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Schloss Wörlitz  Schloss Wörlitz: 250 Jahre altes Deckengemälde kehrt zurück

Von Ilka Hillger 16.12.2016, 12:58

Wörlitz - Bacchus und Ariadne hängen an sechs langen Gewindestangen. Sechs Kontermuttern halten den fröhlichen Triumphzug des Weingottes. Allerdings sollten die Gestalten der Antike nicht allzu sehr auf ihrem Gemälde ins Toben geraten, denn ihr Platz dafür hat seine Tücken.

Bacchus und Ariadne sind die Figuren auf dem Deckengemälde des Festsaals im Schloss Wörlitz. 250 Jahre zogen sie dort in luftiger Höhe durch elysische Landschaft, fest verankert für die Ewigkeit.

250 Jahre alte Deckengemälde im Festsaal des Schlosses Wörlitz restauriert

Am Mittwoch aber hat die Kopie, die sich Leopold III. Friedrich Franz nach Götterdarstellungen der Brüder Caracci im römischen Palazzo Farnese anfertigen ließ, einen Meter Abstand zur Decke.

Viele Menschen sind ihr ganz nah, denn den Festsaal füllt raumgreifend ein Baugerüst und unter der Decke wird es eng. Das Gemälde wartet darauf, wieder fest verschraubt zu werden.

Ein Vierteljahrtausend nach dem Bau des Schlosses ist es gereinigt und restauriert, bereit dafür, mindestens noch einmal so lange auf die Gäste herab zu schauen.

Es ist eine knifflige Prozedur für Restaurator Thoralf Herschel und seine Kollegen. War es schon nicht einfach, im Frühjahr das monumentale Bild abzunehmen, so ist seine Anbringung nun eine echte Herausforderung. 4,72 mal 2,20 Meter lassen sich nicht so einfach im großen Saal montieren. „Beim Abnehmen hat noch die Schwerkraft geholfen“, sagt Annette Scholtka.

Auch die Abteilungsleiterin der Baudenkmalpflege der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz ist auf die letzte Plattform des Baugerüstes geklettert. Dazu noch Kollegen, die alle zuschauen wollen, wie jede Seite des Gemäldes in Schritten von zehn Zentimetern angehoben wird und im Kabinett über dem Saal die Gewindestangen um eben dieses Maß aus dem Dielenboden wachsen.

Restaurator Herschel aus Falkensee im Einsatz im Wörlitzer Schloss

Nach jedem Schritt werden dort die Muttern angezogen und unter der Decke wird der Abstand zum Gemälde immer kleiner. „Das wird passen“, sagt Restaurator Herschel aus Falkensee und seine Kollegen an den Muttern erfahren übers Telefon, wie oft sie noch drehen müssen.

„Diese Montage ist wirklich der aufwändigste Teil dieser Restaurierung“, findet nicht nur Annette Scholtka. Dabei gab es in den vergangenen Monaten, als das Monumentalbild in der Restaurierungswerkstatt war, viel zu tun. „Das Gemälde war von Anfang an auf der Längsseite zu kurz“, weiß die Fachfrau.

Schon der Fürst und sein Architekt mussten damit leben, dass sich mutmaßlich Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf schlichtweg vermessen hatte, als es um die Planungen ging. Nun kann sich dieser zwar nicht mehr wehren, aber in Briefen des Architekten gibt es durchaus Hinweise, denn darin zeigt er sich peinlich berührt auch bei der Möblierung einmal die falschen Maße genommen zu haben, wie Scholtka berichtet.

Weil ein Erdmannsdorff freilich Abhilfe wusste, wurde das Gemälde an drei Seiten angestückt und mit Hintergrundmalerei komplettiert, so dass das Versehen perfekt kaschiert war und die Arbeit des italienischen Malers Vincenzo Robigliard nun perfekt in die Aussparung in der gewölbten Decke passte.

Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorf hatte sich vermessen - Falsche Maße für Möbelierung

Einen Nachteil hatte das Stückwerk aus der Entstehungszeit des Schlosses dann aber doch: Das Material alterte unterschiedlich. Alle blauen Partien waren im Laufe der Zeit merklich blasser geworden, weil für die großen Himmelspartien ein preiswertes und nicht ganz lichtbeständiges Pigment verwendet worden ist.

Die Anstückungen zeichneten sich hingegen auf einem 30 Zentimeter breiten Streifen in einem grellen Blau ab. „Das hat man inzwischen deutlich gesehen“, sagt Annette Scholtka. Restaurator Herschel und sein Team konservierten und retuschierten das Gemälde, dem Scholtka einen ansonsten sehr guten Zustand nach 250 Jahren bescheinigt. Und nicht nur das.

Als in diesem Jahr mit der Restaurierung des Festsaales begonnen wurde, kam man mit dem Gerüst auch dem prächtigen Stuck sehr nahe und sah nun deutlich, wie stark verschmutzt er doch war.

Schloss Wörlitz: Stuck gesäubert und alte Bemalungen abgenommen

Was von unten noch als Schatten durchgehen konnte, waren aus der Nähe dicke Schichten. Nun aber strahlt unter der Decke wieder alles Weiß. „Der Stuck wurde gesäubert und alte Bemalungen abgenommen“, zeigt Scholtka auf das Ergebnis. Der rund um den Festsaal laufende gemalte Fries ist gleichfalls erneuert worden.

„Nach dieser Aktion wird das Gerüst abgebaut und alle anderen restaurierten Wandgemälde können wieder an ihren ursprünglichen Platz“, sagt Annette Scholtka. Als am Mittwochnachmittag das Deckengemälde wieder perfekt in die Aussparung passt und die Kontermuttern festgezogen sind, steht dem Abbau tatsächlich nichts mehr im Weg und Bacchus nebst Gefolge ziehen farbfrisch mit goldenem Wagen und vorgespanntem Tiger über die Decke.

Es lohnt sich wieder, im Festsaal den Kopf in den Nacken zu legen. Gelegenheit dafür gibt es im kommenden Jahr, wenn erstmals seit Beginn der Sanierung im Schloss wieder alle Räume für die Besucher zugänglich sind. (mz)

Über der Decke wird das Gemälde stück für Stück nach oben geholt.
Über der Decke wird das Gemälde stück für Stück nach oben geholt.
Thomas Klitzsch
Annette Scholtka freut sich über die Erneuerung von Fries und Stuck.
Annette Scholtka freut sich über die Erneuerung von Fries und Stuck.
Thomas Klitzsch