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Jazzbühne Bernburg Jazzbühne Bernburg: Louisiana Red bluest in Bemmbürch

Von Raimund Leonhardt 06.11.2003, 15:05

Bernburg/MZ. - Gut zu Fuß ist er nicht, der Louisiana Red aus dem Süden der Vereinigten Staaten. Auf der Jazzbühne im Metropol ist das nicht zu merken. Da sprüht der 71-Jährige Funken wie eine kurzgeschlossene Elektroklampfe in der Hochspannungsdose.

Red, der halb Indianer und halb Schwarzer ist, lag noch im Mai, als er ursprünglich an die Saale verpflichtet war, in Athen im Krankenhaus. "Totaler Zusammenbruch", sagt sein Agent, Reinhard Müller aus Berlin.

"The Giant of Blues", so der zweite Name des schwarzgelockten Mannes, hatte sich auf der Bühne verausgabt. Seit dem hat seine Frau Dora, die aus Ghana in Afrika kommt, ein noch wachsameres Auge auf ihn. "Ist genug", bestimmt sie lächelnd, aber unbeirrt, als Red am Mittwoch Abend in Bernburg nach zwei Zugaben um eine weitere gebeten wird. "Manchmal hat er dann bis zum nächsten Morgen durchgespielt", erzählt Müller und beschreibt erneut den Grund für die angegriffene Gesundheit des Meisters.

Es ist, als ob er jedes Mal sein gesamtes Leben, vom Haupthaar bis zur Fußsohle, in den Blues hineinsteckt, um dann zu spielen, zu singen und zu kichern. Darüber, wie gut das tut, wahrscheinlich. Wie gut er es denen da unten im Saal geben kann. Louisiana Red ist so etwas wie der große alte Häuptling unter den Blues-Barden. Ein Klassiker also. Er spielt Lieder, die alle kennen, vom rolling stone, von der Mama, vom crying baby, den langhaarigen schönen Mädchen, den stolzen Frauen und immer wieder vom langen Weg, weit, weit weg von zu Hause.

Wenn Red den Mund aufmacht, um zu singen oder auch nur zu reden, dann kommt der Amerikaner durch: "Like to see you", sagt er und "Thank you, hier in Bemmbürch", was doch wirklich Bernburg heißen soll. Da kullern ein paar Tränen runter. Der Mann ist einmalig. "Bleib hier Mann!" sollten alle rufen. Aber es geht ja nicht. Red muss noch am Abend nach Hannover. Zurück ins langjährige niedersächsische Zuhause, zu den vielen, vielen Platten - er allein hat 35 Alben aufgenommen - zurück aber auch zum Medizinmann und seinen Medikamenten.

L. R. spielt den Blues ohne Schnörkel und Kante, ohne Phrasen im Repertoire und auch ganz ohne Mundharmonika. Sein einziger Begleiter ist die Gitarre. Mit dem Fuß stampft er sich den Takt dazu. Er tauscht die akustische, verstärkte Gitarre irgendwann in der ersten Halbzeit gegen eine rote elektrische Vollversion aus. Die bescheidene Anlage ist leicht übersteuert. Früher, als er noch mit dem Zug zum Konzert anreiste, brachte er die Verstärkung aus dem Stromregal im Handköfferchen mit. "Thank you Darling" haucht Red liebevoll zwischen zwei Blueszeilen, als Dora ihm unauffällig ein Glas Wasser reicht. Er wischt sich den Schweiß mit drei Fingern von der hohen Stirn und und lässt die Gitarrensaiten am Halsende seiner "Zitter" aufstöhnen, das die Ohren rauschen.

Die elektrische Gitarre klingt freilich kälter als die Akustische mit dem Kabel dran. Im Gegenzug aber gleichzeitig strömt der Blues jetzt fetter und breiter aus dem Boxenfutter. "Wenn ich diese Frau anfasse, krieg ich einen Kick", holt Louisiana die Worte aus dem 120 Meter tiefen Brunnen seines Brustkorbes. Die dunkle Brille rutscht leicht nach links ins Gesicht. Das hell-beige Jackett weht im Sturm des Zwischenapplauses.

"I´m a midnight rambler" ("Ich bin der Mitternachts-Cowboy") drückt Red ins Mikro. Wer es hörte, wird es immer wieder hören. Eine Stimme, wie ein Gottesgeschenk. Tief und voll und schwer und so schön unverfälscht erdig. Louisiana zerrt kräftiger an den Seilen. Der Verstärker muss kurz verarztet werden. Er hört sich schon wie ein "Regent 60" an, als Distelmann noch im Osten blueste.

Von Abschied hat Martin Setz, der Jazz-Verfahrenstechniker aus Bernburg, an diesem Abend nichts gesagt. "Ganz bewusst nicht", wie er später, nach den letzten Klängen aus Louisiana, erklärt. Es solle ja weiter gehen. Mit viel weniger Veranstaltungen. Ohne den Anspruch, eine Reihe in der hiesigen Kulturlandschaft zu bilden. Aber vielleicht mit so viel Publikum wie Abend mit schwarzen roten Mann.