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Kolbe erfährt überfällige Würdigung

26.11.2009, 19:10

DESSAU/MZ/SB. - "Das war längst überfällig."

Anlässlich des 250. Geburtstages Kolbes wird am Sonnabend, 18 Uhr, im Festsaal des Schlosses Georgium eine große Jubiläumsausstellung eröffnet, die bis 31. Januar 2010 in der Orangerie zu sehen sein wird und schon jetzt als eine kleine Sensation gilt. "Wir können mit vielen Werken aufwarten", kündigt Michels an, "die bislang noch gar nicht bekannt sind." 145 sind insgesamt zu sehen.

Der 1759 geborene Carl Wilhelm Kolbe ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der deutschen Kunst um 1800 - und doch bislang noch relativ unbekannt. "Es gab eine Dissertation aus den frühen 70er Jahren und noch eine Magisterarbeit", sagt Michels. Doch es brauchte das jetzige Jubiläum für intensivere Forschungen.

Der einst am Philanthropinum in Dessau tätige Künstler wurde zunächst durch die Idyllen des Schweizer Maler-Poeten Salomon Gessner bekannt, dessen Gouachen er kongenial in Radierungen umgesetzt hat. "Doch Kolbe ging mit seinem eigenen künstlerischen Schaffen weit über die ausgetretenen Pfade der arkadischen Idylle des 18. Jahrhunderts hinaus", sagt Michels. Neben seinen Baumdarstellungen aus der Auenlandschaft des Dessau-Wörlitzer Gartenreiches, die ihm den Spitznamen "Eichen-Kolbe" einbrachte, habe der Künstler durch die Darstellung einer sich verselbstständigenden Natur überrascht. "Den ewigen Zyklus des Werdens und Vergehens der Natur schildert Kolbe ebenso mit erotischen wie skurril-bedrohlichen Fantasien", analysiert Michels. Kolbes zukunftsweisendes Programm habe darin bestanden, die Wirkkräfte der Natur durch Überwindung der realen Maßstäbe ausdrucksstärker zu erfassen, um so das ursprüngliche und uneingeschränkt Schöne von Fauna und Flora aufzudecken. "Durch seine nahezu surrealen Szenerien hat er eine in Richtung der Moderne weisende Initialzündung für die Überwindung der klassischen Landschaftsauffassung geleistet."

Der Ausstellung gingen Forschungen voraus, die Gelder des Ernst-von-Siemens-Kunstfonds (43 000 Euro), des Landes (17 000 Euro) und der Stadt (17 000 Euro) ermöglicht haben und die zu manchen Überraschungen führten. Im Geheimen Staatsarchiv Berlin und im Zentralarchiv der Museen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurden 300 bislang unbekannte Manuskripte entdeckt, die Einblicke in Kolbes Denken gaben und ihn als ausgesprochen politisch und patriotisch motivierten Menschen erscheinen lassen. "Wir wissen beispielsweise endlich, wie Kolbe zum Fürsten stand", sagt Michels. "Nämlich sehr kritisch."

Die neue Erkenntnisse lassen neue Rückschlüsse zu, die Aufnahme fanden in einen 320 Seiten starken Katalog, für den 16 namhafte Autoren Gastbeiträge geschrieben haben. "Kolbes Landschaften sind alles andere als bloße Heimatkunst oder klassische Attitüde der Goethezeit, Kolbe ist alles andere als ein besserer Heimatmaler", lobt Michels Kolbe als "einen ausgesprochen moderner Künstler, der weit über seine eigene Epoche hinausgewiesen hat." Dafür spricht, dass die Dessauer Ausstellung im Anschluss noch im Schloss Neuhaus Paderborn und im Kunsthaus Zürich zu sehen ist.