1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Kinder statt Bier: Wird der Männertag in Dessau-Roßlau immer mehr zum Familientag?

Christi Himmelfahrt Kinder statt Bier: Wird der Männertag in Dessau-Roßlau immer mehr zum Familientag?

Der Vatertag entwickelt sich im Grünen Baum von Kochstedt immer mehr zum Familientag. Im Bollerwagen sitzen Kinder, früher stand da Bier. Gefeiert wird trotzdem.

Von Thomas Steinberg Aktualisiert: 27.05.2022, 13:47
 Diese fünf Freunde sind die einzigen, die in zweieinhalb Stunden mit geschmückten Rädern im „Grünen Baum“ Station machen.
Diese fünf Freunde sind die einzigen, die in zweieinhalb Stunden mit geschmückten Rädern im „Grünen Baum“ Station machen. (Foto: Thomas Steinberg)

Dessau/Kochstedt/MZ - Gegen Mittag rollt der erste Bollerwagen durch die kurze Lindenallee auf dem Hof hinterm „Grünen Baum“. Darin sitzt quietschvergnügt ein Kind und bestätigt einmal mehr: Der „Männertag“, einst als archaisches Ritual mit sehr, sehr viel Alkohol an Christi Himmelfahrt gefeiert, ist nahezu tot. Früher, also vor 30, 40 Jahren, vielleicht auch noch vor 20, hätten nämlich in dem Bollerwagen Bierflaschen gelegen.

Andreas Schmidt ist Wirt vom „Grünen Baum“ im Kochstedt. Seit acht Uhr arbeitet seine Mannschaft: In der Küche werden Fischbrötchen belegt und der Wildschweinbraten vorbereitet, draußen die Zapfanlage in Betrieb genommen. 1991, erinnert sich Schmidt, habe er zum Männertag 20 Fässer Bier verkauft. „Jetzt sind es drei oder vier.“ Vorbei die Zeiten, in denen sich, wie DJ Torsten sagt, am Nachmittag sternhagelvolle Männer „mit dem Fahrrad zugedeckt“ haben.

„Daddies on Tour“. Das T-Shirt ist eher nostalgischer Natur, Männertag ist heute Familientag.
„Daddies on Tour“. Das T-Shirt ist eher nostalgischer Natur, Männertag ist heute Familientag.
(Foto: Thomas Steinberg)

Volltrunken auf dem Rad kann den Führerschein kosten

Männertag ist längst zum Familientag geworden. Drei Männer tragen T-Shirts mit trinkenden und Bollerwagen ziehenden Kerlen auf der Brust, aber das ist bloße Nostalgie. Sie haben ihre Frauen dabei. Und die Bierpreise bremsen den Konsum ebenso wie die Ankündigung der Polizei, an diesem Tag verstärkt Streife zu fahren. Volltrunken auf dem Rad kann den Führerschein kosten. „Zu DDR-Zeiten hat das niemanden interessiert“, sagt Wirt Schmidt. Man könnte hinzufügen: Die wenigsten hatten ein Auto, die Fahrerlaubnis war weniger essenziell im Alltag.

Trotzdem. Jürgen - den Nachnamen will er nicht preisgeben - klingt etwas wehmütig, wenn er an „früher“ denkt. Morgens um sechs habe man sich getroffen, die Räder geschmückt, dann sei es auf Tour über Gräfenhainichen, Möhlau und Sollnitz zurück nach Dessau gegangen, in den Stadtpark. Andererseits, befindet sein Nachbar Jens, sei es heute viel besser als einst, als sich manche nur „die Birne zugeschüttet haben“. Für ihn war Schluss, als ein volltrunkener einen Freund vom Rad gestoßen und der ein Auge verloren habe.

Die ersten Gäste haben Durst. Deshalb ran an den Zapfhahn. Längst muss der Wirt nicht mehr so häufig die Bierfässer anschließen.
Die ersten Gäste haben Durst. Deshalb ran an den Zapfhahn. Längst muss der Wirt nicht mehr so häufig die Bierfässer anschließen.
(Foto: Thomas Steinberg)

Heute kann man stundenlang in der Stadt unterwegs sein, ohne Männergruppen auf geschmückten Rädern zu begegnen

Heute kann man stundenlang in der Stadt unterwegs sein, ohne Männergruppen auf geschmückten Rädern zu begegnen. Fast schon eine Ausnahme: Fünf Freunde aus Dessau-Alten, die Luftballons an ihre Fahrräder gebunden und Krepppapier zwischen die Speichen geflochten haben. Gegen 10 rollen sie in den Biergarten vom „Grünen Baum“.

Sie sind jedes Jahr unterwegs, tragen dann eigentlich Schlafanzüge, aber dieses Mal nicht. Sie holen sich jeder ein Bier, dann geht es weiter. Die Route steht fest: Kohlrabi-Kneipe, der Döner-Laden in Alten, dann das Landhaus an der Mulde und weiter zum Leiner Berg.