1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Meteorologe Sven Plöger: Meteorologe Sven Plöger: Wie sein Buch Familie Rauch aus Dessau anders auf Klimawandel blicken ließ

Meteorologe Sven Plöger Meteorologe Sven Plöger: Wie sein Buch Familie Rauch aus Dessau anders auf Klimawandel blicken ließ

Von Silvia Bürkmann 21.03.2021, 08:00
Umweltschutz persönlicher Art im Garten mit Bienenvölkern. Uta Rauch organisiert seit zehn Jahren Jungimker-Kurse. 2021 ist erstmals Pause.
Umweltschutz persönlicher Art im Garten mit Bienenvölkern. Uta Rauch organisiert seit zehn Jahren Jungimker-Kurse. 2021 ist erstmals Pause. Thomas Ruttke

Dessau - Dieses Weihnachtsgeschenk war nicht im nächsten Augenblick verputzt und wird auch demnächst nicht abgetragen sein. Es lässt Beschenkte und Geber aber nicht mehr los, treibt beide Seiten um: „Zieht Euch warm an, es wird heiß“ - das Buch des aus Funk und Fernsehen bekannten Meteorologen und Klimaexperten Sven Plöger übergab Matthias Rauch in Kleinkühnau seiner Frau Uta zum Fest.

Gelesen haben sie es im Urlaub zum Jahreswechsel dann gemeinsam. Nicht „diagonal“ verschlugen, sondern einander vorgelesen, 320 Seiten, Kapitel für Kapitel. Der Wissensgewinn für beide zum höchst komplexen Thema Klimawandel ist groß und zugleich anschaulich. Sven Plöger gelingt es, komplizierte Wissenschaft für die Leser zu übersetzen und verständlich zu machen, sagt Matthias Rauch.

Den menschengemachten Klimawandel zu stoppen, verbleibt nicht mehr viel Zeit

„Ohne dabei zu missionieren“, ergänzt Frau Uta. Keine Missionare und Prediger also hinterlässt das Buch, aber stark bewegte, aufgewühlte Leser mit der Erkenntnis: Den menschengemachten Klimawandel zu stoppen, verbleibt nicht mehr viel Zeit. „Im Prinzip rasen wir mit dem Auto geradewegs zu auf eine Wand. Wir sehen sie, wissen was kommt. Retten kann uns jetzt nur eine Vollbremsung“, kleidet es Matthias Rauch in ein bildhaftes Gleichnis, was ihn verfolgt.

Familie Rauch hat drei Töchter erzogen und vier Enkelkinder. Spätestens die Kleinen würden in 20 Jahren ihre Großeltern fragen: „Was habt ihr getan? Welche Welt hinterlasst ihr uns? Wir wollen euer Geld nicht.“

Das Umsteuern des schweren Dampfers Weltklima erfordere nach Überzeugung der zwei Plöger-Leser jetzt grundlegendes Umdenken. Man müsse weg vom Mantra permanenten Wachstums „Höher, schneller, weiter, mehr!“ Nun ist der „Faktor Mensch“ im Spiel, unberechenbar und wankelmütig oft genug, aber spielentscheidend.

Grenzen kennen weder Virus noch Klimawandel

„Was kann ein kleiner Mensch da schon bewirken“, diese Zweifel kennen auch Uta und Matthias Rauch. Im Vorjahr waren sie bei „Fridays for Future“-Demonstrationen der Dessauer Schüler mit durch die Stadt gelaufen.

Am Lily-Herking-Platz hatte ein erwachsener Mitläufer das Wort ergriffen und an die Demonstrationen vor über 30 Jahren erinnert: „Damals bin ich für euch auf die Straße gegangen und ein freies, selbstbestimmtes Leben. Jetzt habt ihr den Stab übernommen. Macht weiter: Man kann etwas ändern!“

Der damals von Greta Thunberg und ihren Altersgefährten angeschobene Weg in die Zukunft hatte gesellschaftlich bereits ein Stück Umdenken bewirkt, ehe von der Corona-Pandemie vieles verschüttet wurde - für den Meteorologen Plöger vergleichbar mit der brutalen Gewalt eines Asteroideneinschlags.
Grenzen kennen weder Virus noch Klimawandel. Aber der Faktor Mensch Möglichkeiten zur Gegenwehr.

„Es braucht Entscheider, die in der Klimakrise auch gegen Widerstände etwas bewegen können“

Die Menschen haben in gemeinsamer Anstrengung in nie zuvor dagewesenem Tempo wirksame Impfstoffe entwickelt. Und sie haben Wissensvorsprung für klimaneutrale Energien und Gebäude sowie zur Reduzierung der Treibhausgase.

Was fehlt, sind auch nicht die Menschen, Initiativen oder Organisationen, die sich für Umweltschutz stark machen. Auch nicht die, die persönlich ihr Scherflein beisteuern. Die die Bahn nehmen statt des Inlandflugs und Fahrrad statt Auto fahren. „Aber es fehlen Menschen an Schlüsselstellen, es braucht Entscheider, die in der Klimakrise auch gegen Widerstände etwas bewegen können“, grübeln Uta und Matthias Rauch.

Die Staatenlenker werden sie nicht erreichen, suchen auf mittlerer Ebene Mitstreiter. Konkret denken die zwei Dessauer an den Ministerpräsidenten, Oberbürgermeister und Kirchenpräsidenten. Die Entscheider können bald mit einem Buchgeschenk rechnen. Mit der Bitte, es aufmerksam zu lesen. Oder vorzulesen? (mz)