In Corona-Zeiten ausgerutscht Insolvenz trotz schwarzer Zahlen - Wie Weulbier Kosmetik aus Dessau sich aus der Krise kämpft
Als Hersteller von Hygieneprodukten sollte die Dessauer Firma zu Gewinnern der Corona-Pandemie zählen. Warum dem nicht so ist.

Dessau - Wer es bislang nicht so hatte mit dem Händewaschen, der hat es in der Pandemie lernen müssen. So wurde Seife während des ersten Lockdowns sogar zum knappen Gut. Dass die Hersteller von Hygieneartikeln trotzdem nicht automatisch zu den Gewinnern der Corona-Krise gehören, zeigt sich am Beispiel der „Weulbier Kosmetikgesellschaft“ mit Sitz in Dessau-Alten. Das Unternehmen ist zuletzt sogar in finanzielle Schieflage geraten.
Weulbier stellt Seifen, Shampoos und Lotionen für die Eigenmarken verschiedener großer Drogerie- und Handelsketten her - darunter Rossmann, Norma, Edeka und Müller. Bis zu 120.000 Flaschen, Spender und Nachfüller schafft die Dessauer Produktionsstätte in normalen Zeiten jeden Tag. Das entspricht 30 bis 40 Tonnen Ware. Das mittelständische Unternehmen mit seinen 50 Mitarbeitern erwirtschaftete 2019 fast zehn Millionen Euro Jahresumsatz.
Weulbier profitierte anfangs von der Corona-Pandemie - „Umsätze wie nie zuvor“
Und anfangs profitierte auch Weulbier vom pandemiebedingten Ansturm auf Hygieneprodukte im Frühjahr 2020. „Deutschland hat Seife gehortet und die Handelsketten haben den Herstellermarkt förmlich leergesaugt“, erinnert sich Geschäftsführer Jörg Weulbier. Ein Großkunde habe so hohe Mengen abgenommen, dass die Kapazitäten im Dessauer Werk völlig ausgelastet gewesen seien. „Im Mai hatten wir Umsätze wie nie zuvor.“ Die monatlichen Ertragssteigerungen hätten bei 30 Prozent gelegen.

Mit der Entspannung der Lage im Sommer vergangenen Jahres brachen die Absatzzahlen jedoch umso stärker ein. Der Markt sei übersättigt gewesen. „Mit dem beginnenden Lockdown im Herbst haben sich die Gewinne der ersten Monate dann noch weiter relativiert“, so Weulbier, der das so erklärt: Mit den Kontaktbeschränkungen und dem verbreiteten Homeoffice sei das Hygienebewusstsein gesunken. „Die Leute haben sich nicht mehr täglich geduscht.“ Aber auch weggefallene Sportaktivitäten und geschlossene Fitnessstudios hätten den Absatz in der Branche spürbar minimiert. Bei Weulbier sei der Umsatz deshalb um 20 Prozent gesunken.
Das allein hätte der Kosmetik-Hersteller wahrscheinlich weitgehend unbeschadet überstanden. Wären nicht noch die Nachwehen des ersten Produktrückrufs in der 31-jährigen Firmengeschichte hinzugekommen. Bei einer Kontrolle einer großen Supermarktkette wurde 2019 in einem Mandelmilch-Shampoo und einem 3in1-Männer-Shampoo des Dessauer Unternehmens eine erhöhte Anzahl Bakterien nachgewiesen.
Weulbier rief 20.000 Flaschen zurück. „Vorsorglich“, wie Jörg Weulbier betont. Denn bis heute sei nicht nachgewiesen worden, dass die Verunreinigung im Werk passierte. Eigene Laboranalysen hätten keine Auffälligkeiten zutage gefördert. „Es ist bis heute nicht bestätigt, dass überhaupt etwas war. Die Hygiene bei uns ist in Ordnung.“

Die Handelskette habe dennoch entschieden, bestehende Verträge aufzukündigen. Weulbier hatte für die Kette aber bereits umfangreich auf Lager produziert und musste die Ware komplett abschreiben - mit Ausfällen über 700.000 Euro. Zwar läuft noch ein Gerichtsverfahren in der Angelegenheit. „Doch das ist wie David gegen Goliath“, fasst Weulbier die Aussichten auf Erfolg zusammen. Selbst das sei noch zu verkraften gewesen, hätte nicht eine kleine Investitionsbank aufgrund des Gewinnausfalls das Unternehmen zum Sanierungsfall erklärt. Der Geschäftsführer kam nirgends mehr an frische Kredite - und das in einer Phase, in der die Firma gerade drei Millionen Euro in eine neue Produktionshalle am Standort investierte.
Die Verkettung der Umstände zwang den Kosmetik-Hersteller im März dieses Jahres in die Insolvenz. „Dabei sind wir ein gesundes Unternehmen. Wir schreiben operativ schwarze Zahlen“, erklärt Weulbier.
Aussichten gut trotz Insolvenz
Das sah offenbar auch das Dessauer Amtsgericht so. Es bestätigte Anfang Juni Weulbiers Antrag auf ein Sanierungsverfahren in Eigenverwaltung. Gewährt wird diese Sonderform der Insolvenz nur, wenn die Chancen auf finanzielle Erholung gut stehen, Steuern und Abgaben weiter abgeführt wurden und Lohnzahlungen nicht bereits überfällig sind. Die Geschäftsführung behält die Verantwortung und führt den Sanierungsprozess selbstständig und ohne Insolvenzverwalter. Im Auftrag des Amtsgerichtes überwacht allerdings ein Sachwalter den Sanierungsweg. Bei Weulbier ist das Rechtsanwalt Joachim M.E. Voigt-Salus.

Mit den Leipziger Rechtsanwälten Rüdiger Bauch und René Schmidt von Schultze & Braun erarbeitet das Unternehmen aktuell einen Insolvenzplan, dem alle Gläubiger (darunter 300 Lieferanten) zustimmen müssen. Jörg Weulbier ist zuversichtlich, dass das gelingt. „Wir wollen unsere Altschulden zu 100 Prozent begleichen, nur etwas später als vereinbart.“ Beruhigt habe die Gläubiger schon mal, dass die offenen Forderungen geringer sind, als der Wert des Lagerbestands. „Mit dem Verkauf der Ware können wir alle bedienen“, sagt Weulbier.
Auch ansonsten seien die Aussichten gut. „Wir haben neue Kunden und zusätzliche Aufträge erhalten.“ Zwar laufe die Produktion noch auf 50 Prozent, voraussichtlich im August werde man allerdings wieder auf die normalen Kapazitäten hochfahren können. Die Mitarbeiter kann Weulbier seit Juni schon wieder selbst bezahlen, davor wurden die Löhne über das Insolvenz-Geld beglichen. Entlassungen werde es zudem nicht geben. „Wir haben eher zusätzlichen Personalbedarf“, so Weulbier, der hofft, das Sanierungsverfahren noch 2021 abzuschließen. „Und dann können wir endlich den Umzug in die neue Produktionshalle angehen.“