Kita-Streik in Dessau-Roßlau Kita-Streik in Dessau-Roßlau: Streik geht in die vierte Woche

Dessau-Rosslau - Kurz vor 11Uhr hatten die 148 Erzieherinnen im Streiklokal entschieden: In Dessau-Roßlaus wird weiter gestreikt: Betroffen sind die Einrichtungen des städtischen Eigenbetriebes Dekita. Angekündigt ist dieser Arbeitskampf vorerst bis kommenden Freitag. Mit einer Einschränkung. Die Erzieherinnen wollen jede Entwicklung in den Tarifverhandlungen bewerten und täglich neu entscheiden, ob der Streik fortgesetzt wird, erklärt Verdi-Sprecher Uwe Henschke. Der am Donnerstag in Frankfurt/Main unterbreitete Vorschlag sei der vom April, begründete der Gewerkschafter das Festhalten am Ausstand in der vierten Woche.
Dafür hat Christoph Meiling kein Verständnis mehr. Zwar ist der Vater eines sechsjährigen Sohnes froh, in der kommenden Woche endlich einen Notfallbetreuungsplatz zu haben, nachdem jetzt drei Wochen lang vor allem die Großeltern gefragt waren. Dennoch ist für Meiling, der sich in der Stadteltern-vertretung und für diese im Jugendhilfeausschuss engagiert, der Bogen überspannt. In der ersten Woche hätten die Eltern noch Verständnis gehabt. „Wir wollen ja auch einen besseren Betreuungsschlüssel“, betont Meiling, „dafür haben wir uns schon vor der Einführung des Kinderbetreuungsgesetzes stark gemacht. Da hat keine Gewerkschaft mit gekämpft.“ Doch in der zweiten Woche habe es gebröckelt. Jetzt in der dritten Woche „haben wir Eltern kein Verständnis mehr. Und in der vierten Woche sind wir richtig sauer!“
Forderungen verständlich
„Der Streik ist die einzige Möglichkeit, auf unsere Situation aufmerksam zu machen“, setzt Silvia Fiedler dagegen. Sie hat 1983 ihr Erzieherinnenstudium begonnen und danach ununterbrochen in verschiedenen Einrichtungen in Dessau-Roßlau gearbeitet. Derzeit ist sie in der Kinderkrippe „Bussi-Bär“. „Wir wollen, dass der Beruf der Erzieherin durch eine vernünftige Bezahlung anerkannt wird.“ Dann würden auch die freien Stellen besetzt werden können, dann würde der Beruf lukrativer werden, sagt die Personalratsvorsitzende.
Heftige Kritik, dass der Dekita-Eigenbetrieb den Kindertag am Montag im Stadtpark abgesagt hat, gab es bei der Kundgebung der Erzieherinnen am Donnerstagnachmittag an der Friedensglocke (die MZ berichtete am Freitag). Eltern äußersten ihr Unverständnis, denn das Fest hätte ihrer Meinung nach auch trotz des Streiks stattfinden können. Eltern hätten, sagte eine Mutter, auch gern bei der Organisation unter die Arme gegriffen. Gefragt wurde auch, warum man die Erzieherinnen, die sich im Streik befinden, nicht gefragt hatte, ob sie sich am Kindertag im Stadtpark einbringen würden.
Zwar konnte Doreen Rach, Leiterin des Dekita-Eigenbetriebes, die verärgerten Eltern verstehen, allerdings sagte sie auch: „Es gab keine Möglichkeit der Vorbereitung“, weshalb sie um Verständnis bat. Im September, versicherte sie, solle das Kinderfest im Stadtpark nachgeholt werden.
Im Hauptausschuss wurde der 1. September als Nachholtermin favorisiert. Dort war prinzipiell Verständnis für die Absage geäußert worden, gleichzeitig hätte man sich mehr Kommunikation gewünscht, um zu klären, wie das Kinderfest vielleicht doch hätte durchgeführt werden können.
Kindertag gefeiert wird am Montag auf alle Fälle in Roßlau von 14 bis 18 Uhr auf der Wasserburg. Zudem kündigte die Freiwillige Feuerwehr Dessau-Süd am Freitag ein Ersatzfest an. „Wir feiern trotzdem“, so die Kameraden, die mit dem ESV Lok Dessau Kinder und Eltern von 14.30 bis 18 Uhr auf den ESV-Sportplatz im Dessauer Dietrichshain einladen.
Ebenfalls stattfinden soll am Mittwoch, den 3. Juni, der traditionelle Schulranzencup beim PSV 90 Dessau. Dieser ist für 200 Abc-Schützen der sportliche Höhepunkt zum Ende der Kindergartengartenzeit. Der PSV bittet allerdings die Eltern, die Kinder - soweit möglich - selbst zum PSV in die Heidestraße zu bringen. Los geht es 8.30 Uhr.
Die Forderungen kann Meiling ja verstehen. „Aber wir Eltern sind die Leidtragenden und nicht diejenigen, die das ändern können.“ Deshalb fordere die Stadtelternvertretung die Tarifpartner zu Verhandlungen und die Erzieherinnen zur Rückkehr zu den Kindern in den Einrichtungen auf. Fiedler rät stattdessen den Eltern, die Kommune aufzufordern, ihrem Vertrag zur Betreuung der Kinder nachzukommen, den die Eltern mit der Kommune abgeschlossen haben. „Machen Sie Druck auf unseren Arbeitgeber!“
Notfallplätze nochmals erhöht
Der Städtische Eigenbetrieb hat am Freitag die Zahl der Notfallplätze noch einmal auf 929 und damit rund ein Drittel der eigentlichen Zahl erhöht. Ab Montag kommen die Kindereinrichtung „Sterntaler“ in Waldersee und die Horte Akazienwäldchen und Waldwichtel in Roßlau hinzu. „Bei den Horten haben wir noch ein bisschen Luft“, sagt Dekita-Verwaltungsleiterin Elke Walter. „Bei den Kindergärten haben wir fast 100 Prozent erreicht.“ Dekita führe auch Gespräche mit der Kinderfreizeitoase, mit Tagesmüttern und freien Trägern, um die Situation zu entspannen.
Wegen der gestiegenen Nachfrage ist ab 1. Juni eine „Unentbehrlichkeitsbescheinigung“ des Arbeitgebers vorzulegen, um Anspruch auf einen Notfallplatz zu haben. Wenn durch das Fehlen der Eltern Menschen in Gefahr oder die Familien in existenzielle Not oder das Unternehmen in existenzielle Bedrängnis geraten können, kann der Arbeitgeber diese ausstellen. Das führt zu Diskussionen.
Wer bei den Stadtwerken - und damit einem größeren Unternehmen arbeitet - hat da schlechte Karten. Da diese Kriterien „für ein Beschäftigungsverhältnis mit den Stadtwerken Dessau derzeit nicht erkennbar sind“, so Pressesprecher Christian Mattke, werde hier lediglich eine Bescheinigung über das bestehende Arbeitsverhältnis ausgestellt. Ob das reicht, ist offen. Die Alternative sei, so die Stadtwerke, die sich im Audit „Beruf und Familie“ die familien- und lebensphasenbewusste Personalpolitik zum Ziel gesetzt hat, die Nutzung des Zeitkontos oder unbezahlter Urlaub. (mz)
Verbesserte Rahmenbedingungen und eine auskömmliche Finanzierung der Kinderbetreuung, das sind Forderungen, die auch die Stadtelternvertretung mitträgt und für die sie sich seit der Novellierung des Kinderförderungsgesetzes einsetzt. Dennoch erklärt der Vorstand, dass die Elternvertreter für einen Tarifstreit nicht zur Verfügung stehen und ein Ende des Streiks der Erzieherinnen fordern.
„Die Kinder wollen ihre Erzieherinnen wiederhaben“, betonen die Elternvertreter. „Besonders die Kinder und Eltern leiden zunehmend unter einem Tarifkonflikt, den sie weder zu verantworten haben, noch beeinflussen können“, erklärt der Vorsitzende Hendrik Fuchs.
Die Elternvertretung Dessau-Roßlau sieht hier das Land in der Pflicht, die Unterfinanzierung der Kommunen unverzüglich zu ändern, um Handlungsspielraum für die Tarifverhandlungen zu schaffen, insbesondere die notwendigen Verbesserungen der Rahmenbedingungen in der Kinderbetreuung zu ermöglichen.
Mit Blick auf eine mögliche weitere Verlängerung des Streiks, der dann in Dessau-Roßlau in die vierte Woche gehen würde, fordert die Stadtelternvertretung die Konfliktparteien auf, zügig zu einer Einigung zu kommen und die Erzieherinnen, in die Kitas zurückzukehren, damit wieder Normalität einziehen könne. Eine weitere Verlängerung bringe nur Nachteile, die dann die Kinder und die Eltern zu schultern hätten. (cus)
