Mit Musikvideo gegen Fachkräftemangel Mit Musikvideo gegen Fachkräftemangel: HipHop im Dessauer Altenheim

Dessau - Im HipHop-Rhythmus über die Flure eines Pflegeheims tanzen? Das geht ja wohl eher nicht.
Doch, es geht! Bei der Avendi Senioren Service GmbH in der Hausmannstraße passierte nämlich genau das. Und das Beste daran: Es tanzten - und sangen - nicht etwa „richtige“ Sänger und Tänzer, sondern die Mitarbeiter des Heimes - und auch die Bewohner. „Alle hatten die Musik im Ohr und bewegten sich danach“, erzählt die stellvertretende Heimleiterin Daniela Müller lachend.
HipHop im Heim
Passiert ist das im Dezember vorigen Jahres. Und den HipHop ins Heim gebracht haben zwei junge Männer: Der Design-Student Thomas Hinkel und der angehende Erzieher und Hobby-HipHop-Künstler Maximilian Wendler. Zwei Freunde. Sie drehten in dem Alten- und Pflegeheim ein professionelles Musikvideo. Mit durchaus ernstem Hintergrund. Für Thomas Hinkel entstand auf diese Weise seine Bachelor-Abschlussarbeit für sein Designstudium an der Hochschule Anhalt. Und Avendi-Chef Ralf Zaizek hofft, damit sein Personalproblem lösen zu können.
Denn zur Musik gehören ein Video nebst Song. Letzteren schrieb Maximilian Wendler auf Bitte seines Freundes Thomas. Thema: Demografischer Wandel. „Ich habe nebenberuflich in der Haustechnik bei Avendi gearbeitet und hatte dadurch das Thema sozusagen täglich vor der Nase, bin sensibilisiert worden dafür“, erzählt der 22-jährige Hinkel. Der Fachkräftemangel im Pflegebereich, mit dem Avendi-Chef Ralf Zaizek täglich zu kämpfen hat, blieb auch ihm nicht verborgen. Es entstand die Idee, in einem Musikvideo direkt junge Leute anzusprechen und für diesen Beruf zu werben. Die Musik schrieb und produzierte Max Wendler. Auch für ihn war das Thema Pflege ein völlig unbekanntes. „Ich habe mir bei Avendi erst einmal einen Einblick in den Beruf geholt und mit den Mitarbeitern gesprochen“, erzählt der 21-Jährige. Die wiederum zeichneten mit ihren Erzählungen ein sehr ehrliches Bild von ihrem Beruf zwischen Zeitnot und Tröster. „Das war für mich eine wichtige Erfahrung, nicht nur für den Song“, blickt Wendler zurück. Was er dort erlebte, floss in den Text für den Titelsong des Musikvideos ein.
„Es ist ein beeindruckendes Video“
Entstanden ist ein Lied, das für den Beruf des Altenpflegers wirbt. Jugendgemäß, ohne große Polemik. „Es ist ein beeindruckendes Video“, ist Ralf Zaizek von dem Ergebnis begeistert. Das waren im übrigen auch die Bewohner des Heimes, die an den Dreharbeiten zum Video unheimlich viel Spaß hatten. „Dabei waren sie am Anfang sehr skeptisch“, weiß Daniela Müller noch genau. „Das war wirklich ein einfacher Dreh“, lobt Thomas Hinkel die Mitwirkenden, die alle mit vollem Einsatz dabei gewesen seien.
Nun sind alle auf die Wirkung des Videos gespannt. Wird es mit seiner Hilfe gelingen, junge Leute vom Altenpflegerberuf zu überzeugen? Ab heute - dem „Internationalen Tag der Pflege“ - wird das Video von Thomas Hinkel mit dem Titel „#MoneyDopePflege“ auf der Website von Avendi verlinkt sein, auch auf youtube kann es abgerufen werden. Bei Ausbildungsmessen, Jobbörsen, Schulbesuchen soll das Video zum Einsatz kommen. „Es sagt mehr als die beste Powerpoint-Präsentation“, findet Daniela Müller.
Ralf Zaizek bezeichnet die Suche nach neuen Pflegekräften als eine „Herkulesaufgabe“ in den nächsten Jahren. Nicht nur in Dessau, aber insbesondere auch hier. Denn laut Pflegestrukturplanung der Stadt wird die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2020 von jetzt 2 300 auf über 3 000 steigen. Im Jahr 2035 werden 4,3 Prozent der Gesamtbevölkerung pflegebedürftig sein. Die Zahl der Erwerbstätigen aber wird weiter sinken in der Doppelstadt. „Richtige Sorge macht mir außerdem der Demenz-Report, der Dessau-Roßlau im Jahr 2025 in Deutschland auf dem Silberrang bei der Zahl der Demenz-Kranken sieht.“ Dies alles sei zwar bekannt in der Stadt und in der Pflegestrukturplanung festgehalten, indes fehlten ihm Antworten und Initiativen, wie man sich diesen Herausforderungen stellen wolle.
Altenpfleger sind Mangelware
Schon jetzt sind Altenpfleger Mangelware, haben die Einrichtungen mit Personalnot zu kämpfen. So waren im Arbeitsagenturbezirk Dessau-Roßlau-Wittenberg im April 70 offene Stellen gemeldet. Den Bedarf schätzt Agenturchefin Sabine Edner allerdings weitaus höher ein, da nicht alle Arbeitgeber freie Stellen der Arbeitsagentur meldeten.
Die Arbeitsagentur und das Jobcenter wollen mit Qualifizierungsmaßnahmen Arbeitsloser dem Fachkräftemangel entgegenwirken. In den vergangenen zwei Jahren begannen 155 Kunden eine solche Qualifizierung in der Altenpflege. Davon streben 128 einen beruflichen Abschluss an. Noch bis März 2016 besteht die Möglichkeit der Vollfinanzierung einer Weiterbildung zum Altenpfleger durch Arbeitsagentur oder Jobcenter. (mz)