Nach der OB-Stichwahl Nach der OB-Stichwahl: Setzt Peter Kuras neue Impulse in Dessau-Roßlau?

Dessau-Rosslau/MZ - Den Abend feierte Peter Kuras mit einem Klassiker. „I Feel Good“ von James Brown schallte es zu später Stunde von seiner Facebook-Seite. Es war ein emotionaler Ausbruch nach einem Abend, an dem die Anspannung nur langsam abfiel. „Wir haben im Brauhaus etwas zusammengesessen“, sagte Kuras mit belegter Stimme. So doll? „Nein“, winkte Kuras lachend ab, „ich bin nur etwas erkältet.“
Normaler Arbeitstag nach Wahlsieg
Am Tag nach dem Wahlsieg war Kuras in seinem Büro in Magdeburg. „9.30 Uhr war ich hier“, erklärte der Präsident der Landesstraßenbaubehörde. Eine Stunde später als sonst. Es war der einzige Unterschied zu einem anderen Montag. „Ich kämpfe mit den ganz normalen Problemen, die der Straßenbau so mit sich bringt.“ Allerdings nur noch zweieinhalb Wochen. Am 1. Juli ist Kuras’ neuer Arbeitsort das Dessauer Rathaus.
Peter Kuras wurde am 8. Mai 1958 in Dessau geboren, machte sein Abitur am Philanthropinum, wohnte immer in Dessau, heute in der Waldsiedlung Kochstedt. Er ist seit 36 Jahren verheiratet, hat mit Janet und Martin zwei erwachsene Kinder und ist stolzer Großvater von Sontje (6).
Die Berufslaufbahn führte ihn an die Spitze verschiedener Verwaltungsressorts, obwohl er an der Universität in Rostock, delegiert von der Schiffswerft Roßlau, Ingenieur für Schiffstechnik studiert hatte. Er war unter anderem fünf Jahre Lehrbeauftragter an der Hochschule Anhalt für das Fach Kommunalrecht, wurde 2013 Präsident der Landesstraßenbaubehörde. Kuras ist bereits 1983 der Liberal-Demokratischen Partei Deutschlands beigetreten und Mitglied der FDP. Zur Wahl ist er als unabhängiger Kandidat angetreten, der von einem breiten Parteienbündnis unterstützt wurde.
Kuras ist fasziniert von der inzwischen über 800-jährigen Geschichte Anhalts. Er engagiert sich im Anhaltischen Heimatbund, dem Dachverband Anhaltische Landschaft und im Technikmuseum „Hugo Junkers“.
Der Übergang muss organisiert werden. Ob sich Kuras in seinem alten Job beurlauben lässt? „Ganz ehrlich? Ich habe keine Ahnung, wie das beamtenrechtlich läuft“, sagte er. „Wir werden da in den nächsten Tagen einen Weg finden.“ Überhaupt ist viel zu besprechen. „Ich habe unwahrscheinlich viele Glückwünsche bekommen - und mindestens schon ebenso viele Einladungen.“ Kuras sortiert die gerade. Mit Juni-Terminen tut sich der FDP-Mann aber noch schwer. „Ich bin ab 1. Juli gewählt. Ich will keinen schlechten Stil an den Tag legen.“
Der Amtsantritt von Kuras wird ein besonderer sein. Zum zweiten Mal nach der Wende hat die Stadt Dessau-Roßlau einen liberalen Oberbürgermeister. Im Juni 1990 war Jürgen Neubert zum Stadtoberhaupt gewählt worden. Damals noch von der Stadtverordnetenversammlung. Erst 1994 wurde der Oberbürgermeister direkt und für sieben Jahre gewählt. Hans-Georg Otto setzte sich damals durch und verteidigte 2001 seinen Posten. Einer seiner Konkurrenten damals: Peter Kuras. Im ersten Wahlgang hatte der FDP-Mann respektable 12,60 Prozent erhalten. 13 Jahre später hat Kuras sein Ziel erreicht.
Das Ergebnis der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters war eindeutig: Kuras erhielt 75,82 Prozent. Das waren 19.031 Stimmen. Koschig bekam 24,18 Prozent. Das entsprach 6.068 Stimmen - und waren 1.600 Stimmen weniger als im ersten Wahlgang am 22. Mai.
In fünf Wahlbezirken holte Kuras in der Stichwahl über 90 Prozent: Kochstedt 0 und 1, Großkühnau, Ziebigk 2 und Waldersee 1. In Waldersee 1 holte der FDP-Mann mit 91,21 Prozent sein absolut bestes Ergebnis.
Koschig gewann neun der zehn Roßlauer Wahlbezirke. Brambach verlor der Amtsinhaber knapp mit 51,81 zu 48,19 Prozent. In absoluten Stimmen heißt das: 43 Brambacher waren für Kuras, 40 für Koschig. Die anderen Roßlauer Wahlbereiche dominierte Koschig - aber längst nicht so eindeutig wie Kuras in Dessau. Sein bestes Ergebnis holte Koschig in Mühlstedt mit 80,26 Prozent. In den fünf Wahlbezirken in Roßlau-Stadt holte Koschig zwischen 64,67 und 79,84 Prozent - allerdings bei einer geringeren Wahlbeteiligung als auf Dessauer Seite.
Die Wahlbeteiligung selbst lag bei 34,70 Prozent. 4.620 Dessau-Roßlauer waren Briefwähler. Drei Wahlbezirke lagen mit der Wahlbeteiligung über 40 Prozent. Mühlstedt hatte hier mit 49,36 Prozent den besten Wert, gefolgt von Ziebigk 3 (42,59 Prozent) und Waldersee 1 (40,78 Prozent). In zehn Wahlbezirken blieb die Wahlbeteiligung unter der 20-Prozent-Marke. Süd 6 mit 14,01 Prozent und West 0 mit 13,7 Prozent waren dort die absoluten Tiefpunkte.
Für die FDP im Land ist Kuras ein Hoffnungsträger, ein Lebenszeichen. „Es hat sich gezeigt: Ist Kompetenz gepaart mit Herz, dann spricht ein liberaler Kandidat die Bürger an“, sagte FDP-Landeschefin Cornelia Pieper - und verteidigte die Tatsache, dass Kuras als unabhängiger Kandidat angetreten war und auf seinen Plakaten das liberale Gelb gemieden hatte. „Es war richtig, sich mit den anderen Parteien an einen Tisch zu setzen. Es geht zuallererst um das Wohl der Bürger und die Zukunft Sachsen-Anhalts und nicht um Parteipolitik.“
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Nun sind auch die gefordert, die Kuras im Wahlkampf unterstützt haben. „Ich sehe echte Chancen für einen Neuanfang“, sagte Guido Fackiner, der für Bündnis 90/Grüne im neuen Stadtrat sitzt. „Wir Räte sind aber genauso in der Pflicht, etwas zu verändern.“ Man sei bereit, auf alle anderen zuzugehen. „Es geht um eine detailliertere Zusammenarbeit, um mehr Transparenz von Entscheidungen, um bessere Absprachen“, sagte Linke-Kreischef Frank Hoffmann. Das sei aber keine Einbahnstraße. Hoffmann setzt auf Kuras. „Das ist wie im Sport, wenn ein neuer Trainer geholt wird.“ Da gebe es neue Impulse. Die auch von der CDU erhofft werden. „Die CDU wollte den Wechsel im Rathaus, das Ziel haben wir mit der Unterstützung von Peter Kuras erreicht“, erklärte CDU-Kreischef Jens Kolze, der sich vom neuen Stadtoberhaupt eine „intensivere, vertrauensvollere Kommunikation“ erhofft. „Wir wollen ihn unterstützen, so gut es in unserer Macht steht.“
Hoffmann konnte sich angesichts solcher Sätze aber eine Stichelei nicht verkneifen. Mittwoch haben CDU und Pro Dessau-Roßlau das Thema Kavalierstraße auf die Tagesordnung der letzten Sitzung des alten Stadtrates gesetzt - um die beschlossene Verkehrsberuhigung zu stoppen. „Das Auf-die-Bremse-Treten ist alte Schule“, sagte Hoffmann. „Das ist genau das, was der neue Rat nicht braucht.“
Ob und wie das Unterstützerbündnis hält, das also ist die große Frage. Interessante Entwicklungen gibt es jedenfalls. Für den neuen Stadtrat verhandeln nach MZ-Informationen FDP, Bürgerliste, Bündnis 90/Grüne und das Neue Forum über das Bilden einer gemeinsamen Fraktion. Die hätte zusammen neun Sitze - und wäre nach CDU und Linke immerhin die drittstärkste Kraft im Rat.
1 628 Stimmen für Koschig
Ob Klemens Koschig in den neuen Stadtrat einzieht, ist offen. 1 628 Stimmen hatte der Oberbürgermeister am 25. Mai für das Neue Forum geholt - und diesem den Einzug in den Stadtrat beschert. Als Stadtoberhaupt hätte Koschig dieses Mandat nicht wahrnehmen können. Nun steht es ihm frei. „Ich hatte schon abgewunken“, gab Koschig zu. Für ihn wäre dann Klaus Tonndorf nachgerückt. „Doch aus der neuen Fraktion gibt es den Wunsch, dass ich mitwirken soll.“ Koschig überlegt deshalb neu. Die konstituierende Sitzung des neuen Stadtrates findet am 9. Juli statt.