Rudern in Roßlau Rudern in Roßlau: Ein bisschen sentimental zum 125.

Dessau-Rosslau/MZ - Sonderlich sentimental wurde Manfred Flügel nicht. Das wäre auch nicht seine Art gewesen. Aber Stolz erfüllte ihn schon, als er die Bilder aus früheren Zeiten betrachtete: Die DDR-Meister der 1970er Jahre waren zu sehen. Sogar die Gründungsurkunde hing im Elbzollhaus an der Wand. Der Vorsitzende der Roßlauer Rudergesellschaft (RRG) lächelte, ehe er sagte: „Einmal Ruderer, immer Ruderer.“ Sein Verein hatte am Wochenende anlässlich des 125-jährigen Bestehens zu einer kleinen Zeitreise geladen - es wurde ein großes Wiedersehen.
Von Erfolgen und Identität
„Unser Anliegen war, möglichst viele ehemalige und noch aktive Ruderer der Roßlauer Rudergesellschaft in einer geselligen Runde zusammenzubringen“, erklärt Manfred Flügel, der am Freitagabend 95 Ruderfreunde begrüßen durfte. Ohne Ehepartner, denn: „Wir wollten das Gespräch unter Ehemaligen suchen. Partner, die sich gar nicht kennen, wären da nur überflüssig gewesen.“
So versammelten sich ehemalige Ruderer aus Roßlau, Vertreter des Deutschen Ruderverbandes und des Ruderverbandes Sachsen-Anhalt sowie zahlreicher befreundeter Vereine, um ihren Lieblingssport hochleben zu lassen. Und wo sonst, wenn nicht hier? „Etwa 80 Meter entfernt“, blickt Flügel zurück, „auf Höhe des Brückenkopfes der Straßenbrücke über die Elbe stand unser erstes Bootshaus.“
Im Jahr 1900 war das. Elf Jahre zuvor, am 31. August 1889, hatten sich sieben Herren in der Gaststätte „Zum Goldenen Löwen“ zusammengefunden, um die Gründungsurkunde zu unterzeichnen - die Geburtsstunde der Roßlauer Rudergesellschaft. Über die Jahre änderte sich zwar die Bezeichnung - aus Motor Roßlau wurde BSG Motorschiffswerk Roßlau, seit 1993 wird wieder unter dem ursprünglichen Namen gerudert. Die Identität aber blieb: „Wir sind und waren schon immer ein familiärer Verein“, sagt Manfred Flügel, seit 1972 Mitglied der Roßlauer Ruderer und seit zehn Jahren deren Vorsitzender.
Einer, der im vergangenen halben Jahrhundert eigentlich immer dabei war, ist Walter Richter. Der inzwischen 71-Jährige gehört seit 55 Jahren zum Verein, wohnt mittlerweile zwar in Timmendorf, lässt es sich aber nicht nehmen, regelmäßig bei Fahrten dabei zu sein. „Damals“, erinnert er sich, „waren wir viele junge Leute. Die bisherigen Mitglieder hatten alle geheiratet und Walter Kohl (2002 verstorben, Anm. d. Red.) hat sich dann dazu bereiterklärt, den Sektionsleiter zu machen. Wir hatten sehr erfolgreiche Zeiten. Da war richtig was los im Bootshaus.“
Trotz des freudigen Anlasses kam bei den Verantwortlichen der Roßlauer Rudergesellschaft am Wochenende etwas Frust auf. „Trotz rechtzeitiger Verschickung der Einladung Mitte Juni an den Oberbürgermeister und den Ortschaftsrat Roßlau kam von beiden Seiten keinerlei Reaktion zur Würdigung dieses historischen Ereignisses unserer Doppelstadt“, ließ Manfred Flügel, Vorsitzender der Roßlauer Rudergesellschaft, verlauten.
Weiter hieß es: „Somit ging dieses Jubiläum auf historischem Platz und im repräsentativen Umfeld des Elbzollhauses ohne jegliche Aufmerksamkeit der Verwaltung unserer Doppelstadt von statten.“ Die Mitglieder der Rudergesellschaft würden dies als „Nichtachtung der geleisteten Arbeit unseres Vereins“ verstehen.
„Da viele Vertreter des Deutschen Ruderverbandes, des Ruderverbandes Sachsen-Anhalt sowie befreundeter Vereine und zum Teil weit angereiste ehemalige Ruderkameradinnen und Ruderkameraden anwesend waren, ist dies auch in der Außenwirkung sehr bedauerlich“, so der Vereinsvorsitzende Manfred Flügel. (dg)
Der Verein wurde zum Trainingsstützpunkt ernannt, delegierte Sportler nach Halle. Ende der 1970er Jahre durften große Siege bejubelt werden: Dreimal sicherten sich Roßlauer den DDR-Amateurmeistertitel, zweimal im Einer und einmal im Vierer. Seitdem hat sich viel verändert. Der Nachwuchs fehlt. „Aber das ist ja bei vielen Sportarten so“, meint Walter Richter. 39 Mitglieder zählt die RRG heute. Der Altersdurchschnitt liegt bei „Ende 40“, wie Manfred Flügel verrät.
So ein schönes Revier
43 Boote stehen in dem Bootshaus in der Sachsenbergstraße, 20 davon sind aktiv. Die anderen seien unter anderem für Kinder vorgesehen, sagt der Vereinsvorsitzende. „Vielleicht kommen ja wieder bessere Zeiten“, meint Flügel. Und: „Boote gibt man nicht so einfach weg.“ Die meisten werden ja auch noch gebraucht. Inzwischen nicht mehr für „Rennruderei“, denn: „Wir betreiben breitensportliches Rudern“, wie Manfred Flügel erzählt. Aber die Ausfahrten in ganz Deutschland, auch am Sonnabend fand zum Abschluss der Feierlichkeiten eine solche statt, gehören zum festen Programm.
„Die Elbe ist so ein schönes Ruderrevier“, weiß Walter Richter aus jahrzehntelanger Erfahrung. „Es ist toll, dass unser Verein am Leben erhalten wird“, sagt der Roßlauer ein bisschen sentimental.
