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Joachim Lucchesi lockt in die Netzestadt Mahagonny

Von Thomas Altmann 06.03.2006, 18:55

Dessau/MZ. - "Aber hier gibt es Spaß? - Gedanken über die Oper Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" servierte Joachim Lucchesi am Sonnabend vor dem Festakt und der Aufführung der epischen Oper im Anhaltischen Theater zum Festivalcafé im Hotel Fürst Leopold. Da drängt die Zeit. Doch was der Musikwissenschaftler in 45 Minuten darbietet, ist imposant: Entstehungsgeschichte, Textkritik, Quellen, Inhalt und Ausblick, neben Brechts Verhältnis zur Oper, das durch die Augsburger Aufführungen, für die Brecht Kritiken schrieb, geprägt gewesen sei.

Das Libretto der Oper geht zurück auf das im Juli 1927 in Baden-Baden uraufgeführte Songspiel "Mahagonny", die erste Zusammenarbeit von Brecht und Weill. Schon im Dezember lag das nahezu endgültige Libretto dem Direktor der Universal Edition Emil Hertzka vor. Dieser habe, so Lucchesi, in der Hoffnung, Weill könne auf Brecht einwirken und somit in Verkennung der Tatsache, dass beide gemeinsam am Text gearbeitet hätten, eine "Dosis positiver Eigenschaften" gefordert. Weill schrieb an den Verleger, dass es endlich ein Libretto gebe, welches "vollkommen auf die Musik, ja sogar meine Musik angewiesen ist". Und Lucchesi lobt das sprachliche Gefühl und die dramaturgische Sicherheit Weills. Der Auftrag von Ernst Josef Aufricht, "Die Dreigroschenoper", unterbrach die Arbeit. Erst 1930 kam es mit der Leipziger Uraufführung zu einem nachhaltigen Theaterskandal. In der zweiten gedruckten Fassung der Oper wurden die amerikanischen Namen bereits zurückgedrängt, um die Distanz zu nehmen.

Lucchesi, der 2004 die Herausgabe des Erstdrucks der "Dreigroschenoper" aus dem Jahr 1928 - "nah am Arbeitsprozess" - besorgte, mahnt auch für die Mahagonny-Oper eine textkritische Ausgabe an. Das sei kein Philologenkram, wie die zitierten, deutlich verschiedenen letzten Worte vor der Hinrichtung beweisen.

Der Name der Stadt wird auch thematisiert und auf das biblische Land Magog verwiesen. Dann will Lucchesi noch ein Bonbon präsentieren, eine Mahagonny-Hall in New Orleans. Dieses Bonbon verschluckt er aber sogleich, weil Brecht davon zu dieser Zeit keine Kenntnis gehabt haben könne. So bleibt es bei der Entdeckung von Andreas Hauff. "Komm nach Mahagonne" heißt ein afrikanischer Shimmy aus dem Jahr 1922. Da gibt es Parallelen: Steuerfreiheit, freie Liebe und eine "Zi-zi-zi-zi-ziehharmonika". Über Josef Ackermann darf auch gelacht werden. Denn drüben im Theater wird später ausgerechnet Paul Ackermann zum Tode verurteilt, weil er kein Geld mehr hat, was als Verbrechen galt oder gilt. Und weil, so Lucchesi, "der Mensch dem Menschen das Garaus macht", kann der Taifun getrost die Stadt umgehen.