Lehrstück über Recht und Moral Lehrstück über Recht und Moral: Anhaltisches Theater zeigt Schirachs "Terror"

Dessau-Roßlau - „Ich habe es nicht fertig gebracht, 70 000 Menschen sterben zu lassen“, entgegnet Luftwaffen-Major Lars Koch (Andreas Hammer) auf die Frage der Staatsanwältin Nelson (Illi Oehlmann), warum er das Verkehrsflugzeug mit 164 Personen an Bord abgeschossen habe. Ein islamistischer Terrorist hatte den Lufthansa-Airbus zuvor auf dem Flug von Berlin nach München entführt, um das Flugzeug auf die Allianz-Arena bei München stürzen zu lassen, die an diesem Abend mit 70 000 Fußballfans gefüllt ist.
Ob das Leben von 164 Menschen weniger zähle als das von Zehntausenden will die Staatsanwältin von dem angeklagten Kampfpiloten wissen. In diesem Fall ja, entgegnet der Offizier. Habe er richtig gehandelt? Und: Würde er es wieder tun? Auf beide Fragen antwortet der Pilot ebenfalls mit „ja“. Hätte er den A 320 aber auch dann abgeschossen, wenn seine Frau und sein Kind an Bord gewesen wären, will die Staatsanwältin zuletzt wissen: „Jede Antwort wäre falsch“, erklärt Koch zögerlich.
Ferdinand von Schirachs Lehrstück „Terror“ verhandelt ein juristisches Problem, das auch ein moralisches ist. Das Publikum ist aufgerufen, sich selbst ein Urteil zu bilden, da es die Rolle von Schöffen übernimmt. Auch in Dessaus Altem Theater, wo der Richter (Stefan Reck) die Zuschauer in ihre Funktion einweist.
Der Gerichtssaal ist hier ein weißer Raum mit einem Muster aus schwarzen Punkten und verströmt eine beklemmend klinische Atmosphäre (Bühne: Moritz Nitsche). In diesem wird der fiktive Prozess so verhandelt, als ob er ein echter wäre. Vor Koch sagt dessen Vorgesetzter Oberstleutnant Lauterbach (Stephan Korves) aus, später auch Franziska Meiser (Mirjana Milosavljevic), deren Mann zu den Flug-Opfern gehört. Aufgelockert wird das Frage-Antwort-Pingpong von Sticheleien zwischen Staatsanwältin Nelson und Kochs Verteidigerin Biegler (Christel Ortmann).
Eingedenk seiner Anlage als Prozess bietet das Stück keinem Akteur die Chance, schauspielerisch Akzente zu setzen. Als juristischer Präzedenzfall ist „Terror“ spannend, als Theaterspiel aber zäh.
Nächste Aufführungen: 21. Februar 15 Uhr, 23. Februar 20 Uhr
(mz)