Roßlau als rechtsextreme Hochburg? Roßlau als rechtsextreme Hochburg? Das sagen Polizei, Verwaltung und Politik

Roßlau - Hat Roßlau ein Nazi-Problem? Inzwischen mehren sich Stimmen, die von einer „rechten Hochburg“ sprechen. Erst am Dienstag hatten Mitstreiter des „Projekts Partnerschaft für Demokratie“ Roßlau als einen „Leuchtturm des Rechtsextremismus“ in der Region bezeichnet. Andere wiederum wollen dem Ort diesen Stempel nicht aufdrücken und warnen vor einer Stigmatisierung. Doch die Ereignisse zuvor haben Roßlau geschadet.
Lautstark und aggressiv wurde gegen die geplante Flüchtlingsunterkunft Front gemacht
Die Einwohnerversammlung 2015 vor der Eröffnung der Gemeinschaftsunterkunft ist vielen in schlechter Erinnerung geblieben: Lautstark und aggressiv war gegen die Pläne der Stadt Front gemacht worden. Es folgten monatelang Dienstagsdemonstrationen vor der Einrichtung.
Als im vergangenen Jahr informiert wurde, dass die Einrichtung aufgegeben wird, setzte sich die Tonlage fort. In Aufruhr geraten war auch die Jugendszene in der Stadt. Immer wieder hatten Jugendliche auf dem Schillerplatz randaliert und auch der damalige Jugendklub „Blitzableiter“ wurde verwüstet.
Die Initiative „Buntes Roßlau“ sieht sich immer wieder massiven Anfeindungen und auch Übergriffen auf das Privathaus ausgesetzt. Zum Teil wurden Bekennerschreiben hinterlassen, in denen sich die rechtsextreme Identitäre Bewegung zu erkennen gibt.
Wie wird die Situation in Roßlau eingeschätzt? Die MZ fragt nach.
Ortsbürgermeisterin Christa Müller: „Wir müssen differenzieren“
„Wir haben eine rechte Szene unter dem NPD-Stadtrat, aber der hat die im Griff“, schätzt Ortsbürgermeisterin Christa Müller die Lage ein. Auch sie empfand die Bürgerversammlung als schlimm, schätzt aber ein, dass es seit Schließung der Gemeinschaftsunterkunft ruhig ist in Roßlau.
„Wir müssen differenzieren.“ Deshalb verwahre sie sich gegen Aussagen, die in dem Stadtteil eine große rechte Szene sehen. Vieles werde nachgeplappert vom Hörensagen. „Wenn man genauer nachfragt, wird es zumeist sehr schwammig und unkonkret.“ Gegen diese Volksmeinung anzukommen, sei aber ebenfalls schwierig. Auch die Jugendlichen, die am Schillerplatz aufgefallen waren, seien keine Rechten gewesen, sagt Müller. „Ich habe mit ihnen viele Gespräche geführt.“
Dessau-Roßlauer Polizei kann kein „rechtes Problem“ für Roßlau bestätigen
Auch die Dessau-Roßlauer Polizei kann ein „rechtes Problem“ für Roßlau nicht bestätigen. „Wir haben dort eine normale Kriminalitätslage, wie in Dessau auch“, sagt Wolfgang Berger, Leiter des Polizeireviers Dessau-Roßlau. Er sieht den Ortsteil Roßlau nicht stärker belastet als Dessau, „weder in der einen, noch in der anderen Richtung“.
Seit Eröffnung des Jugendclubs „Platte 15“ im Juni vorigen Jahres hat es laut Polizeirevier dort sechs Polizeieinsätze gegeben, davon sei eine politisch motiviert gewesen. Es gebe in Roßlau vier bis fünf Jugendliche im Alter von 15/16 Jahren, die der rechten Szene nahe stehen und in diesem Kontext in Erscheinung treten, so Berger. Man habe diese Personen aber unter Beobachtung. „Unser Kontaktbereichsbeamter hält ständigen Kontakt zum Jugendklub und dem Umfeld, wir informieren uns gegenseitig.“
Als Straftaten mit rechtem Hintergrund ordnet der Revierleiter aber die Angriffe auf Mitglieder der Initiative „Buntes Roßlau“ ein. „Hier ist es naheliegend, dass die rechte Szene dahintersteckt, aber auch das muss noch nachgewiesen werden.“
Sozialdezernent Jens Krause siehte eine „Fehlinterpretation von Ereignissen“
Sozialdezernent Jens Krause spricht von einer „Fehlinterpretation von Ereignissen“ und sagt: „Roßlau ist nicht braun.“ Den Neuanfang im Jugendklub „Platte 15“ schätzt er als gelungen ein. Trotz Vorkommnissen. „Viele sind der pubertären Dummheit zuzuordnen, man will provozieren.“ Im Klub habe man sich dafür entschieden, auf derlei Vorfälle zunächst mit pädagogischen Maßnahmen zu reagieren, ehe die Polizei gerufen wird. „Das halte ich langfristig für wirksamer.“
Positiv hebt der Dezernent hervor, dass ein Großteil der Jugendgruppe vom Schillerplatz in den neuen Klub integriert ist. Krause zieht auch bei den Polizeieinsätzen den direkten Vergleich zum Vorgängerklub „Blitzableiter“. Da hatte es 2014/15 über einen Zeitraum von anderthalb Jahren mehr als 20 Einsätze gegeben.
Mit einem völligen Neuanfang in einem neuen Gebäude und mit einem neuen Team sei es gelungen, Aktivitäten rechtsradikaler Jugendlicher einzudämmen, sagt Klubleiterin Maren Marks.
Rechte Meinungen seien zwar noch nicht komplett raus, aber nicht mehr vordergründig. „Wir haben es geschafft, die neutrale Stellung des Jugendklubs nach außen zu verbreiten“. Marks spricht von einer „guten Vertrauensbasis zu den Jugendlichen“, so dass bei Konflikten und Meinungsverschiedenheiten ruhig und sachlich diskutiert werde.
Wenn das nicht möglich ist, gibt es Konsequenzen - und das Gespräch wird auf später vertagt. „Irgendwann ist dies dann auch möglich“, berichtet sie von ihrer Erfahrung. Rangeleien und Pöbeleien gehen laut Maren Marks immer mal von anderen Jugendlichen aus - sie träfen Deutsche und Migranten untereinander und hätten unterschiedlichste Themen zum Anlass. Auseinandersetzungen zwischen deutschen und ausländischen Jugendlichen seien bisher noch nicht vorgekommen.
Bastian George von den Grünen sieht den Jugendclub von Rechten instrumentalisiert
Wenn Jugendliche mit einem 40 Zentimeter langen Messer oder Quarzsandhandschuhen in den Jugendklub kommen, sieht Bastian George darin durchaus ein Problem. „Es ist ein Verstoß gegen das Bundeswaffengesetz und das muss geahndet werden“, findet der Kreissprecher der Grünen und Mitglied des Jugendhilfeausschusses.
Er sieht den Jugendklub von der rechten Szene instrumentalisiert. „Ich denke, dass die Einrichtung auf einem guten Weg ist, sehe aber die Gefahr noch nicht gebannt.“ Den Verstößen gegen die Hausordnung müsse man mit Strenge und Konsequenz begegnen, was auch praktiziert werde. Von Roßlau selber wünscht er sich einen offensiveren Umgang mit diesen Ereignissen. „In Roßlau selbst wird das ,rechte Problem’ ausgeblendet.“
Verbale Grenzüberschreitungen werden auch aus anderen Jugendfreizeiteinrichtungen gemeldet. „Wir brauchen hier ein einheitliches Vorgehen in der gesamten Stadt“, mahnt Bastian George an. Und stößt damit in der Stadtverwaltung auf offene Ohren. Inzwischen gibt es regelmäßige Treffen der Jugendklub-Mitarbeiter, um Erfahrungen auszutauschen und gemeinsame Handlungsstrategien bei Vorkommnissen zu entwickeln.
CDU-Mann Joachim Mau: „Es gibt keine Szene oder organisierte Gruppierung in Roßlau“
CDU-Mann Joachim Mau aus Roßlau sieht kein rechtes Problem. Vieles sei hochgespielt aus dem Problem der Jugendlichen am Schillerplatz und der Situation rund um die Unterkunft für die minderjährigen Flüchtlinge, erklärt er.
Bei den Jugendlichen sieht er mehr ein Erziehungs- denn ein politisches Problem. Die Gemeinschaftsunterkunft in der Waldstraße sei eine besondere Situation gewesen: „Da waren viele Bürger aufgewühlt, besorgt, verunsichert.“ „Inzwischen“, so Mau, „hat sich alles beruhigt“. Auch im Alltag, beispielsweise auf dem Sportplatz, spielten rechte Parolen keine Rolle. „Es gibt keine Szene oder organisierte Gruppierung in Roßlau.“ (mz)

