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Köthenerin soll Baby getötet haben Köthenerin soll Baby getötet haben: Plädoyers zwischen Freispruch und sechs Jahren Haft

Von Thomas Steinberg 20.02.2018, 06:00
Die Angeklagte mit ihrem Anwalt Siegfried Kneist an einem früheren Verhandlungstag.
Die Angeklagte mit ihrem Anwalt Siegfried Kneist an einem früheren Verhandlungstag. Sebastian

Köthen/Dessau - Freispruch oder sechs Jahre Freiheitsstrafe – die Forderungen von Verteidigung und Staatsanwaltschaft hätten nicht weiter auseinander liegen können. Beide Seiten machten am Montag ihre Vorstellungen im Fall einer Köthenerin klar, die angeklagt ist, ihr neugeborenes Kind getötet zu haben. Am Mittwoch wird das Urteil gesprochen.

Bevor die Plädoyers gesprochen wurden, kam am Montag der Gerichtspsychiater Bernd Langer zu Wort. Mehrfach hatte er Caroline H. untersuchen können und befand die heute 30-Jährige für voll schuldfähig. Dennoch wolle er dem Gericht empfehlen, die besonderen Umstände der Tat zu berücksichtigten.

Langer ist überzeugt, C. habe von ihrer Schwangerschaft gewusst und diese konsequent verdrängt. „Das Leugnen gehört zu ihrer Persönlichkeit“, so der Psychiater, und sei eigentlich eine Kindern eigene Strategie der Problembewältigung, die wegen ihrer Ineffizienz im Schulalter aufgegeben werde.

Persönlichkeitsstörung mit narzistischen, schizoiden und selbstunsicheren Momenten

C. indes, bei der eine Intelligenzminderung vorliegt, habe diese Strategie bis heute beibehalten. Auf ihrem späteren Lebensweg sieht der Gutachter weitere bei ihr nicht vollzogene Entwicklungsschritte. Sie habe sich von ihren Eltern nicht etabliert, nie einen Beruf erlernt, keine wirtschaftliche Selbständigkeit erreicht.

„Bis heute wird sie von ihren Eltern genährt und gekleidet.“ Für Langer lebt C. das „Modell einer erlernten Hilfslosigkeit“, wozu gehört, die Eltern auszunutzen. Aber ebenso ihren 30 Jahre älteren Partner und Vater des in ein Toilettenbecken hineingeborenen Kindes. Der Deal: Versorgung gegen Sexualität, ohne die geringste Verantwortung füreinander zu übernehmen.

C.s Persönlichkeitsstörung weise narzistische, schizoide und selbstunsichere Momente auf, so Langer weiter, „eine ganz ungewöhnliche Kombination“.

Die Angeklagte hat ihre Schwangerschaft stets geleugnet

Weil C. die unerwünschte und überraschende Schwangerschaft verdrängt hatte, konnte sie in dieser keine Bindung zu dem Kind aufbauen. Das Umfeld - die Eltern, der Partner - hätten dabei das passende Umfeld für die Verleugnung geschaffen und sich trotz offenkundiger Schwangerschaftsanzeichen mit dem „Nein“ begnügt.

Staatsanwalt Frank Pieper räumte als Staatsanwalt ein, es sei schwierig, eine gerechte Strafe zu finden, plädierte dennoch auf Totschlag und sechs Jahre. Ausdrücklich schlug er damit eine vom Gericht vorgebrachte andere juristische Sichtweise aus.

Das tat wenig später ebenso Verteidiger Siegfried Kneist, der den Freispruch seiner Mandantin forderte. Die sei davon ausgegangen, dass Kind sei tot, weil es keinen Laut von sich gegeben und sich nicht bewegt habe. Das sei zwar falsch gewesen, aber man müsse zugunsten von C. annehmen, der Junge habe nur kurze Zeit gelebt und sei längst tot gewesen, als C. die Spülung betätigt habe.

Für das Gericht stellt der Fall nicht nur emotional eine Herausforderung dar, sondern ebenso juristisch

Tatsächlich lassen die insgesamt drei Gutachten zum Tode des Kindes eine solche Interpretation möglich erscheinen - aber eben auch eine etwas andere.

Für das Gericht stellt der Fall nicht nur emotional eine Herausforderung dar, sondern ebenso juristisch. Da vor einigen Jahren ein auf solche Ausnahmetaten gerichteter Paragraph ersatzlos gestrichen wurde, muss sich die Rechtsprechung mit dem üblichen Instrumentarium begnügen.

Die Folge: Vermutlich dürfte es kaum eine andere Straftat geben, bei der die Urteile soweit auseinander klaffen wie bei der Tötung eines Neugeborenen. (mz)