Karbonwickler aus Dessau Karbonwickler aus Dessau: "Unsere Kunden konnten nicht warten"

Dessau - Die Halle ist riesig. Fast verloren kommt sich der Besucher vor, bevor er von Ulrike Olm und Frank Lüdicke in den Bereich geführt wird, der es in sich hat: Karbonfaserhülsen für Elektrorotoren entstehen in Manufakturfertigung bei der Deroba GbR. Die Abkürzung Deroba steht für Dessauer Rotorfertigung und Bandagiertechnologien.
Erst die Kündigung, dann die Selbstständigkeit
Noch vor ein paar Monaten, erzählen die beiden Geschäftsführer, waren die Hallen Zum Gänsewall 8 voller Maschinen, Büro- und Prüfcontainer. 25 Mitarbeiter gab es hier in der Spitze, zum Schluss noch 15.
Ansässig war hier einst die Tii Energy GmbH & Co. KG, welche sich aus der Rosseta Technik GmbH, die zum Beispiel in der Grundlagenforschung von Schwungrädern arbeitete und 2006 mit der Prototypenfertigung eines Schwungradspeichersystems begann.
„Doch Ende Februar erhielten wir die Kündigungen“, erinnert sich Ulrike Olm. Und mit der Kündigung kam das Angebot, sich mit dem Faser-Verbund-Bereich selbstständig zu machen.
Als Studentin kennen gelernt
Doch für die Entscheidung blieben nur zwei, drei Tage. Aber den Bereich kennt Olm aus dem Effeff, denn als Studentin kam sie zu Rosetta. Die Ingenieurin für Verfahrenstechnik, die an der Hochschule in Köthen studierte, hatte ihr Diplom bei Rosetta gemacht, ist seit 13 Jahren hier tätig.
Doch eine eigene Firma gründen? „Um das zu stemmen“, sagt sie, „braucht man normalerweise mindestens ein halbes Jahr. Viele haben den Kopf geschüttelt, als sie vom Plan hörten.“
Doch mit ihrem Kollegen Frank Lüdicke ist sie ins kalte Wasser gesprungen.
„Innerhalb von sechs Wochen haben wir die Firmengründung ohne Fremdfinanzierung durchgeboxt und nebenbei noch die alte Firma mit abgewickelt“, erzählt Olm. Unterstützung bekamen sie dabei von Bärbel Penno vom Integra-Institut, die Existenzgründer begleitet.
„Unsere Kunden konnten nicht warten“
Dass alles so schnell gehen musste, hatte einen einfachen Grund: „Unsere Kunden konnten nicht warten“, sagen Olm und Lüdicke. Denn eines war für die 36-jährige Dessauerin und ihren 20 Jahre älteren Geschäftspartner Voraussetzung: „Dass unsere Kunden hinter uns stehen.“ Also haben sie mit ihnen telefoniert, sie besucht, über die neue Situation gesprochen.
Im März waren sie auch auf einem Maschinenbaukolloquium, um Kontakte zu pflegen beziehungsweise neue herzustellen. „Wir waren ja schon bei Rosseta für die Kunden Ansprechpartner“, erklärt Lüdicke. Große Kunden sind darunter, auch viele kleinere. Sie kommen aus den Bereichen der Luftfahrt- und Klimatechnik, Werkzeug- und Maschinenbau oder auch dem Kali-Bergbau.
„Zur Not“, freut Olm das Vertrauen, „hätten uns unsere Kunden auch finanziell unterstützt.“
Das ist keine Stangenware
Denn das, was in Dessau gefertigt wird, ist keine Stangenware, sondern sind spezielle Produkte, die deutschlandweit nicht einmal von einer Hand voll Firmen gefertigt werden.
„Es ist nicht unser Antrieb, hohe Stückzahlen herzustellen, sondern wir wollen spezielle Sachen machen“, so Lüdicke und Olm. Aus Karbonfasern, die wesentlich dünner sind als ein Haar, werden Faserhülsen hergestellt - auf einer Wickelform in der Wickelei aufgewickelt, durch ein Hartbad gezogen, im Ofen „gebacken“ und schließlich gemessen.
Die Hüllen, die in Hochleistungsrotoren verbaut werden, sind wesentlich leichter und stabiler als Stahl, erklärt Lüdicke, sie laden sich nicht magnetisch auf und haben eine relativ hohe Beanspruchungsdauer. In der Regel sind die Hülsen innerhalb von 24 Stunden fertig.
„Uns fehlt eine Dreherei“
Zu 90 Prozent werden Rohlinge von Deroba ausgeliefert und von den Kunden bearbeitet. Aber auch Fertigprodukte werden in Dessau hergestellt oder auch gleich die komplette Rotorfertigung vorgenommen.
Einziges Manko dabei: „Uns fehlt eine Dreherei“, sagt Lüdicke. Doch habe Deroba vorerst im WTZ für Motoren- und Maschinenforschung Roßlau, der Werkzeugbau und Maschinenhandelsgesellschaft (WHM) Dessau und der Firma Enke Zerbst Partner gefunden. „Solch ein Produkt in Endfertigung herzustellen, ist gar nicht so einfach“, lässt er anklingen.
Zweite Anlage soll in Betrieb gehen
In der Wickelei wollen Olm und Lüdicke auch eine zweite Anlage in Betrieb nehmen, „damit wir unsere Produktpalette erweitern und auch Neukunden gewinnen können“. Doch erst einmal, betonen beide, „fangen wir klein an“. Perspektivisch können sie sich vorstellen, dass sie auch Mitarbeiter einstellen und dass die große Hallenfläche wieder mehr genutzt wird. Aber das ist Zukunftsmusik. (mz)