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Mimen auf dem Tennisplatz

Von Thomas Steinberg 03.04.2005, 15:29

Dessau/MZ. - Die Elbe bei Dessau als Hauptort der Handlung? Das Drehbuch von einem, der in Dessau groß wurde? Das müsse wohl doch, mutmaßt ein Casting-Bewerber, eine Ostalgie-Geschichte sein?

Holger Nickel wehrt ab. Wenn der Film alles sei - eines aber gewiss nicht: Eine Ostalgie-Geschichte. Und nicht mal eine über Arbeitslosigkeit, selbst wenn beide Protagonisten ihre Jobs auf einem Frachtschiff verlören.

Samstagnachmittag auf dem Tennisplatz in Dessau-Nord. Karren werden geschoben, Harken geschwungen: Arbeitseinsatz für Vereinsmitglieder. Drei Männer kommen über die Terrasse, tragen Kamera und Stativ mit sich. "Die machen wohl einen Film über uns?", witzelt einer der Tennisspieler.

Nicht ganz. Marco Mittelstaedt ist Regisseur, Raik Böttcher Produzent, Holger Nickel Drehbuchautor. Die drei planen einen Spielfilm. Auch wenn jetzt eine Produktionsfirma gefunden ist - die Berliner Luna-Film ("Kroko", "Berlin is in Germany") - wenigstens ein Teil des knappen Budgets steht, bleibt Nickel skeptisch: "Ich glaub erst dran, wenn die Kamera läuft." Vor fünf Jahren hat er mit der Arbeit am Drehbuch begonnen.

In Mittelstaedt hat er den passenden Partner gefunden. Gerade hat der seinen ersten Spielfilm - "Jena Paradies" - abgeschlossen. Zuvor hatte er Kurzfilme gedreht, von denen einer bei der Berlinale prämiert wurde.

Was beide eint, ist der Wille, einen ungewöhnlichen Film zu drehen. Die neue deutsche Witzigkeit im Film liegt ihnen fern. "Was mich beeindruckt hat", sagt Mittelstaedt, "ist Holgers Bereitschaft, mit mir am Drehbuch zu abreiten."

Böttcher fällt unterdessen die Rolle des Cheforganisators zu. Wo ist preiswert Catering zu bekommen, wo können die Schauspieler untergebracht werden? Wer muss um welche Genehmigung gefragt werden? Gibt es Veranstaltungen, die die Dreharbeiten behindern können? Wer übernimmt die Hauptrollen? Böttcher sammelt Informationen, notiert Namen, Telefonnummern, E-Mail-Adressen. "Wenn die Leute hören, da kommen welche vom Film, denken sie, es sei viel Geld da. Aber wir sind nun mal nicht die Bavaria." Was an Geld fehlt, müssen Kontakte, Engagement und Einfallsreichtum wettmachen.

Das Casting übernimmt deshalb Mittelstaedt selbst. In einem kleinen Raum hat er die Mini-DV-Kamera aufgebaut. Der Fotoapparat liegt bereit. Vielleicht ein Dutzend Bewerber sind gekommen. Profis mit Engagements am Anhaltischen Theater unter ihnen, aber auch Amateure vom Kurtheater Bitterfeld. Mittelstaedt setzt sie vor die Kamera und lässt sie erzählen - vor allem von sich.

Wer genommen wird, bleibt an diesem Tag offen. Die Anwärter müssen sich gedulden. Nur diese Auskunft lässt Mittelstaedt sich abringen: Es seien ein paar geeignete Leute dabei gewesen.