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Jugend im Visier der Stasi

Von CLAUS BLUMSTENGEL 10.10.2008, 17:56

DESSAU/MZ. - Auf Schautafeln in der ersten Etage wird veranschaulicht, wie das Ministerium für Staatssicherheit der DDR Kinder und Jugendliche zur Bespitzelung ihrer Freunde und Eltern missbraucht hat.

"Heute wird oft nostalgisch vom Schulwesen in der DDR geschwärmt. Wir zeigen hier die andere Seite. Die Besucher der Ausstellung sehen, was passiert ist, wenn jemand den Wehrkunde-Unterricht verweigerte, nicht zu den Pionieren oder in die FDJ ging", erläuterte Ruden und betonte, dass die SED Auftraggeberin des Unterdrückungsapparates Stasi gewesen sei.

Für die Dessau-Roßlauer Ausstellung habe man eine besondere Tafel hinzugefügt. Auf ihr sind die Adressen von 31 konspirativen Wohnungen in der Stadt verzeichnet, die Informelle Mitarbeiter der Staatssicherheit für geheime Treffen zur Verfügung stellten. Die meisten befanden sich im Zentrum, einige auch in Kochstedt, Törten und Haideburg. Die Veröffentlichung dieser Adressen löse jedes Mal einen großen Wirbel aus, sagte Ruden. "Aber das ist auch Geschichte", verteidigte er diese Information.

Die Ausstellung sei auch als Anregung für Betroffene gedacht, einen Antrag auf Einsicht in ihre Stasi-Akte zu stellen oder die Rehabilitation für in der DDR erlittenes Unrecht zu beantragen. Hierfür werde am Dienstag, 14. Oktober, im Dessauer Rathaus ein Beratungstag veranstaltet, informierte Ruden. Nach wie vor sei die Resonanz groß, vor allem nach der Verabschiedung des Gesetzes über die Opferrente im vorigen Jahr. 225 Ratsuchende hätten 2007 den Beratungstag in Dessau in Anspruch genommen, informierte Ruden.

"Es ist wichtig, dass der Staat die Unschuld der Verfolgten anerkennt und ihre Würde wieder herstellt", sagte bei der Eröffnung Oberbürgermeister Klemens Koschig. Die Stasi-Akten dienten auch dazu, Klarheit über Ereignisse zu bekommen und Beschuldigte zu entlasten. So hätte die Forschungsarbeit eines Studenten ergeben, dass am 17. Juni 1953 ein Polizist aus dem Gebäude der Roßlauer SED-Kreisleitung auf dem Markt auf Demonstranten geschossen hat und nicht ein lange Jahre von Zeitzeugen beschuldigter damaliger SED-Funktionär, berichtete Koschig.

Dass die Forschung auf diesem Gebiet längst nicht abgeschlossen ist, zeigte Ausstellungsbesucher Werner Gülzow. Er hatte Fotos von einem Umzug von Schülern der Erweiterten Oberschule "Rosa Luxemburg" am 11. November 1962 auf der Museumskreuzung mitgebracht. Die Bilder seien vor kurzem bei der Vorbereitung der Feier zum 45-jährigen Abitur aufgetaucht, berichtete Gülzow. Die Staatsmacht habe damals die als Spaß gedachte Aktion als antisozialistische Demonstration ausgelegt. Der Rektor der EOS sei entlassen, mehrere Schüler - darunter Gülzow selbst - von der Schule verwiesen worden.

Auch zu diesem Vorgang finde sich sicher etwas in den Stasi-Akten, ermunterte Gerhard Ruden den Besucher, einen Antrag auf Akteneinsicht zu stellen. Die damaligen Opfer der Repression könnten auch heute noch rehabilitiert werden, so Ruden.