Oury Jalloh ( 7.1.2005 Oury Jalloh: Viele offene Fragen nähren die Zweifel

Dessau-Roßlau - Der Tag, an dem Oury Jalloh starb, begann für ihn in der Dessauer Innenstadt. Dort nahm ihn eine Polizeistreife fest, nachdem zwei Frauen ihn beschuldigt hatten, sie belästigt zu haben. Ein Drogen- und ein Alkohol-Test ergaben: Jalloh hatte Kokain genommen und war angetrunken.
Die Beamten im Revier fesselten ihn an Händen und Füßen in der Gewahrsamszelle. Soweit polizeiliche Routine. Was dann geschah, hält noch zwölf Jahre später die Öffentlichkeit in Atem. Denn dann brach ein Feuer aus - in dem Oury Jalloh qualvoll verbrannte.
Hat Oury Jalloh seine Matratze in Brand gesteckt?
Hat er seine Matratze in Brand gesteckt und starb letztlich durch die eigene Hand? Oder wurde das Feuer gelegt? Ob diese Frage jemals geklärt werden wird, ist offen. Die Debatte nimmt aber wieder Fahrt auf.
„Oury Jalloh, das war Mord!“ Dieser Satz ist immer wieder zu hören und auf Transparenten zu lesen, wenn sich die traurigen und wütenden Demonstranten alljährlich im Januar in Dessau versammeln, um an den Tod von Oury Jalloh zu erinnern. An den Asylbewerber aus Sierra Leone, der am 7. Januar 2005 in einer Dessauer Polizeizelle starb.
Oury Jalloh in Polizeizelle in Dessau verbrannt
Als Polizeibeamte und Feuerwehrleute nach langen Minuten seine Zelle betraten, fanden sie nur noch einen verkohlten Leichnam vor. Die lange vertretene These, Jalloh habe sich selbst angezündet, wackelt seit einiger Zeit, deshalb gab es Mordermittlungen. Die Demonstranten in Dessau haben nie geglaubt, dass sich Oury Jalloh selbst angezündet wurde. Und über die Jahre bekamen ihre Zweifel immer neue Nahrung.
Jetzt scheinen ihre Zweifel amtlich bestätigt worden zu sein. Nach dem ARD-Bericht, wonach mehrere Sachverständige es für wahrscheinlicher halten, dass Oury Jalloh durch Fremdeinwirkung ums Leben kam.
Ist „Oury Jalloh, das war Mord“ doch richtig?
Die Sachverständigen hatten den letzten, im vergangenen Jahr unternommenen Versuch einer Nachstellung des Geschehens akribisch ausgewertet. Die Behauptung der wütenden Demonstranten, „Oury Jalloh, das war Mord“, trifft sie also doch zu?
Zwei Gerichte hatten das bisher verneint. Im Dezember 2008 sprach das Dessauer Landgericht zwei Polizisten vom Vorwurf der Körperverletzung mit Todesfolge frei. Der Bundesgerichtshof kassierte später einen der Freisprüche.
In einem weiteren Verfahren verurteilte das Landgericht Magdeburg vier Jahre später den damaligen Dienstgruppenleiter des Dessauer Polizeireviers zu einer Geldstrafe wegen fahrlässiger Tötung. Er hatte geduldet, dass Jallohs Zelle nicht ständig überwacht wurde.
Ihm war vorgeworfen worden, zweimal den Feueralarm weggedrückt zu haben, ehe er nach dem Mann sah. In beiden Verfahren waren die Behörden noch davon ausgegangen, dass Oury Jalloh durch die eigene Hand gestorben ist, weil es ihm trotz Fesselung gelungen sein soll, seine Matratze in der Zelle in Brand zu stecken.
Telefonat-Mitschnitt belegt Rassismus in der Polizei
Für Empörung in der Öffentlichkeit und Zweifel an der Dessauer Polizei sorgte auch die kurz nach Jallohs Tod bekannt gewordene Aufnahme eines Telefonats zwischen dem Dienstgruppenleiter des Reviers und einem Arzt, der eine Blutprobe bei Jalloh nehmen sollte: „Ja, piekste mal 'nen Schwarzafrikaner“, so der Beamte. - Antwort: „Ach du Scheiße.“ - Der Polizist lacht. - Der Arzt sagt: „Da finde ich immer keine Vene, bei den Dunkelhäutigen.“ - Der Beamte erwidert: „Na, bring doch 'ne Spezialkanüle mit.“ Für Kritiker belegte der Dialog klar den Rassismus in den Reihen der Polizei.
Mehrere Brandversuche, in denen der Feuertod rekonstruiert wurde, zuletzt im vorigen Jahr, brachten aber keine endgültige Klarheit. Die genauen Todesumstände blieben stets ungeklärt.
Fall Oury Jalloh ein Fall voller Rätsel
Dabei ist der Fall Oury Jalloh ein Fall voller Rätsel. Viele Fragen sind offen: Woher stammt das Feuerzeug, mit dem er sich angeblich angezündet haben soll, obwohl er an den Händen gefesselt war? Woher sein gebrochenes Nasenbein, das erst bei einer zweiten, auf private Initiative hin veranlassten Obduktion entdeckt worden war? Was hatte es auf sich mit der Flüssigkeit, die Beamte an jenem Tag in der Zelle entdeckten? Warum wurden nicht alle Handfesseln sichergestellt? Wie kann es sein, dass eine der Fesseln später vom Hausmeister entsorgt wurde?
Oury Jalloh: Zweifel an Selbsttötungs-These
Es sind solche Ungereimtheiten, die die Kritik an der Polizei und die Zweifel an der Selbsttötungs-These wachsen ließen. Doch auch die Staatsanwaltschaft Halle, die das Verfahren im Juni übernommen hatte, stellte die Ermittlungen im Oktober dann schließlich ein.
Sie hätten „keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für eine Beteiligung Dritter an der Brandlegung“ erbracht, erklärte die Behörde. Wie kommt es aber, dass die Sachverständigen eine solche Beteiligung zumindest für wahrscheinlicher halten als einen Selbstmord? Noch so ein Rätsel. An dem Punkt könnte eine unabhängige Überprüfung der Ermittlungen Klarheit schaffen. Ein Antrag der Linken im Rechtsausschuss auf Akteneinsicht scheiterte vergangenen Freitag. (mz)
