Mühlstedts kleiner Schatz Mühlstedts kleiner Schatz: Darum erhält Ortschaftsrat ein 70 Jahre altes Ölgemälde

Mühlstedt/Dessau - Sie diskutieren manchmal heiß, streiten um gute Lösungen, fassen Beschlüsse. Und wenn nicht alle einer Meinung sind, schließen sie Kompromisse. Aber dass man dem Ortschaftsrat etwas schenkt, das kommt äußerst selten vor. Am Donnerstag vergangener Woche traf der Ausnahmefall ein.
Der Ortschaftsrat Mühlstedt ist seit wenigen Tagen Besitzer eines Ölgemäldes. Gemalt wurde das 80 mal 70 Zentimeter große und gerahmte Bild vom Maler Friedrich Koch. Der mutmaßliche Hobbymaler arbeitete 1947 im Auftrag. Auftraggeber war der Dessauer Schmiedemeister Alfred Stoisch (1911 bis 1966).
Schmiedemeister Stoisch hat das Bild mit der Silhouette von Mühlstedt seiner Angetrauten Hildegard zum Geburtstag geschenkt. Er wollte, dass Ehefrau Hildegard nach Mühlstedt kein Heimweh bekommt, sondern der Ort und das liebevolle Geschenk in ihrem Zuhause in Dessau allgegenwärtig sind. Die beschenkte Hildegard Stoisch wurde 102 Jahre alt. Sie starb 2018. Die „Silhouette von Mühlstedt“ gehörte seitdem Sohn Karl-Heinz Stoisch.
Karl-Heinz Stoisch findet, das Ölgemälde muss möglichst dorthin zurück, wo es gemalt wurde
Zwei Jahre nach dem Tod der Mutter sucht der 78-jährige Sohn für das Bild seiner Eltern einen würdigen Aufbewahrungsort mit Zukunft. Er findet, das Ölgemälde muss möglichst dorthin zurück, wo es gemalt wurde. „Es sollten möglichst viele Menschen sehen“, wünscht er der Maschinenbauingenieur. Er selbst ließ sich zur Erinnerung eine Kopie fertigen. Denn das Original ist viel zu groß für sein Haus. Und recht hat er, so ein Bild ist ein Zeitzeugnis für Mühlstedt.
Das Ölgemälde zeigt die aus dem 13. Jahrhundert stammende markante spätromantische Feldsteinkirche, in dem sich Stoisch’ Eltern einst das Ja-Wort gegeben haben. Und es zeigt neben vielen anderen Bauernhöfen das Anwesen von Stoisch’ Großeltern mütterlicherseits, und zwar das des Müllers und Mühlenbesitzers Max Herrmann und seiner Frau Marie.
„Wir haben bei den Großeltern in Mühlstedt früher immer schöne Tage verbracht“, erinnert sich Stoisch beispielsweise an die Szenen, als der Großvater mit dem Kescher die Rossel-Forellen übers Wehr in den Teich hob, damit die Fische den Weg bis zur Quelle des Flüsschens fortsetzen konnten. Eindrucksvoll sei gewesen, wenn der Opa mit seinem Lastenaufzug zwischen den Ebenen der Mühle unterwegs war. Es war etwas ganz besonderes, wenn Karl-Heinz oder die anderen Enkel mitfahren durften.
Das Grundstück seiner Großeltern sei immer offen gewesen, nie umzäunt wie heute
Ob Pfingsten, Ostern oder andere Feiertage, die Familie - sechs Kinder hatten die Mühlstedter Müllersleut’ - habe sich immer in Mühlstedt in der Mühle getroffen, schildert Karl-Heinz Stoisch seine Kindheit und Jugend. Der Dessauer Maschenbauingenieur hat sich sogar die Mühe gemacht, für alle Nachfahren der Herrmanns einen Stammbaum zu erstellen. Einer der sechs Müllerkinder übernahm die Mühle und soll sie bis in die 1980er Jahre geführt haben. Dann wurde sie verkauft.
Das Grundstück seiner Großeltern sei immer offen gewesen, nie umzäunt wie heute. Vor dem Gehöft habe eine riesige Kastanie gestanden, die Fahrzeuge fuhren drumherum, wie um im einen Kreisel.
Mühlstedts Trauerhalle könnte zum multifunktionalen Dorfgemeinschaftshaus werden
Das an den Ortschaftsrat geschenkte Bild wird vorerst in der Gaststätte Kleßen an der Wand im Gastraum zu sehen sein, plant Mühlstedts Ortsbürgermeister Jan Düben. Aller paar Wochen öffnet die urige Kneipe unter anderem zur Sitzung des Ortschaftsrates. Solange, bis der Rat sein neues Domizil hat. Es gibt ja Pläne, die inzwischen ungenutzte Trauerhalle zum multifunktionalen Dorfgemeinschaftshaus umzubauen.
Vor einem guten Jahr fanden die Pläne eines Dessauer Architekturbüros die Zustimmung des Ortschaftsrates. Mittel der Europäischen Union sollen verbaut werden. Wenn das Projekt, um das es inzwischen sehr ruhig geworden ist, umgesetzt wird, zieht der Ortschaftsrat dorthin um, erklärt Mühlstedts Ortsbürgermeister Jan Düben. Das Bild kommt definitiv mit. (mz)
