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Naturkundemuseum Naturkundemuseum: Schmiermittel des Alltags

Von danny gitter 16.07.2013, 07:26
Im Gespräch: Martin Langer (links) und Ernst Görgner
Im Gespräch: Martin Langer (links) und Ernst Görgner lutz Sebastian Lizenz

dessau/MZ - Irren ist auch eine große Disziplin der Wissenschaft. „Das Erdöl ist eine nutzlose Absonderung der Erde - eine klebrige Flüssigkeit, die stinkt und in keiner Weise verwendet werden kann“, so ließ es 1806 die Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg verlautbaren. Schon Jahrzehnte später sollte diese Annahme widerlegt werden. Über 200 Jahre später klingt diese Aussage nahezu absurd. „Wir sind von diesem Stoff abhängig wie drogensüchtige Junkies“, beschreibt Martin Langer den Ist-Zustand. Als Mikropaläontologe ist der Professor der Universität Bonn ein ausgewiesener Erdöl-Experte, der das Wissen seines Instituts in einer Wanderausstellung zusammengefasst hat. Noch bis zum 21. Dezember macht die Exposition Station im Dessauer Museum für Naturkunde und Vorgeschichte.

Obwohl schon seit dem 16. Juni geöffnet, fand hochwasserbedingt erst am Sonntag die offizielle Ausstellungseröffnung mit einem Einführungsvortrag statt. Dafür kam Langer vom Rhein an die Mulde und hatte viele Fragen und nicht weniger Antworten im Gepäck. Rund 14 Milliarden Liter des „schwarzen Goldes“ werden täglich verbraucht. Es hat sich im Laufe der jüngeren Geschichte für einzelne Personen als wahre Goldgrube entpuppt. Rockefeller, die Gebrüder Nobel und Oligarchen begründeten ihren Reichtum damit.

Blühende Regionen

Es machte auch Landstriche zu blühenden Regionen. Pennsylvania, Texas und Los Angeles in den USA, Saudi-Arabien und Wietze in Deutschland. Im niedersächsischen Landkreis Celle wurde bis in die 1960er Jahre Erdöl gefördert. Heute erinnert noch ein Erdölmuseum in Wietze an Glanz und Gloria vergangener Zeiten. Wer in Deutschland mit ernsthaften Gewinnabsichten jetzt und in naher Zukunft Erdöl fördern will, der muss raus aufs Meer, tief in die Nordsee. „Was wir im Weltmaßstab fördern können, ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, schließt Langer einen deutschen Öl-Boom nahezu aus. Die nähere Beschäftigung damit lohnt trotzdem. Denn kaum ein anderer Rohstoff dominiert unseren Alltag in solcher Weise wie Erdöl. „Wir haben Erdöl an und Manche tragen es auf der Nase“, verdeutlicht der Mikropaläontologe die breite Verwendung. Viele Textilien sind aus Erdöl-Derivaten gefertigt. Brillengläser aus Kunststoff wären ohne diesen Rohstoff nicht denkbar. Ganze Wohnungseinrichtungen, von Möbeln über Spielzeug und Verpackungen bis hin zu Elektronik basieren darauf. Besucher der Ausstellung können das anschaulich nachvollziehen und in die Geschichte eintauchen.

Ins Schwarze getroffen

Schon im alten Ägypten schwor man auf Erdölprodukte zur Einbalsamierung von Mumien. Im Mittelalter behandelten Mediziner damit u. a. offene Wunden. Heute ist es in manchem Medikament enthalten. Gezeigt wird auch wie Erdöl entsteht. Wer von der Förderung bis zur Zapfsäule in welchem Maß verdient und wie lange die Quellen noch sprudeln. Das alles beantwortet die Sonderausstellung. „Der Vorrat von Erdöl wird noch bis 2080 vermutet“, sagt Langer. Wie die Menschheit die Erde noch ein paar Jahre länger anzapfen könnte, wird ebenfalls ganz plastisch dargestellt. Deutlich wird vor allem: Es ist ein endlicher Stoff.

In Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt werden auch Exponate aus alternativen Materialien gezeigt. „Bisher hatten wir einen sehr guten Zuspruch“, freut sich Museumsleiter Ernst Görgner mit diesem Thema voll ins Schwarze getroffen zu haben.