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Schutz vor Austrocknung Schutz vor Austrocknung: Alter Muldarm reaktiviert - Neuer Graben soll der Aue helfen

Von Annette Gens 05.12.2018, 10:36
Der neue Seitenarm der Mulde ist fertig gebaut. Wenn der Flusspegel steigt, dann wird er sich mit Wasser füllen.
Der neue Seitenarm der Mulde ist fertig gebaut. Wenn der Flusspegel steigt, dann wird er sich mit Wasser füllen. Thomas Ruttke

Dessau - Er ist rund 400 Meter lang und schätzungsweise drei Meter tief. Der neue Graben beginnt direkt an der Mulde nur wenige Hundert Meter vor der Mündung des Flusses in die Elbe. Würde der Fluss nicht seit Wochen extremes Niedrigwasser haben, dann würde sich das Muldwasser vermutlich schon in den neuen Seitenarm fließen.

Bei Mittelwasser wird es noch einmal spannend für den WWF. Gehen die Pläne der Natur- und Umweltschutzorganisation des Projekts „Wilde Mulde“ auf? Gelingt es perspektivisch, die Austrocknung der Aue zwischen Dessau und Roßlau durch die Öffnung eines alten Seitenarms aufzuhalten, gar die Entwicklung umzukehren?

In den vergangenen sechs Woche wurde hinter dem Gänsewall ein Grabensystem rekonstruiert

Der WWF steht kurz vor dem Abschluss eines Teilprojektes zur Revitalisierung der unteren Mulde. In den vergangenen sechs Wochen wurde hinter dem Gänsewall ein Grabensystem rekonstruiert. Weshalb es verlandete, ist nicht mehr nachvollziehbar. Vermutet wird, dass Teile der Fläche zugeschoben wurden, um landwirtschaftliche Nutzfläche zu erhalten. Vor Wochen noch wiesen lediglich ein paar Kolke auf die Existenz der Gräben hin, die einst die Muldaue durchzogen. Inzwischen wurde ein neues Grabensystem geschaffen.

Im August hatte die untere Naturschutzbehörde für das Vorhaben zur Öffnung eines alten Muld-Seitenarms „grünes Licht“ gegeben. Wenige Wochen später rückte eine Firma aus der Altmark an. Bäume wurden gefällt, ein Bagger riss die Erde auf. Zum Projekt gehört auch der Bau von zwei Wildrettungshügeln. Dafür wurde der Erdaushub vor Ort genutzt.

Zwei Wildrettungshügel sind eine Lehre aus dem Jahr 2013

Die Hügel, so erklärt Projektleiter Heiko Schrenner, waren eine Lehre aus dem Jahr 2013. Das Wild hatte in dem Areal, dass an die Bundesstraße 184 grenzt, kaum Fluchtmöglichkeiten vor dem Hochwasser von Mulde und Elbe. Die Tiere retteten sich damals zum Teil auf die Bäume, manche verendeten. Weil durch den neuen Graben bei Hochwasser eine vom Wasser umschlossene Insel entsteht, helfen nun die beiden Wildrettungshügel, die laut Schrenner um einen Meter höher liegen als die Bemessungsgrenze des Jahrhunderthochwassers 2013.

Die Austrocknung der Muldaue ist ein sehr langer Prozess und ist laut WWF auch eine Folge des vor Jahrzehnten errichteten Muldestausees in Friedersdorf im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. 1975 wurde der Muldestausee geflutet, die Mulde durch das Restloch des Tagebaus Muldenstein verlegt.

Das Geschiebe, das normalerweise ein Fluss mit sich führt und an anderer Stelle wieder ablagert, verbleibt seitdem zum größten teil im Stausee. In der Langzeitfolge gräbt der Fluss am unteren Lauf sein Flussbett immer tiefer. Diesem Prozess soll langfristig entgegengewirkt werden.

Bei Sollnitz wurden 200 von 500 Metern Schotter im Uferbereich entfernt

Der WWF hofft, durch eine weitere Maßnahme zwischen Retzau und Sollnitz diese Situation hinter Dessau mildern zu können. Dort wurden die ersten 200 Meter von insgesamt 500 Meter Schotter im Uferbereich entfernt. Die Mulde soll perspektivisch in den Sollnitzer Stillingen wieder neue Strukturen ausbilden und wandern können.

Dabei wird Geschiebe abgetragen und verlagert. Die Forscher des Bundesprojekts „Wilde Mulde“ erhoffen sich von der Maßnahme, dass sich an der Mulde wieder eine größere Artenvielfalt entwickeln wird. Schrenner meint, Eisvogel und Regenpfeiffer werden sich bald ansiedeln.

Die Auswirkungen beider Baumaßnahmen in der unterer Mulde werden nach ihrem Abschluss wissenschaftlich begleitet. Das Projekt des WWF geht weiter. „Wir wollen gern fünf Hektar Auwald aufforsten“, sagt Schrenner. Wo der Wald entstehen soll, das wird gegenwärtig diskutiert und geklärt. (mz)

Heiko Schrenner mit den Plänen des Projektgebietes zwischen Dessau und Roßlau.
Heiko Schrenner mit den Plänen des Projektgebietes zwischen Dessau und Roßlau.
Thomas Ruttke