Integration durch Tanz Integration in Dessau: Deutsche und syrische Jugendliche tanzen und singen für das Hier und Jetzt

Dessau - Kurz, prägnant, schnell. Trommelschläge, begleitet von 32 Füßen, die im Takt durch die Luft springen und wieder auf dem Boden landen. Wie 32 weitere Trommelschläge erklingen sie auf dem Bühnenpodest.
Geballte Energie auf die Sekunde genau. Sie sind weder professionelle Tänzer, noch sprechen sie die gleiche Muttersprache. Ihr Ausdruck lässt erahnen, wie viel Leidenschaft, Konzentration und Wille hinter den letzten Monaten liegen.
Eine Energie von Laien, die beeindruckt
Am Freitagabend präsentierte das Young Players Project in der Dessauer Marienkirche sein Debüt mit „Das Fremde so nah“. Es ist ein besonderes Theaterstück. Nicht nur, weil syrische Jugendliche mitwirken. Es ist die Energie von Laien, die beeindruckt.
16 Jugendliche probten in den letzten Monaten unter der künstlerischen Leitung von Almut Fischer, Regisseur Michael Uhl, Choreograf Josef Eder und Musiker Jürgen Grözinger.
Herausgekommen ist ein Stück aus zeitgenössischem Tanz, Theater und Performance. Ein Projekt des Freundeskreises des Dessauer Theaters in Kooperation mit dem Anhaltischen Theater Dessau, gefördert durch das Kultusministerium des Landes Sachsen-Anhalt sowie Lotto Sachsen-Anhalt und der Hans-und-Gretel-Burkhardt Stiftung.
Nicht die Vergangenheit, sondern das Hier und Jetzt
Es ist keine Inszenierung, die den Zeigefinger erhebt, auf das Leid der Flüchtlinge hinweist oder ihre Flucht emotional in den Mittelpunkt stellt, um Mitgefühl zu erzeugen. Es ist eine Inszenierung, die überrascht. „Wir wollten bewusst nicht nur die Flucht der syrischen Jugendlichen auf die Bühne bringen, weil das auch immer etwas Voyeuristisches hat“, sagt Regisseur Michael Uhl.
Es ist eher ein konstruktivistischer Ansatz, den das Stück verfolgt. In diesem Sinn zeigt die Theatergruppe beide Kulturen im Hinblick auf das Hier und Jetzt sowie Morgen.
Passagen von Goethe werden im Poetry Slam-Stil im Kanon versetzt auf Arabisch und Deutsch vorgetragen. Das Gedächtnistrainingsspiel „Ich packe meinen Koffer und nehme mit...“ wird bei „Das Fremde so nah“ in einen neuen Kontext gesetzt.
Die deutschen und syrischen Jugendlichen formulieren Wünsche, spielen sich selbst. In einer Szene stellt sich jeder auf Deutsch vor und erzählt von seinen Träumen. Ob Bauingenieur, Journalist oder Friseur. Zukunftsvisionen haben sie alle.
Tanz und Musik als universelle Sprache
„Musik ist die Basis der Bewegung“, so Jürgen Grözinger, der das Stück als DJ und Schlagzeuger begleitete. Tanz und Musik als universelle Sprache, die das Young Players Project ambitioniert umsetzt.
In den Nachrichten sieht man nicht selten Bilder, die bewegen. In „Das Fremde so nah“ sind es die Bewegungen, die Bilder erzeugen. „Die letzten zehn Tage waren sehr intensiv. Ich bin fasziniert von der Truppe, die unglaublich dabei ist“, so Grözinger.
Musikalisch und auch choreografisch bewegt sich das Stück zwischen Dynamik und Ruhe. Energie und Synergie. Fremde und Nähe.
Freundschaften sind entstanden
Gesamtgesellschaftlich thematisiert das Stück die Fremde in der Nähe. Auch die Jugendlichen selbst kannten sich anfangs nicht, aus der monatelangen Zusammenarbeit sind über die Zeit Freundschaften entstanden.
Tanzen in der Gruppe, das bedeutet zum einen Rhythmik, Bewegung und Körpergefühl und zum anderen das Zusammenspiel mit den anderen Tänzern. „Der Ausdruckstanz war eine ganz neue Erfahrung“, erzählt die 14-jährige Ariane Odendahl.
Auch für Honer Khalil war das Theaterstück etwas Besonderes, wenn auch nicht sein erstes. Vor allem das Tanzen war für ihn neu. „Ich habe am Anfang den Choreografen gefragt: ’Wie sollen wir so tanzen?’
Und er: ’Am Ende wirst du so tanzen können!’ Ich bin stolz, hier mitmachen zu dürfen“, erzählt der 25-Jährige. Zurzeit absolviert Honer Khalil ein vorbereitendes Jahr, um anschließend zu studieren. Bauingenieurwesen. (mz)