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Quartiersfest im Johannisviertel Quartiersfest im Johannisviertel: Bunte Vielfalt und ein bisschen Kiez-Charakter

Von sophie laass 22.06.2015, 09:44
Viel zu erleben gab es für die Besucher des Quartiersfestes im Dessauer Johannisviertel.
Viel zu erleben gab es für die Besucher des Quartiersfestes im Dessauer Johannisviertel. sebastian Lizenz

dessau - Was man nicht alles hört über Dessau: Die drittälteste Stadt Europas, oft im Schatten von Halle und Magdeburg, ist laut neuestem Focus-Ranking auch die wirtschaftlich schwächste Region Deutschlands. Dass Rankings nicht immer Recht haben müssen, zeigt am Wochenende das Dessauer Johannisviertel.

Zum Quartiersfest stehen hier am Sonntag bunte Stände auf der Straße, die ihre Bewohner in allen Facetten zeigen. Hier feiert das Avendi-Seniorenheim neben Kindern, die spielen, und neben Studenten, die indisch kochen, während Sozan Saleem kostenlose Henna-Tattoos malt. Sie alle gehören zur „Tafel der Begegnung“, die Bewohner und Besucher in Gespräche verwickeln soll.

„Wir wollen was losmachen“, meint Claudia Trautmann vom Büro Hallo, einer Studenteninitiative, die sich mit der Kommunikation im Stadtraum beschäftigt und daran arbeitet, den Alltag in Dessau zu verschönern. Mit ihrer „Koch-Karawane“, aus der sie Kartoffel-Curry-Suppe schöpft, steht sie das erste Mal hier. Den Kontakt zum Johannisviertel fand sie über das Vor-Ort-Haus, in dem sich Studenten der Hochschule Anhalt in kleinen Projekten für ein lebendiges Dessau engagieren.

Um die Gestaltung und Entwicklung des Johannisviertels zu verbessern, haben sich die Bewohner zu einem „Quartiersstammtisch“ zusammengeschlossen. Seit drei Jahren organisiert die Initiative unter Leitung von Avendi-Chef Ralf Zaizek das Quartiersfest, in diesem Jahr erstmalig in der Johannisstraße.

Ein Konzert am Freitag eröffnete die Feier, auch das Anhaltische Theater beteiligte sich am Festprogramm. Wichtigste Aktion war aber die „Tafel der Begegnungen“, die den Kontakt zwischen neuen und alten Bewohnern der Johannisstraße ermöglichen soll.

Monster-Geschichten für alle

Das gleiche Ziel führte auch Karsten Lückemeyer hierher. Als Astronaut verkleidet, erzählt der ehemalige OB-Kandidat in der Johannisstraße Geschichten von „Benni, dem Knuddelmonster“ und seiner Marsmission mit der Apollo 22. Der 52-jährige organisiert auch Cosplay-Treffen im Jugendclub Zoberberg. „Man ist so alt, wie man sich fühlt“, findet Lückemeyer.

Simone Tischner, 53, sieht das ähnlich. Vor dem Schwabehaus hat sie einen kleinen Flohmarkt organisiert und verkauft daneben Produkte aus dem Eine-Welt-Zentrum. „Trotz der schönen Gründerzeithäuser war das Viertel früher grau und unansehnlich“, sagt Tischner, „durch die vielen Nischenläden ist das Angebot heute aber viel bunter geworden.“ „Nischenläden“, dazu zählt Tischner Unternehmen wie das Nähcafe „Nadelkissen“ oder den Plattenladen „Halb 7“, die seit einigen Jahren auch Künstler sowie Studenten der Hochschule Anhalt anlocken. Einige von ihnen haben hier ihr Zuhause.

„Richtig international ist das Viertel“, staunt Bärbel Fuchs. Die 60-jährige wohnt auch hier und hat das Quartiersfest mit organisiert. An ihrem Stand verkauft sie T-Shirts und Jutetaschen mit aufgedruckter Skyline vom Johannisviertel: Kirche, Schwabehaus, Theater. Drei verschiedene Variationen hat sie davon anfertigen lassen.

Der elfjährige Harald Schröter beschäftigt sich währenddessen lieber mit den Ausmalbildern am Unicef-Stand. „Solche Esel habe ich schon mal in Algerien gesehen“, berichtet der Junge. Seine Mutter hat ihn dorthin mitgenommen - zum Fest kommt sie später nach. „Sie macht gerade Ramadan“, sagt Harald, „da muss man fasten.“

Kampf der Kulturlosigkeit

Ganz in seiner Nähe hat jemand ein markantes Graffiti an die Wand gesprüht, das die Johannisstraße zu überragen scheint: Ein Junge neigt den Kopf, um zu lesen, nur fehlt ihm dazu das Buch - es ist unsichtbar. „2020: Kulturfreie Zone Dessau?“ steht daneben. Genau dem soll das Quartiersfest entgegenwirken, aber auch zeigen, was das Johannisviertel schon hat. „Ich finde die Ruhe hier schön“, sagt Irakerin Sozan Saleem. Und Simone Tischner vom Schwabehaus meint: „Ein bisschen Kiez-Charakter haben wir schon.“ (mz)

Besonders beliebt bei den kleineren Besuchern: Henna-Tattoos der Irakerin Sozan Saleem.
Besonders beliebt bei den kleineren Besuchern: Henna-Tattoos der Irakerin Sozan Saleem.
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Eine bunte Vielfalt an Angeboten hat Besucher jeden Alters zum Quartiersfest in die Johannisstraße gelockt.
Eine bunte Vielfalt an Angeboten hat Besucher jeden Alters zum Quartiersfest in die Johannisstraße gelockt.
sebastian Lizenz
Für Spiel und Spaß war den ganzen Tag lang gesorgt.
Für Spiel und Spaß war den ganzen Tag lang gesorgt.
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