Postenvergabe im Stadtrat Postenvergabe im Stadtrat von Dessau-Roßlau: AfD-Kandidat erhält mehr Stimmen als seine Fraktion hat

Dessau-Roßlau - Gespannt richteten sich die Blicke am Mittwoch auf die konstituierende Stadtratssitzung in Dessau-Roßlau. Durch die Kommunalwahl haben sich die Kräfteverhältnisse in dem Gremium verschoben.
Das hat nicht nur Einfluss auf den Ausschuss-Poker, also auf die Frage: Welche Fraktionen bekommen Zugriff auf und damit die Deutungshoheit über welches - wenn man so will - Ressort? Vor allem das erste Kräftemessen bei der Besetzung des Stadtratspräsidiums stand im Mittelpunkt - schließlich hatte auch die AfD einen eigenen Kandidaten ins Rennen um den stellvertretenden Vorsitzenden geschickt.
Neuer Stadtratsvorsitzender als Nachfolger von Lothar Ehm gewählt
Zuvor stand allerdings die Wahl des Stadtratsvorsitzenden auf der Tagesordnung. Das Amt hatte bislang Lothar Ehm inne. Der Walderseer Ortsbürgermeister war CDU-Spitzenkandidat in seinem Wahlbezirk, holte mit 2.676 Stimmen das stärkste Ergebnis für die Christdemokraten bei der Stadtratswahl und hätte folglich den ersten Zugriff auf den Posten gehabt.
Nach MZ-Informationen soll parteiintern allerdings Kritik an seiner Sitzungsleitung laut geworden sein. Vor allem im Umgang mit kritischen Statements in der Einwohnerfragestunde habe Ehm nicht immer souverän reagiert, heißt es.
Dies sei auch fraktionsübergreifend so wahrgenommen worden, weshalb der bisherige Amtsinhaber wohl keine Mehrheit gefunden hätte. Auch daher fand er innerhalb seiner Partei keine Berücksichtigung mehr und wurde - so sagen Beobachter - aussortiert. Auf Nachfrage zu den Aussagen zitiert Ehm einen Spruch, der am Rathaus steht: „Allen Menschen recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann.“
Kandidaten von FDP und AfD stellen sich zur Wahl für den ersten Vertreter des Stadtratsvorsitzenden
Doch welche personellen Alternativen gab es für CDU? Sie präsentierte kurzerhand Frank Rumpf. Der Rodlebener Ortsbürgermeister hatte am Mittwoch keinen Gegenkandidaten und bekam in geheimer Abstimmung 40 von 50 Stimmen. Hans-Peter Dreibrodt (Freie Fraktion) hatte sich zuvor gegen offene Wahlen ausgesprochen.
Dann folgte das Votum über die beiden anderen Präsidiumsmitglieder. Nach MZ-Informationen hatte die AfD-Fraktion eigentlich auf den zweiten Stellvertreterposten geschielt. Während der Sitzung meldete sich dann aber der Fraktionschef Andreas Mrosek zu Wort und meinte: „Wir sind die zweitstärkste Fraktion nach Wählerwillen und wollen daher den ersten Vertreter des Stadtratsvorsitzenden stellen.“
Schaut man auf die tatsächliche Sitzverteilung im Stadtrat, dann ist die AfD (acht Sitze) zwar erst drittstärkste Kraft nach CDU (zwölf Sitze) und Grüne/FDP/Neues Forum-Bürgerliste (elf Sitze). Mit Lutz Büttner (AfD) stand nun aber ein Gegenkandidat zu Karin Dammann (FDP) im Raum.
AfD-Kandidat erhielt mehr stimmen als seine Fraktion Sitze hat
Dass Mroseks Vorstoß alle Beteiligten völlig unvorbereitet traf, wurde dadurch illustriert, dass die Verwaltung erst einmal neue Wahlzettel ausdrucken musste. Anschließend erfolgte die geheime Stimmabgabe. Während auf Dammann 32 Stimmen entfielen, bekam Büttner 18 - also zehn mehr, als die Fraktion eigentlich hat. Auch bei der Wahl um den zweiten Stellvertreter unterlag der AfD-Kandidat. Während Frank Hoffmann (Die Linke) 28 Stimmen erhielt, entschieden sich diesmal sogar 21 Räte für Büttner. Ein Wahlzettel war ungültig.
Wie diese Ergebnisse zu deuten sind, darüber gibt es unter den Stadträten unterschiedliche Meinungen. „Die deutliche Stimmenanzahl für die AfD ist schon überraschend“, heißt es von einem Stadtrat, der seinen Namen nicht nennen will. Ein anderer meint: „Wenn geheim gewählt wird, ticken die Menschen anders. Das ist schon bedenklich.“
Ein weiterer Rat sieht die Wahl indes gelassen und meint: „Die AfD hat schlichtweg eine demokratische Niederlage erlitten.“ Das wertet Andreas Mrosek anders: „Dass wir wesentlich mehr Stimmen erhalten haben, als Mitglieder in unserer Fraktion sitzen, bewerte ich positiv.“ (mz)
Im neu konstituierten Stadtrat von Dessau-Roßlau sitzen 50 Mitglieder. Davon sind 24 neu in dem Gremium. Es gibt sieben Fraktionen: CDU (zwölf Sitze), Grüne/FDP/Neues Forum-Bürgerliste (elf), AfD (acht), Linke (sieben), SPD (fünf), Pro Dessau-Roßlau (vier) und Freie Fraktion (3).
Die wichtigsten Ausschüsse und ihre Vorsitzenden sind: der Haupt- und Personalausschuss (Vorsitzender: Oberbürgermeister Peter Kuras), der Ausschuss für Bauwesen, Verkehr und Umwelt (Eiko Adamek, CDU), der Ausschuss für Wirtschaft, Stadtentwicklung und Tourismus (Andreas Mrosek, AfD), der Ausschuss für Finanzen (Hendrik Weber, Forum - Bürgerliste), der Ausschuss für Gesundheit und Soziales (Michael Puttkammer, CDU), der Ausschuss für Kultur, Bildung und Sport (Ralf Schönemann,
Linke) sowie der Jugendhilfeausschuss Bastian George (Bündnis 90/Grüne).