Premiere in Dessau Premiere in Dessau: Unbekannte Oper mit weltberühmten Duett

Dessau - Das Anhaltische Theater setzt seine Reihe der konzertanten Opern auch in der aktuellen Spielzeit fort. Am Freitag, 27. Mai, um 19.30 Uhr kommt „Lakmé“ von Léo Delibes auf die Bühne im Großen Haus. MZ-Redakteurin Ute König hat sich mit Operndirektor Felix Losert über die wenig bekannten Oper mit dem weltberühmten Blumenduett unterhalten.
Bei „Lakmé“ ist es erstaunlich, dass so gut wie jeder das Blumenduett kennt, aber fast keiner die Oper. Wie erklärt sich das der Opernexperte?
Losert: Es ist wirklich erstaunlich. Es gibt wenige Stücke in der Oper, die so viele Leute kennen, ohne zu wissen, dass es überhaupt aus einer Oper ist. Wenn man beispielsweise das „Lied des Escamillo“ hört, wissen einige, dass es aus „Carmen“ ist. Beim Blumenduett ist es nicht so. Das kommt vermutlich dadurch, dass es so oft in der Werbung und im Film verwendet wird - weil es eben charmant klingt und so dahinsäuselt.
Warum ist die Oper wenig bekannt?
Losert: Die Oper selbst ist 1883 in Paris entstanden und in allen romanischen und englischsprachigen Ländern gespielt worden. In Deutschland aber fast gar nicht. Das hat wohl mit dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zu tun und den Ressentiments, die auch noch danach vorherrschten. Ein weiterer Grund: Das Stück spielt in Indien. Ein solches Setting, das ein bisschen nach Kitsch riecht, war lange Zeit ein Hindernis, diese Oper aufzuführen. Heute ist es ganz anders. Vor einigen Jahren kamen die Bollywood-Filme in Mode. Deshalb gibt es jetzt Theater, die „Lakmé“ auch szenisch aufführen.
In Dessau hat man sich trotzdem gegen die Szene und für eine konzertante Aufführung entschieden.
Losert: Wir haben uns nicht gegen die Szene entschieden. Es ist schlichtweg so, dass wir jedes Jahr ein Werk konzertant anbieten wollen, und da bot sich die wunderbare Oper sehr an. Wenn man es szenisch macht, dann muss man es richtig machen, dann muss man mit einer Erwartungshaltung des Publikums in Richtung Bollywood rechnen. Damit umzugehen, ist bei einer Oper mit ernster Handlung - es ist ja keine Operette - nicht ganz einfach.
Dem Zuhörer wird am Ende aber vermutlich trotzdem nichts fehlen.
Losert: Absolut. Der Komponist Léo Delibes hat hier einen Ohrwurm an den anderen gehängt. Die Musik ist ganz üppig und unheimlich reich. Und sehr fasslich. Es ist keine große Sinfonie. Die Oper ist etwas traditioneller und unterteilt in Arien und Duette. Es gibt auch Ballettmusik, die wir spielen. Von der Gliederung her ist es wie eine Operngala, aber man hat eben ein zusammenhängendes Stück.
Wird es klanglich wie in einem Bollywoodfilm?
Losert: Klanglich ist es nicht Bollywood sondern eine französische Oper. Delibes ist nicht nach Indien gefahren, um die indische Musik zu imitieren. Die Zuhörer hätten sich da nur gewundert. Aber es gibt etwas, das man das Exotische in der Musik nennt: Es gibt Schlagzeug, besondere Rhythmen, ein paar ungewöhnliche Tonschritte. Das ist es aber auch schon. Die Franzosen haben all das unheimlich geliebt. Ich hoffe, dass es auch hier ankommt.
Wenn es französische Oper ist, wird in der Original-Sprache gesungen?
Losert: Ja, denn auch der Charme der Melodien ist davon abhängig. Das Blumenduett gibt es in keiner einzigen deutschen Fassung. Es wird auch in der Werbung immer auf Französisch gesungen. Genauso die Glöckchen-Arie. Sonst kann man die Töne auch gar nicht ausspucken. (lacht) Aber wie üblich bieten wir Übertitel, die hier ganz leicht ermöglichen, den Text zu verfolgen. Es ist kein Stück, in dem große Mengen an Text abgespult werden. Es ist eine traditionelle Oper, in der die Musik größere Bögen entfaltet.
Lakmé wohnt mit ihrem Vater, einem Brahmanen-Priester, in einem Lotoshain. Mit Fremden darf sie nicht reden, begegnet aber dem englischen Offizier Gérald, der sich verliebt. Der Vater erfährt davon und zwingt Lakmé, auf dem Markt als Tempelsängerin den Frevler anzulocken, um ihn zu töten. Gérald wird verletzt, überlebt aber und wird von Lakmé heimlich gepflegt. Ein Freund macht die beiden ausfindig und erinnert Gérald an seine Soldatenpflicht. Lakmé erkennt, dass er sie verlassen wird - sie aber nicht mehr zurück kann. Sie vergiftet sich.
Felix Losert gibt eine Werkeinführung um 19 Uhr im Foyer.
Die Glöckchen-Arie ist ein weiteres bekanntes Stück. Hier gibt es eine sehr hohe Stelle im Sopran, die man nicht immer zu hören bekommt. Bekommt man sie in Dessau zu Gehör?
Losert: Ja. So etwas ist auch immer eine Vorbedingung für Besetzung der Partien. Die Lakmé ist eine, die wunderbar zu der Art der Stimme und der Technik von Angelina Ruzzafante passt. Als Liebhaber Lakmés hören wir Marcel Reijans, dem seine Partie auch wie auf den Leib geschrieben passt. Dirigieren wird Wolfgang Kluge, der mit der Philharmonie einen charmanten französischen Farbenzauber bereithält. Insgesamt sind es ganz schwierige Partien - aber keine dramatischen. Anders als bei Richard Wagner ist vieles ist ganz intim. Vieles spielt sich im ganz Leisen ab. Das erfordert eine große Klangkultur von Seiten des Orchesters - und auch der Sänger, die eher die feinen Töne bieten müssen.
Trotz der feinen Klänge wird auf der Bühne einiges aufgefahren: Orchester, Opernchor, das Opern-Ensemble plus zusätzliche Solisten.
Losert: Ja, das ist ein richtig großes Ding. Für den Chor gibt es eine ganz toll komponierte Szene, in der alle durcheinander dröhnen und dieses wahnwitzige Treiben auf dem indischen Markt akustisch umgesetzt wird. Sie ist sehr sehr plastisch und es macht sehr viel Spaß sie zu hören. Im Zentrum sind jedoch die Szenen zwischen den beiden Liebenden - Tenor und Sopran. Die sind immer ganz intim und da entfaltet sich das Drama. Die Stelle, wenn Lakmé bewusst wird, dass der Engländer sie verlässt, ist ganz anrührend, weil das mit einer ganz schlichten Melodie charakterisiert wird. Jeder andere Komponist hätte riesig die Trommel gerührt. Hier ist es ganz zurückgenommen und sehr exquisit. Darauf freue ich mich sehr. (mz)
So klingt das Blumenduett (Anna Netrebko & Elina Garanca, 2010)