Likör und Morddrohungen Likör und Morddrohungen: DDR-Fußball-Legenden Croy und Stange sorgen in Dessau für Unterhaltung

Dessau - Für den letzten großen Lacher sorgte Jürgen Croy. Als Bernd Stange gegen Ende der Veranstaltung „Anhalt Sport trifft Legenden“ am Montagabend von Kultreporter und Moderator Gert Zimmermann gefragt wurde, aus welchem Land das letzte Jobangebot kam, erzählte der Fußballtrainer und Globetrotter - er war Coach in neun Ländern -, dass zuletzt Clubs aus Zypern angerufen hätten. Aber auch, dass seine Karriere nach dem Aus als Nationalcoach Syriens im Januar zu Ende sei. „Bei mir“, grätschte Croy dazwischen, „melden sich nur Hotels vom Gardasee, wann ich mal wieder in den Urlaub komme.“
Über zwei Stunden haben die beiden Fußball-Legenden aus der DDR, Trainer Stange und Nationalkeeper Croy, am Montagabend im „Radisson Blu“ in Dessau für Unterhaltung gesorgt. Sie haben kritisch über den heutigen Fußball mit allen technischen Neuerungen gesprochen (Croy: „Es ist ganz schlimm, das nimmt viel Stimmung raus.“), vor allem aber Anekdoten erzählt - lustige und ernste. Die MZ hat die besten Geschichten gesammelt.
Das geschichtsträchtigste Spiel in der Karriere von Jürgen Cory war das deutsch-deutsche Duell bei der WM 1974
Das geschichtsträchtigste Spiel in der Karriere von Jürgen Cory war das deutsch-deutsche Duell bei der WM 1974, das Croy und die DDR mit 1:0 gewannen. Der frühere Weltklasse-Keeper erinnert sich aber gerne an den Abend. Croy und zwei weitere Spieler büxten aus der Unterkunft des DDR-Teams in Hamburg aus und erkundeten St. Pauli.
„Dort sind wir in einer Eckkneipe hängengeblieben, wo es als Spezialität Zitronenlikör gab“, erzählte er. Als sich das Trio am nächsten Morgen über die Terrasse wieder in die Unterkunft schlich, kamen einige Funktionäre raus. „Sie sagten: ,Na, ihr könnt nach dem Spiel wohl auch nicht schlafen?’“
Im Juli 1991 hat Bernd Stange das Traineramt bei Hertha BSC Berlin übernommen und zufällig einen Spieler gekauft, der bis dato noch unbekannt war: Mario Basler. Eigentlich beobachtete Stange einen anderen Mann von Rot-Weiß Essen, dann fiel ihm Basler auf. Was den Coach irritierte: „Alle in Essen haben zu mir gesagt: ,Den kannst du für schmales Geld gleich mitnehmen. Das ist ein toller Fußballer, aber der hat eine Meise.’“ Bernd Stange war sich sicher, Basler hinzubiegen. „Heute muss ich sagen: Ich habe es nicht geschafft. Ich bin auch aufgrund von Mario in Berlin gescheitert.“ Über Baslers Leben als Profi gibt es viele Geschichten. Stange verriet: „Der hat wirklich gesoffen.“
„Wir haben von zu Hause Schnaps mitgenommen und den an Tankstellen für umgerechnet zehn Mark verkauft“
Wenn Jürgen Croy mit dem DDR-Nationalteam unterwegs war, bekamen die Spieler ein „Tagegeld“ vom Verband. Zehn Mark in Landeswährung seien das gewesen. Da die Kicker aber auch etwas für ihre Familien mitbringen wollten, haben sie ihre Kasse eigenständig aufgebessert, wie Croy erzählte: „Wir haben von zu Hause Schnaps mitgenommen und den an Tankstellen für umgerechnet zehn Mark verkauft. Das ging vor allem in Skandinavien gut.“
Seine erfolgreichste Zeit im Ausland hatte Stange bei Perth Glory in Australien, wo er Vizemeister und Fanliebling wurde. Als er zum ersten Gespräch dort war, wurde er vom Vereinschef, Besitzer einer Hühnchen-Restaurantkette, in ein Haus am Meer eingeladen. „Er hat zu mir gesagt: ,Wenn du unterschreibst, lebst du hier’“, erzählte Stange, „ich habe sofort meine Frau angerufen und gesagt: ,Wir gehen nach Australien.’“ Bei der Unterschrift bekam Stange noch ein schweres Kuvert. „Ich dachte: Bernd, hier bist du richtig.“ Jedoch war kein finanzieller Bonus drin, sondern es waren massig Gutscheine für das Hühnchen-Restaurant.
2002 bis 2004 war Bernd Stange Nationaltrainer des Irak
Wie schnell sich Zeiten ändern, hat Jürgen Croy 1990 mitbekommen. Als Prämie für die WM 1974 samt des Sieges über die BRD bekamen der Torhüter und Co. damals 8.000 Mark. Als er 16 Jahre später zu einer Talkshow mit Managerikone Reiner Calmund und Trainer Erich Ribbeck in einem Ort im Schwarzwald eingeladen wurde, buchte er mit seiner Frau ein Hotel am Ortsrand: „Wir hatten ja keine Unmengen an Geld.“ Was Croy nicht wusste: Er sollte 10.000 Mark für den Auftritt erhalten. Auch ein Hotel war schon reserviert. „Da ist mir das Kinn runtergefallen, drei Stunden waren mehr wert als eine WM.“
2002 bis 2004 war Bernd Stange Nationaltrainer des Irak. Heute nennt er das sein „größtes Abenteuer“. Der Vertrag, noch zu Zeiten von Diktator Saddam Hussein abgeschlossen, wurde hierzulande kritisch gesehen. Und es gab ein Ende mit Schrecken. Als Stange kurz vor Olympia 2004 bei einem Trainingscamp in England von der dortigen Regierung - einem politischen Feind des Irak - Fußbälle als Geschenk annahm, drängte der Irak auf eine Trennung.
„Ich bekam sogar Morddrohungen.“ Stanges Erfahrungen in arabischen Ländern sollten aber besser werden. Auf seiner letzten Station, Syrien, trug er zum Bau eines Kunstrasenplatzes bei. „Die Kinder spielen da bis nachts, sie können mal all die Alltagssorgen und den Scheißkrieg vergessen.“ (mz)