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Meisterhaus Kandinsky/Klee Meisterhaus Kandinsky/Klee: Der Mond zieht seine Bahn mit Hörnern

Von Thomas Altmann 23.09.2002, 15:29

Dessau/MZ. - Frühling, Sommer, Herbst und Winter - Chagall, Miró, Rattner und Klee: In diesem imposanten Zyklus der vier Jahreszeiten ändert sich längst nicht nur der Einfallswinkel der Sonnenstrahlen. Mit dem Frühling erblüht die wunderbare Welt des erzählfreudigen Stetls. Der Sommer ist voll katalanischer Kraft und skurriler Phantasie. Der Herbst zeigt sich etwas süßlich. Aber was für ein Winter, unterkühlt und sinnlich, primitiv und doch voller Raffinement. Erschienen sind "Die vier Jahreszeiten" im dritten Heft der legendären Kunstzeitschrift "Verve". Deren Herausgeber Efstratios Eleftheriades, genannt Teriade, konnte für die "Revue artistique et litteraire" eine Reihe namhafter Maler der klassischen Moderne gewinnen, deren Vorlagen als Lithografien reproduziert wurden.

Die Blätter aus der Anfangsphase der Zeitung, vom ersten Erscheinen im Jahr 1937 bis zum durch den Krieg bedingten Einschnitt 1940, werden in einer Ausstellung des Anhaltischen Kunstvereins und der Stadt Dessau in den Meisterhäusern Kandinsky/Klee gezeigt. Leihgeber ist der Münsteraner Sammler Ulrich Kuschnerus.

Als das erste Heft der Zeitschrift "Verve" in Paris erschien, waren viele der Wegbereiter einer neuen Kunst bereits im gesetzten Alter. Die Zeitung "war", so Reinhard Melzer, "weder das Sprachrohr einer avantgardistischen Kunstrichtung noch Organ einer professionellen Kunstkritik, sondern ihr Ansatz intendierte einen universalen Kunstanspruch". So veröffentlichte Triade auch Beiträge mit Autoren wie Paul Valéry, Federico Garcia Lorca, Jean-Paul Sartre oder André Gide. Zudem verdankt sich der Bekanntheitsgrad der Zeitung der künstlerischen Ausstattung. Die Kunstzeitschrift selbst wurde zum Kunstwerk, das u. a. editorische Maßstäbe bei der Reproduktion von Fotografien setzte.

Die in der Ausstellung gezeigten Lithografien wurden in der Werkstatt der Gebrüder Mourlot gedruckt, wo auch Picasso seine Druckgrafik herstellen ließ. Henri Matisse, Georges Braque und Pierre Bonnard gestalteten die ersten Umschläge der Zeitung. Besonders delikat an diesen ersten Heften war, dass verschiedene Künstler zu einem Thema arbeiteten. Dieses köstliche Unterfangen verebbte mit Kriegsbeginn. Danach wurden die Ausgaben vornehmlich einem Künstler gewidmet, so etwa Marc Chagalls Illustrationen zur Bibel oder Zeichnungen von Picasso.

"Die vier Elemente" waren das Thema des ersten Heftes. Auf recht verschiedenen Bahnen des Geistes kreisten "Die vier Himmelskörper" der zweiten Ausgabe. Sonne und Mond von Andrè Masson, der zu den Surrealisten gehörte, treffen hier auf Sterne und Kometen von Wassily Kandinsky. "Psychischer Automatismus" und konvulsivische Schönheit, begegnen geläuterter, in die Zone des Geistes gerückter Emotionalität. Das Heft 5 und 6 erschien als Doppelausgabe mit einer Serie zum Thema Mensch. Entsprechend der malenden Männerdomäne ist der Mensch hier vornehmlich weiblichen Geschlechts. Georges Braque oder Pierre Bonnard, bekannt geworden als Kubist bzw. Symbolist, sind da vertreten. Zärtlich gläsern und doch bestimmend fixiert das "Porträt eines Mädchens" von André Derain den Betrachter. Köstlich kokett erscheint die "Frau mit Hut" von Henri Matisse, der einstigen Kerngestalt des Fauvismus, während das Mädchen von Georges Rouault eher inwendig beschäftigt ist. Rouault gilt als der inbrünstigste, religiöse Maler des 20. Jahrhunderts. Auf eine andere Art himmlisch ist der Kinderkopf von Paul Klee.

Im Zyklus der Jahreszeiten hat Klee seiner Schlafenden ein leuchtendes Herz in den Bauch gemalt - dahin könnte es rutschen, wenn man diesen Bildern gegenübersteht.

Ausstellung "Verve", Meisterhaus Kandinsky/Klee, bis 10. November, di-so von 10 bis 18 Uhr