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Projekt "Gegenpart" Projekt "Gegenpart": Immer mehr rechts motivierte Angriffe rund um Dessau-Roßlau

Von Danny Gitter 30.03.2017, 09:41
Teilnehmer eines rechtsextremen Aufmarsches.
Teilnehmer eines rechtsextremen Aufmarsches. dpa-Zentralbild

Dessau-Roßlau - Die Zahl der rechten Übergriffe und die Häufigkeit rechter Aktionen in Dessau-Roßlau und seinen angrenzenden Landkreisen Anhalt-Bitterfeld sowie Wittenberg ist 2016 erneut gestiegen.

Zudem versuchen rechte Strömungen auf vielfältige Weise eine rechte Alltagskultur zu etablieren und sich so immer mehr in die Mitte der Gesellschaft zu bringen. Zu diesen Erkenntnissen kommen die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten in der Parkstraße sowie das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Anhalt mit ihrem Projekt „Gegenpart“.

Rechts Motivierte Angriffe befinden sich auf einem Höchststand

Insgesamt 45 politisch rechts motivierte Angriffe registrierte die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten im vergangenen Jahr in der Region. „Das sind so viele wie noch nie seit unserem bestehen 2002“, konstatiert Marco Steckel, Leiter der Beratungsstelle.

Im Jahr zuvor verzeichneten Steckel und sein Team noch 38 rechts motivierte Angriffe. 2016 entfielen zehn dieser Taten auf den Landkreis Wittenberg, 16 auf Anhalt-Bitterfeld und 19 auf Dessau-Roßlau. Rund zwei Drittel dieser Delikte sind Körperverletzungen. Zudem wurden auch zwei versuchte Totschläge, ein versuchter Mord, fünf Sachbeschädigungen, zwei Brandanschläge, zwei Bedrohungen sowie fünf sonstige Delikte, wie Raub, verzeichnet.

So pöbelten in Dessau vor einem Wohnblock in der Schlossstraße am 26. Juli 2016 kurz nach Mitternacht zwei Männer Passanten an. Einem jordanischen Mieter, der die Nachtruhe anmahnte, wurde erwidert, dass das ein „deutsches Haus“ sei. Später suchten sie die Wohnung des Mannes auf und sprühten ihm Reizgas ins Gesicht.

Initiative sieht AfD als Wegbereiter rechten Gedankenguts

„Solche Taten werden längst nicht nur von bekannten Neonazis begangen, sondern auch von in dieser Hinsicht bisher unauffälligen Personen, die damit ihre rassistische Weltsicht offenbaren“, stellt Steckel fest. Dass sich immer mehr Menschen dazu legitimiert fühlen, rechte Taten zu verüben, hat für Steckel auch mit dem Einzug der AfD in den Landtag zu tun. Er sieht die rechtspopulistische Partei als Wegbereiter, rechtes Gedankengut bis in die Mitte der Gesellschaft zu transportieren.

Rechtsextremismus drückt sich jedoch nicht nur in körperlicher Gewalt und Sachbeschädigung aus. Das Projekt „Gegenpart“ registrierte im vergangenen Jahr insgesamt 470 rechte Aktionen und Zwischenfälle in der Region. Auch das ist der höchste, jemals gemessene Wert.

Medienberichte, Polizeimeldungen und eigene Recherchen als Grundlage

Grundlage für die erhobene Statistik sind Polizeimeldungen, Medienberichte und eigene Recherchen von „Gegenpart“. Die häufigsten Delikte wurden im Bereich der Volksverhetzung und der öffentlichen Aufforderung zu Straftaten verzeichnet. 109 solcher Fälle hat „Gegenpart“ für Anhalt-Bitterfeld in seiner Chronik des vergangenen Jahres. 80 Fälle sind in Dessau-Roßlau und 56 im Landkreis Wittenberg aufgeführt.

Auch die Zahl der Aufmärsche, Demonstrationen und Saalveranstaltungen ist kontinuierlich hoch. 25 sind es in Anhalt-Bitterfeld, 27 in Dessau-Roßlau und 12 im Landkreis Wittenberg gewesen. In der Doppelstadt schlagen besonders die rechten Kundgebungen gegen die damalige Unterkunft für unbegleitete Minderjährige in der Waldstraße zu Buche.

Rechte Bewegungen in der Öffentlichkeit immer präsenter

Auch nach dem Abebben der Flüchtlingskrise, sehen die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalttaten und „Gegenpart“ sehr viel Arbeit vor sich. „Rechtsextremismus hat mittlerweile sehr viele Erscheinungsformen“, bilanziert Steffen Andersch von „Gegenpart“.

Neben rechten Parteien sind auch die Identitäre Bewegung, Reichsbürger und Anhänger von diversen rechten Verschwörungstheorien in der Öffentlichkeit immer präsenter. „Unsere Aufgabe wird es sein, mit Verwaltungen, Bürgern und Initiativen Strategien im Umgang damit zu finden“, so Andersch. (mz)