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Seit 15 Jahren eine feste Burg Seit 15 Jahren eine feste Burg: Interventionsstelle "Häusliche Gewalt & Stalking"

18.08.2018, 12:00
Beate Uhlig leitet die Interventionsstelle.
Beate Uhlig leitet die Interventionsstelle. Lutz Sebastian

Dessau - Vor 15 Jahren - am 12. September 2003 - nahm in Dessau als zweite Einrichtung in Sachsen-Anhalt die Interventionsstelle „Häusliche Gewalt & Stalking“ ihre Arbeit auf.

Die Beratungsstelle, die vom Justizministerium gefördert wird, arbeitete bis 2013 in Trägerschaft des Vereins Sozial-Kulturelles Frauenzentrum, seitdem ist die AWO SPI Soziale Stadt- und Entwicklungsgesellschaft der Träger. MZ-Redakteurin Sylke Kaufhold schaute mit Beate Uhlig, Leiterin der Interventionsstelle, auf die 15 Jahre.

Warum wurden die Interventionsstellen im Land gegründet?

Uhlig: Am 1. Juli 2002 trat das Gewaltschutzgesetz in Kraft, 2003 wurde das Sicherheits- und Ordnungsgesetz Sachsen-Anhalt um den Wegweisung-Paragrafen ergänzt. Damit wurde der Polizei eine Handhabe gegeben, körperliche Auseinandersetzungen zwischen Paaren zu beenden. Und seitdem gilt: Wer schlägt, der geht. Die Interventionsstellen wurden gegründet, um den Opfern zu helfen. Sie sind Kooperationspartner der Polizei.

Was ist die konkrete Aufgabe?

Uhlig: Wir beraten die Opfer unmittelbar nach dem Vorfall über Hilfe- und Schutzmöglichkeiten und haben eine Lotsenfunktion in die Angebote vor Ort. Dazu brauchen wir ein gutes Netzwerk.

Gibt es ein solches Netzwerk in Dessau-Roßlau?

Uhlig: Ja, in Dessau gibt es einen sehr aktiven Arbeitskreis „Häusliche Gewalt“ unter Federführung der kommunalen Gleichstellungsbeauftragten Sabine Falkensteiner. Partner sind das Frauenhaus, das Frauenzentrum, der Verein Wildwasser, der Weiße Ring, der Soziale Dienst der Justiz und seit Januar die Beratungsstelle Pro Mann.

Seit 2007 ist Stalking ein eigener Straftatbestand und ist auch in der Beratungsstelle ein Thema

Seit 2006 beraten Sie auch Stalkingopfer. Wie kam es dazu?

Uhlig: Seit 2007 ist Stalking ein eigener Straftatbestand. Damit können die Opfer von Nachstellungen und Bedrohungen viel besser vor den Tätern geschützt und diese zur Rechenschaft gezogen werden. Zuvor war Stalking zwar ein Thema, wurde aber als Straftat nicht ernst genommen. In meinem Beratungsalltag sind die Hälfte der Klienten Stalkingopfer.

Ist die Interventionsstelle in der Stadt etabliert?

Uhlig: Ja, sie wird sowohl von der Polizei als auch von den Betroffenen als selbstverständliches Beratungsangebot wahrgenommen. Etwa die Hälfte der Klienten wird von der Polizei zu mir verwiesen. Die andere Hälfte sind Menschen, die sich selbst melden oder über Dritte angemeldet werden. Auch die Fallzahlen widerspiegeln die Akzeptanz.

Schaut man auf die Fallzahlen fallen Brüche nach 2008 und 2014 auf. Was ist da passiert?

Uhlig: In diesen beiden Jahren hat es Polizeistrukturreformen gegeben, in deren Folge es Personalveränderungen und -abbau gegeben hat. Damit waren meine Ansprechpartner weg und ich musste wieder von vorne anfangen. Zumal häusliche Gewalt prozentual nur einen geringen Teil in der Polizeiarbeit einnimmt.

Im Polizeirevier Dessau-Roßlau funktioniert die Zusammenarbeit aber seit Jahren vorbildlich. Hier wird auch konsequent die Wegweisung des Täters ausgeschöpft, das ist für mich wertvolle Zeit, um intensiv mit dem Opfer arbeiten zu können.

Rund 200 Fälle werden im Jahr 2018 wohl behandelt werden

Wie viele Klienten beraten Sie im Jahr?

Uhlig: In diesem Jahr werden es wohl über 200 werden, Ende Juli standen bereits 164 Fälle in der Statistik. 2014 mit der Strukturreform war die Zahl auf 156 gesunken, von 232 in 2013. Da rappeln wir uns jetzt langsam wieder hoch.

Die Interventionsstelle ist mehrfach umgezogen, zuletzt im März. Warum der erneute Standortwechsel?

Uhlig: Ich arbeite jetzt unter dem Dach der AWO Familienwerkstatt, die ihr Domizil in der Johannisstraße 14a hat. Das schafft optimale Möglichkeiten der Zusammenarbeit, so kann ich zum Beispiel geflüchteten Frauen mit Gewalterfahrung schnell helfen, da in den Projekten der Familienwerkstatt vier Sprachen bedient werden. Mein Büro ist zentral gelegen und gut erreichbar. Und nicht zuletzt ist für mich die Zugehörigkeit zu einem Team von Vorteil. (mz)

In Sachsen-Anhalt gibt es vier Interventionsstellen - in Dessau-Roßlau, Magdeburg, Halle und Stendal. Das Justizministerium sieht damit eine flächendeckende Abdeckung gegeben, da die einzelnen Beratungsstellen einen großen Wirkungskreis bedienen. Die Zuständigkeit der Dessauer Einrichtung erstreckt sich neben der Doppelstadt auf die Landkreise Wittenberg, Anhalt-Bitterfeld und den Salzlandkreis.

Finanziert werden die Interventionsstellen vom Justizministerium über einen Festbetrag, der 90 Prozent der Kosten deckt. Die restlichen zehn Prozent müssen die jeweiligen Träger aufbringen. Was diese vor Probleme stellt. Wunsch der AWO SPI wäre es deshalb, dass sich die betreuten Städte und Landkreise an den Kosten beteiligen. Für Dessau-Roßlau wäre das ein Aufwand von 2.000 Euro.