so etwas wie der FC Bayern München des Kegelns - nur erfolgreicher. In den vergangenen zehn Jahren haben die Kegler aus der 22.000 Einwohner-Stadt in Anhalt-Bitterfeld in ihrer Sportart national und international so viele Titel geholt wie wahrscheinlich keine andere deutsche Mannschaft. Neben den sieben Erfolgen im Weltpokal gewannen sie zwei Mal die Champions League, fünf Mal den Deutschen Pokal und zehn Mal die Deutsche Meisterschaft – in Folge, wohlgemerkt. Und das sind nur die ersten Plätze.
Noch beeindruckender wird die Bilanz, wenn man bedenkt, dass es den Verein erst seit 16 Jahren gibt. Gekegelt wird in Zerbst zwar schon seit Jahrzehnten, jedoch gehörten die Kugel-Sportler lange zum Mehrspartenverein TSV Rot-Weiß Zerbst. „In so einer Struktur geht man auch mal unter“, sagt Lothar Müller. 1999 entschieden sie, sich auszugründen. Sie setzten einfach das Wort „Sportkeglerverein“ - abgekürzt SKV - vor den Club-Namen und schon waren sie ihr eigener Herr. Der kometenhafte Aufstieg konnte beginnen.
120 000 Euro Jahresetat
„Durch die Eigenständigkeit hatten wir mehr Freiraum und konnten uns besser vermarkten“, erklärt Müller. Er ist so etwas wie der Vater des Zerbster Erfolges. Der 62-Jährige, der als Niederlassungsleiter in einem Dessauer Baustoffhandel arbeitet, war selber lange Kegler. 1999 hörte er jedoch auf. „Weil die Knie und der Rücken nicht mehr mitgemacht haben.“ So konnte er sich als Präsident und Manager auf den Verein konzentrieren. Müller ist ein charmanter Verkäufer, einer der überzeugen kann und hartnäckig an gesteckten Zielen arbeitet. Und das Ziel des SKV lautete: Erste Bundesliga.
Als die Kegler sich selbstständig machten, dümpelten sie allerdings in der vierten Spielklasse herum. Schon vier Saisons später, 2003, schafften sie den Aufstieg in die oberste deutsche Liga. „Das ging schon wahnsinnig schnell“, sagt Müller. Das Erfolgsrezept klingt dabei einfach. „Wir haben unsere Mannschaft immer weiter verbessert“, erzählt der Präsident. In der Praxis bedeutet das, dass die Zerbster Jahr für Jahr Top-Spieler zu sich lotsten. Zu Beginn die aus der näheren Umgebung. Dann wurde der Radius immer größer. Irgendwann kamen ausländische Kegler hinzu.
Heute wohnen nur zwei von acht Spielern der ersten Mannschaft auch in Zerbst. Die anderen kommen aus Bayern, Baden-Württemberg und Slowenien. Das bringt den Rot-Weißen immer wieder den Vorwurf ein, eine Söldner-Truppe zu sein. Müller nimmt das gelassen. „In anderen Sportarten wird es auch so gemacht“, sagt er. Und anders als etwa im Fußball erkaufe sich sein Club die Spieler nicht. „Keiner unserer Kegler erhält eine Antrittsprämie oder ein Gehalt“, sagt der Präsident. Seine Spieler müssten normal arbeiten gehen. „Das sind keine Vollprofis, sondern Feierabendprofis“, betont Müller.
Mehr könne sich der SKV auch nicht leisten. Etwa 120 000 Euro hat Müller pro Jahr zur Verfügung. Früher sei das Geld vor allem von einem Großsponsoren gekommen, erzählt er. „Der hatte dann aber in der Wirtschaftskrise Probleme.“ Müller stellte die Finanzierung um. Heute ist der Etat der Rot-Weißen kleinteiliger organisiert. Mehr als 20 Sponsoren geben derzeit Geld. Rund drei Viertel der Mittel gehen für den Spielbetrieb drauf - vor allem für die Reisen. „Wir haben ja auch Spiele in Rumänien oder wie zuletzt in Serbien“, sagt Müller. Dorthin zu fliegen, sei nicht gerade billig.
Was die Kegler zum SKV zieht, ist die Möglichkeit, auf höchstem Niveau zu spielen, ohne, das sie selber dafür zahlen müssen. Präsident Müller hat aber auch noch andere Mittel – wie bei Robert Heydrich. Der 26-Jährige spielt im Spitzenteam der Rot-Weißen. Vor neun Jahren kam er aus Eisleben (Mansfeld-Südharz) nach Zerbst. Das Lockmittel: „Mir wurde eine Lehre beim damaligen Großsponsor angeboten“, erzählt Heydrich. Auch heute ist er noch als Konstruktionsmechaniker bei der Firma beschäftigt. Nach der Arbeit geht er dann zum Trainieren auf die vereinseigene Bahn.
Das macht er auch an jenem Dienstagabend, an dem Präsident Müller mit dem Platzproblem an der Trophäenwand kämpft. Die Kegelhalle der Zerbster ist zwar klein, aber hochmodern: Vier 20 Meter lange Kunststoff-Bahnen, jede schnurgerade und absolut eben. Die Halle wurde 2005 saniert, 60.000 Euro kostete das. Robert Heydrich wirft die Kugel wieder und wieder gegen die neun Kegel. Drei Kilo sind seine Geschosse schwer. Rund 30 000 Würfe macht er pro Jahr. Wie motiviert er sich nach all den Siegen? „Man will einfach die Erfolge jede Saison bestätigen“, sagt der Eisleber. Und so überlegen, wie es scheint, sei sein Verein gar nicht.
Zweiter Platz ist eine Enttäuschung
Zuletzt zeigte sich das zum Beispiel im Weltpokal-Halbfinale. Da traten die Zerbster gegen Podbrezova aus der Slowakei an. „Das sind alles Profis“, sagt Müller. Und außerdem spiele da Vilmoš Zavarko, der Lionel Messi des Kegelns, ein Jahrhunderttalent. Nachdem die sechs Spieler jeder Mannschaft ihre 120 Würfe absolviert hatten, entschied eine Winzigkeit. Podbrezova räumte 3.617 Kegel ab. Zerbst schafft 3.631 - nur 14 mehr, aber das reicht zum Einzug ins Finale.
So knapp gehe es auch in der Bundesliga oft zu. Dort läuft die neue Saison bereits. Der SKV will den elften Titel in Folge. „Aber das wird nicht einfach“, warnt Müller. Die Konkurrenz habe nachgerüstet. „Und wer denkt, dass wir jetzt immer alles gewinnen, ist ohnehin ein Fantast.“ Trotzdem wäre ein zweiter Platz eine Enttäuschung. Doch danach sieht es nicht aus. Drei Spieltage sind vorbei. Die Bilanz ist eindeutig: Der SKV Rot-Weiß Zerbst hat alle drei Duelle souverän gewonnen. (mz)


