Philosophin bekommt Mendelssohn-Preis Philosophin bekommt Mendelssohn-Preis : Auch eine Ehre für Dessau

dessau - „Als die Nachricht kam, war ich erst einmal sehr überrascht“, sagt Ursula Goldenbaum, die aktuelle Preisträgerin des Moses-Mendelssohn-Preises. Es ehrt die gebürtige Berliner Philosophin, die heute an der Emory University in Atlanta in den USA lehrt und forscht einerseits. Auf der anderen Seite verstand sie es mit viel Understatement zur gestrigen Preisverleihung im Rangfoyer des Anhaltischen Theaters den Ball zurückzuspielen. „Es ist doch zunächst eine große Ehre für Dessau, dass es diesen Preis gibt und damit die tiefen Gedanken von Moses-Mendelssohn öffentlichkeitswirksam in Erinnerung gehalten werden“, hielt die Preisträgern vor zahlreichen Gästen ein Plädoyer für einen der größten Söhne der Stadt.
Ein Denker mit anderen Ansätzen
Moses Mendelssohn (1729- 1786) war einer der bedeutendsten Philosophen der Aufklärung. Seine Ideen und Schriften inspirierten Lessing zu seinem berühmten Drama „Nathan der Weise“. Der in Dessau geborene jüdische Denker steht oft noch im Schatten von Kant und Hegel.
Zu Unrecht wie die Preisträgerin findet. Goldenbaum, die einst Philosophie an der Berliner Humboldt-Universität studierte und ab 1975 eine wissenschaftliche Laufbahn begann, unter anderem an der Akademie der Wissenschaften der DDR, Forschungszentrum Europäische Aufklärung Potsdam und TU Berlin, musste in der Bewertung der deutschen Aufklärung auch erst gängige Denkmuster überwinden, wie sie eingesteht. Dem idealistischen Mainstream des Hegelschen und Kantschen Denkens mit einer Philosophie, die auf einer Verwirklichung eines zumeist radikalen Ideals in irgendeiner Zukunft hinwirkt, versucht die Philosophin seit Jahrzehnten Denker mit anderen Ansätzen entgegenzusetzen, so auch Mendelssohn.
Die Fähigkeit zur Empathie
Für Mendelssohn gibt es keinen unabdingbaren Fortschritt, weder in moralischer noch religiöser Hinsicht. Für ihn ist die gesamte Menschheit zur Glückseligkeit fähig, im Naturzustand ebenso wie in einer Zivilisation. Deshalb empfiehlt gerade in diesen Tagen der Dessau-Roßlauer Oberbürgermeister Peter Kuras die Schriften Mendelssohns zu lesen, „vor allem denjenigen, denen die Fähigkeit zur Empathie verloren zu gehen scheint“. Mit dem Lob „auf die Fähigkeit zur Überprüfung des eigenen kritischen Denkens“, unterstrich Cord-Friedrich Berghahn, Germanist von der TU Braunschweig und Sprecher des Wissenschaftlichen Beirates der preisstiftenden Moses-Mendelssohn-Stiftung zur Förderung der Geisteswissenschaften in seiner Laudatio, dass Goldenbaum zurecht den diesjährigen Moses-Mendelssohn-Preis erhält. Seit 2012 wird er im Zweijahresturnus verliehen. Bisherige Preisträger waren die Philosophen Anne Pollok und Gideon Freudenthal. (mz)