Schwere Vorwürfe in Rumänien Schwere Vorwürfe in Rumänien: Dessauer soll Jugendliche "sklavenartig behandelt" haben

Bukarest/Dessau - Bei dem in der vergangenen Woche in Rumänien verhafteten Ehepaar handelt es sich um zwei gebürtige Dessauer. Ihnen wird die Misshandlung mehrerer Kinder vorgeworfen. Die Staatsanwaltschaft in Bukarest spricht in einer Mitteilung von „sklavenartiger Behandlung“.
Der Dessauer Bert S. hatte im abgelegenen Norden Rumäniens das Sozialprojekt „Maramures“ auf einem Bauernhof für schwer erziehbare Jugendliche geleitet, in dem zuletzt mehrere minderjährige Deutsche im Alter zwischen zwölf und 18 Jahren untergebracht waren. Auf der Webseite warb das Projekt mit Bilderbuchlandschaften und ländlicher Idylle. Deutsche Jugendämter hatten die Kinder zu diesem ausländischen Träger geschickt und das Projekt damit auch finanziert.
Bert S. befindet sich aktuell in Untersuchungshaft
Gründer und Leiter der Einrichtung war der Deutsche Bert S., der die Einrichtung nach eigenen Angaben im April 2002 eröffnet hatte. Zusammen mit seiner Frau Babett S. sowie drei rumänischen Mitarbeitern ist er vor einer Woche in Untersuchungshaft genommen worden. Babett S. und zwei weitere Verdächtige sind laut der Nachrichtenagentur AFP seit letzten Mittwoch unter Auflagen wieder auf freiem Fuß.
Ihnen wird Freiheitsberaubung und Menschenhandel vorgeworfen. So sollen die Schützlinge zu „übermäßiger körperlicher Arbeit“ im nahe gelegenen Dorf Viseu de Sus gezwungen worden sein. Zudem seien sie in „erniedrigender und entwürdigender“ Weise mit „schwerer Gewalt“ und Nahrungsentzug bestraft worden. Die mutmaßlichen Misshandlungen sollen von 2014 bis August 2019 stattgefunden haben. Weiterhin sprach die ermittelnde Staatsanwaltschaft von der Unterschlagung deutscher Gelder.
So wurden bei der Durchsuchung von acht Häusern unter anderem in der Wohnung des Projektleiters Bert S. 137.450 Euro beschlagnahmt, „deren Herkunft er nicht erklären konnte“. Weitere knapp 9.000 Euro wurden im Haus eines rumänischen Mitarbeiters gefunden.
Konsulat und Deutsche Botschaft stehen mit rumänischen Behörden in Kontakt
Laut AFP habe es schon früher in rumänischen Medien Misshandlungsvorwürfe gegen das „Projekt Maramures“ gegeben. So hätten die hiesigen Lokalmedien unter Berufung auf Justizkreise berichtet, dass das Projekt Komplizen bei der örtlichen Polizei und Behörden gehabt hätte, die sie vor Kontrollen warnten.
Laut Informationen der Magdeburger Volksstimme waren in dem rumänischen Dorf aktuell auch zwei Jugendliche aus dem Saalekreis betreut worden, diese seien aber „nicht von den Vorwürfen betroffen“, wird der Sprecher des Sozialministeriums in Sachsen-Anhalt zitiert. Der Bundesregierung sind nach Angaben des Auswärtigen Amtes in den vergangenen Jahren keine Probleme mit dem „Projekt Maramures“ bekannt geworden. Das Konsulat und die Botschaft stünden mit den rumänischen Behörden in Kontakt, das hatte Außenamtssprecherin Maria Adebahr in Berlin mitgeteilt.
Niedersächsischer Träger des Projektes will keine Probleme gesehen haben
Die niedersächsische Kinder- und Jugendhilfe Wildfang GmbH war der deutsche Träger des Projektes, dort sagt man, dass die Einrichtung bei kontinuierlichen Besuchen, Beratungen und Supervisionen aus Deutschland nicht auffällig geworden sei: „Der Antrag ist durch das entsendende Jugendamt zu stellen. In dem Zusammenhang ist das Projekt in Maramures mehrfach durch die rumänischen Kinderschutz-Behörden ohne negative Ergebnisse überprüft worden“, sagt Wildfang-Sprecher Dirk Precht.
Bert S. hatte das Projekt nach eigenen Angaben im August 2001 gegründet und die Einrichtung im April 2002 eröffnet. Zuvor hatte er als Maschinenbauingenieur, später als Sozialpädagoge gearbeitet. So war er auch 1991 an Gründung und Aufbau des Diakonischen Werks in Fürstenwalde beteiligt, wo er nach eigenen Angaben Flüchtlinge, Kinder und Obdachlose betreut hatte. (mz/afp)
