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Flut vor 20 Jahren Landunter in Altstadt Roßlau - Beim Elbehochwasser 2002 staute Rossel zurück

Als die Elbe bislang ungekanntes Hochwasser führte, wüteten ihre kleinen Zuflüsse in den Städten - in Dresden die Weißeritz und in Roßlau die Rossel.

Von Silvia Bürkmann Aktualisiert: 18.08.2022, 12:28
Der Rossel-Rückstau flutete die Roßlauer Hauptstraße.
Der Rossel-Rückstau flutete die Roßlauer Hauptstraße. (Foto: Walter Flohr/Archiv)

Roßlau/MZ - Man hatte im Roßlauer Rathaus im August 2002 doch vorsorglich einen Krisenstab konstituiert, obwohl der Landkreis Anhalt-Zerbst als oberster Katastrophenschützer noch am Vortag das Elbehochwasser nur unter verstärkter Beobachtung hatte. Das Roßlauer Krisenteam wollte am Donnerstagmorgen in der Ölmühle nach dem Rechten schauen, um das gefährdete Haus noch zu sichern.

„Da kamen uns gleich auf dem Markt Anwohner der Schloßstraße entgegen und riefen: Das Wasser sei schon im Garten und Haus“, erinnert sich Klemens Koschig an den 15. August vor 20 Jahren. Den ersten von zwölf Tagen im Ausnahmezustand.

Erste Pegel-Pronose von Schiffern sprengt alles bisher Dagewesene

Die Bilder aus Dresden vom Bahnhof und überflutetem Zwinger machen Angst: Welche Wassermassen kommen in Roßlau an? Die Informationsketten - vor 20 Jahren nicht so ausgeklügelt und zeitnah verfügbar wie heute - lieferten keine verlässliche Aussagen zur Entwicklung der Pegelstände. Auch, weil stromauf viele bisherige Höchststände bereits überspült waren.

„Die Roßlauer Schiffer hatten eine Idee“, erzählt Koschig, der damalige Roßlauer Bürgermeister und spätere Oberbürgermeister von Dessau-Roßlau. Die alten Fahrensleute nämlich haben lange Erfahrung mit den Laufzeiten bis hoch zur ersten Schleuse in Aussig: Wenn das Elbwasser Usti nad Labem passiert hat - hinter der Einmündung der Moldau bei Melnik - ist es im Normalfall nach etwa 75 bis 80 Stunden in Roßlau. Allerdings: Die Strömungsgeschwindigkeit wächst mit dem Pegel. Nach Prüfung der Daten aus Böhmen kamen die Roßlauer Elbeschiffer zur Prognose: Es könnten 7,20 Meter werden! Weit über dem bis dato gemessenen höchsten Wasser vom April 1845: Dazumal waren es 6,47 Meter.

Am Folgetag fanden sich vier Roßlauer zusammen, die mit Nivelliergerät versuchten, die neue Dimension anschaulich zu machen: Mit geschulterter Leiter liefen sie die Südstraße entlang und markierten weit über Mannshöhe bei ausgestrecktem Arm mit roten Farbstrichen an den dortigen Kastanien die mögliche Höhe der Flut. Ihre Botschaft wurde verstanden: So hoch müsse eine Schutzmauer aus Sandsäcken aufgetürmt werden! Dieser Einsatz von Klaus Ritter, Rainer Gerdung, Bernd Reinhardt und Klaus Tonndorf sei laut Koschig für die Roßlauer wie eine Kampfansage geworden. „Wir müssen unsere Stadt vor der Flut retten!“

Klemens Koschig mit dem aktuellen Roßlauer Pegel und einem alten Pegelstein (links), der  an der Rossel gefunden und wieder aufgestellt wurde.
Klemens Koschig mit dem aktuellen Roßlauer Pegel und einem alten Pegelstein (links), der an der Rossel gefunden und wieder aufgestellt wurde.
(Foto: Thomas Ruttke)

Stadt und Land mussen viele Lehren aus Flut ziehen

Die nächsten Tage werden für die Menschen zur enormen körperlichen und emotionalen Herausforderung. Haupt- und ehrenamtliche Kräfte rücken Schulter an Schulter zusammen.

Und sie nehmen mit einer temporären Rosselumleitung die Arbeit des im November 2014 in Betrieb genommenen Absperr- und Schöpfwerkes quasi voraus: Burg und Jagdschlösschen waren längst umspült, da wurde der Zufluss an der Rosselbrücke mit Stein und Stahl gestoppt und das nachkommende Wasser über Schläuche mit einer Groß- und vielen kleineren Pumpen über die Südstraße auf die Elbwiesen abgepumpt. Raus aus der Stadt!

Die dramatischen Ereignisse der Flut 2002 sind gründlich aufgearbeitet worden. Mit Erfolg. „2002 hat uns die Flut getrieben, wir konnten nur auf neue Lagen reagieren. Danach wussten wir, was zu tun ist und konnten agieren. Auch 2013, als der Pegel noch einmal höher aufwuchs“, resümiert Koschig.

Für Hochwasserschutz haben Land und Stadt viel getan: Den Elbdeich geschlitzt für mehr Überflutungsfläche (2006), das Rossel-Schöpfwerk 2014 fertiggestellt. Und seit 2015 dichtet die Spundwand die Südstraße ab.