Lokprüfzentrum Dessau Lokprüfzentrum Dessau: Kerry Grüneberg sorgt dafür, dass alles rund läuft

Dessau - Als Mitte März scheinbar das ganze Land heruntergefahren wurde, Kinder von zu Hause aus lernten und die Erwachsenen im Homeoffice ihrer Arbeit nachgingen, da änderte sich dagegen für Kerry Grüneberg erst einmal nicht so viel.
Der 28-jährige Roßlauer fuhr wie gewohnt zur Arbeit im Lokprüfzentrum der DB Fahrzeugin-standhaltung in Dessau-Süd. Schließlich lässt sich so eine Lok nicht vom heimischen Computer aus warten und kontrollieren.
Mit neun anderen Kollegen pro Schicht kümmert sich der Fertigungsingenieur darum, dass die bis zu 350 im Dessauer Bahnwerk jährlich geprüften Lokomotiven wieder fit für die Schiene sind. Die Kunden sind Bahnunternehmen aus ganz Europa.
Im Führerstand lässt sich der geforderte Mindestabstand von 1,50 Meter kaum einhalten
Desinfektionsspender stehen in der Halle des Lokprüfzentrums bereit. Wenn die Lokprüfer gemeinsam im Führerstand einer Lok arbeiten müssen, lässt sich der geforderte Mindestabstand von 1,50 Meter kaum einhalten. Dann wird mit Masken gearbeitet. Selbst als die Mund-Nasenbedeckungen so knapp waren, dass damit Rekordpreise erzielt werden konnten, blieben die Dessauer Bahnwerker gelassen. „In anderen Bahnwerken, wo sich die Kollegen um Sitzpolster kümmern, wurden kurzerhand Masken genäht“, erzählt Grüneberg.
Schließlich musste und muss der Betrieb in allen zwölf deutschen Bahnwerken weitergehen. Ein kompletter Lockdown wäre dort kaum vorstellbar. „Den Betrieb aufrecht zu erhalten, ist auch deshalb wichtig, weil ähnlich wie beim Auto, auch bei Lokomotiven irgendwann eine Hauptuntersuchung fällig wird“, erklärt der Fertigungsingenieur.
Auch die Dessauer Bahnwerker sind systemrelevant
Alle sechs bis acht Jahre beziehungsweise nach rund 1,4 Millionen Kilometern Laufleistung ist die große Inspektion fällig. Dann werden die Lokomotiven auf Herz und Nieren geprüft. Auch sonst kommen regelmäßig Loks mit unterschiedlichem Reparatur- und Prüfbedarf. Würde in den Bahnwerken für zwei bis drei Monate alles ruhen, könnte das schnell im Alltag eines jeden Einzelnen spürbar werden.
„Dann könnte es sein, dass man auf die Banane auf dem Frühstückstisch verzichten müsste, weil etwa die Bahn, die die Fracht vom Hafen in Bremerhaven in die Region bringt, nicht fährt oder Autoteile, die in Tschechien gebraucht werden, nicht geliefert werden können“, erklärt Grüneberg.
Auch die Dessauer Bahnwerker sind somit systemrelevant und sorgen dafür, dass das öffentliche Leben auch in der Krise aufrecht erhalten wird. Als Alltagsheld sieht sich Grüneberg deshalb längst nicht. „Das ist schließlich die Arbeit, die ich mir ausgesucht habe. Die mache ich in der Krise, so wie vorher auch“, erzählt der 28-Jährige. Wie für viele Jungs, war auch für ihn Feuerwehrmann oder Lokomotivführer der Traumberuf schlechthin.
Durch die Präsenz am Arbeitsplatz ist trotz Corona eine gewisse Routine unter der Woche geblieben
Die Faszination für die Bahn ist geblieben. Wenn auch in anderer Form. Nach dem Besuch eines Tags der offenen Tür im Dessauer Bahnwerk und nach dem Abitur stand für ihn fest, im dualen Studium Elektrotechnik zu studieren, um danach Lokomotiven instandzuhalten statt sie zu fahren.
Die Helden des Alltags in der Corona-Krise sind für Grüneberg die Ärzte, Pfleger, Erzieherinnen und alle anderen, die an vorderster Front arbeiten und einem erhöhten Ansteckungsrisiko ausgesetzt sind. Er sieht sich und seine Kollegen relativ gut geschützt.
Den Lockdown hat der junge Ingenieur bisher physisch und psychisch gut überstanden. Durch die Präsenz am Arbeitsplatz ist eine gewisse Routine unter der Woche geblieben. In der Freizeit ist er froh darüber, Haus und Garten zu haben. Aber natürlich wünscht auch er sich, dass das Virus beherrschbar wird, „damit man gute Freunde wieder ohne Sorge herzlich umarmen oder auch einen Urlaub ohne Angst buchen kann.“ (mz)