"Künstliche Intelligenz - Musik malen" "Künstliche Intelligenz - Musik malen": Dessauer gewinnt Preis für Software-Entwicklung

Dessau - Nam Phan Dinh nimmt die Maus und kritzelt auf den Bildschirm. Links ein rotes Haus, rechts ein Baum, oben drei Wolken, unten Rasen, zwei grüne Strünke, die wohl Pflanzen darstellen sollen, alles so, wie es ein Kindergartenkind auch malen würde. Egal, es geht ums Prinzip. Und das hat dem Elftklässler vom Philanthropinum einen Preis beschert.
Keinen Kunstpreis freilich, sondern eine mit 500 Euro dotierte Auszeichnung beim Deutschen Multimediapreis mb21, der am Sonnabend in Dresden verliehen wurde. Denn Nam hat ein Programm geschrieben, das aus Bildern Musik macht.
In der Mittelstufe hat Nam die Informatik für sich entdeckt. „Mathematik ist in der Schule oft trocken, ohne Bezug zur Praxis. In der Informatik ergibt sie plötzlich einen Sinn.“ Also lernte er Programmieren. Python ist die Programmiersprache seiner Wahl. Der Grund: für diese gibt es viele fertige Bibliotheken, Routinen, die bestimmte Aufgaben abarbeiten. Und die Python-Community ist sehr aktiv im Internet, man hilft sich gegenseitig und stellt Lösungen meist kostenfrei parat.
Künstliche Intelligenz, abgekürzt: KI, ist seit einigen Jahren das große Ding
Nam klickt unterm von ihm gezeichneten Bild einen Button „Bild zu Musik“. Es dauerte eine Weile, dann ertönt aus dem Lautsprecher des Laptops eine ganze Folge blecherner Piano-Klänge. Als Lied kann man das nicht bezeichnen, mit etwas Wohlwollen immerhin als Melodie, erzeugt von einem System zum maschinellen Lernen. „Wissen“ wird dabei aus „Erfahrung“ erzeugt.
Die Jury bei mb21 war beeindruckt: „Auf der digitalen Leinwand entstehen trotz größtmöglicher künstlerischer Ambitionen dilettantische Krakeleien, die prompt von einem neuronalen Netz in atmosphärische Klavierklänge mit fein dosierten Dissonanzen übersetzt werden. Was bleibt, ist ein poetisches Duett von Mensch und Code.“ Zum maschinellen Lernen, einem Ansatz, künstliche Intelligenz zu erzeugen fand Nam während einer Facharbeit für die Schule. „Das hat mich interessiert.“ Künstliche Intelligenz, abgekürzt: KI, ist ohnehin seit einigen Jahren das große Ding. Tatsächlich sind die Fortschritte erstaunlich, etwa bei der Bilderkennung.
Was der KI fehlt, ist „Weltwissen“
Bei der Gesichtserkennung etwa ist die im Prinzip jedem Menschen überlegen. Doch ebenso irritierend sind deren Fehler, die keinem Menschen unterlaufen würden. Etwa wenn ein mit Stickern bepflastertes Stoppschild als geöffneter Kühlschrank mit Inhalt identifiziert wird. Im Ernstfall, Stichwort: autonomes Fahren, könnte so etwas tödlich enden. Was der KI fehlt, ist „Weltwissen“, also die für Menschen ganz selbstverständliche Erkenntnis, dass es nahezu ausgeschlossen ist, je einen auf der Straße einen an einer Stange befestigten und geöffneten Kühlschrank zu erblicken.
Nam weiß das. Ob es noch in diesem Jahrhundert eine starke KI geben wird, die wie ein Kind einmal gezeigt bekommt, was eine Katze ist und fortan jede Katze als Katze identifizieren wird, hält er für ungewiss. Sein Programm erkennt auch nicht, was es als Ausgangsmaterial vorgesetzt bekommt - das Haus, der Baum, all das ist bedeutungslos. Es analysiert Farben und Helligkeiten, generiert daraus kleine Musikstücke und lernt nach selbstständig anhand von Vergleichen mit vorhanden Klavierwerken, was klingt und was nicht.
Drei, vier Wochen hat Nam für die Realisierung seines Programms benötigt
Drei, vier Wochen hat Nam für die Realisierung seines Programms benötigt. Ginge noch mehr. Vielleicht, sagt Nam, werde er das Programm um eine Gefühlserkennung erweitern – trauriges Bild gleich traurige Musik, fröhliche Bild gleich fröhliche Musik. Das Problem dürfte sein: Wie definiert man „trauriges Bild“? Und was genau ist traurige Musik?
Nam sieht Daten als Rohstoff, weiß aber um die Risiken dieser Betrachtungsweise. „Verantwortung und Ethik“, sagt er mit Blick auf Privatsphäre oder autonome Waffen, „werden in der Informatik immer wichtiger.“ Bleibt eine Frage: Kann Nam von seinem Informatiklehrer noch lernen? „Beim maschinellen Lernen nicht. Aber bei Hardware, Netzwerken, Datenbanken - Informatik ist ein sehr breites Gebiet.“ (mz)
Der Deutsche Multimediapreis mb21 ist eine seit 1998 ausgelobter Wettbewerb für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Bewusst weit gefasst ist dabei, was unter Multimedia zu verstehen ist – nur digital muss es sein.
Ausgezeichnet wurden in der Vergangenheit zum Beispiel Trickfilme, Computerspiele, Songs, Radioproduktionen. Die Bekanntgabe der Preisträger erfolgt jedes Jahr im November in Dresden während eines Multimedia-Festivals.