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  7. Insolvenz und Fachkräftemangel: Dessau-Roßlaus Wirtschaft in der Krise

Zehn Firmeninsolvenzen bis Oktober Kostendruck und Fachkräftemangel: Dessau-Roßlaus Wirtschaft startet wenig optimistisch ins neue Jahr

Die IHK rechnet 2025 mit einer Zunahme an Firmenpleiten. Die unsichere Lage zeigt auch erste Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt.

Aktualisiert: 08.01.2025, 10:32
Die enorm gestiegenen Energiepreise belasten insbesondere die Industrieunternehmen.
Die enorm gestiegenen Energiepreise belasten insbesondere die Industrieunternehmen. Julian Stratenschulte/dpa

Dessau/MZ. - Die Stimmung in der Dessau-Roßlauer Wirtschaft ist schlecht, denn „den Unternehmen geht es nicht gut", weiß Hendrik Senkbeil, Leiter des Geschäftsfeldes Standortpolitik bei der IHK Halle-Dessau. Er findet klare Worte zur gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation. Die sei im übrigen nicht nur in der Doppelstadt schlecht.

„Insbesondere die Industrieunternehmen leiden unter einem enormen Kostendruck, die extrem hohen Energiepreise haben das Fass zum Überlaufen gebracht", erklärt Senkbeil. Maschinenbau- und Chemieunternehmen sind in Dessau und der Region stark vertreten - und nun besonders betroffen.

Rezession trifft Arbeitsmarkt: Offene Stellen in Dessau-Roßlau bleiben unbesetzt

Zehn Dessau-Roßlauer Unternehmen haben bis Oktober Insolvenzanträge gestellt. „Diese Zahl nimmt zu", sagt Senkbeil, der davon ausgeht, dass es 2025 noch mehr Firmenpleiten geben wird. Das Solarunternehmen Q-Cells hat im Dezember Massenentlassungen angezeigt, weiß Stefanie Schmidt-Pforte, IHK-Geschäftsstellenleiterin in Dessau. Auch Kurzarbeit nehme zu. „Die Rezession hat den Arbeitsmarkt erreicht, die Stimmung ist auch dort nicht mehr gut."

Viele Unternehmen lassen offene Stellen unbesetzt. Und das nicht nur im verarbeitenden Gewerbe. Auch der Bau und das Verkehrsgewerbe kranken. Ebenso Personaldienstleister. „Da die Unternehmen kaum noch einstellen, werden die Leiharbeitskräfte zuerst abgemeldet", erklärt Schmidt-Pforte, wissend, dass auch in Dessau Personalfirmen zu kämpfen haben. „Es hängen viele Branchen dran, denn vieles baut aufeinander auf. Und wenn es an einer Stelle hakt, hakt es zwangsläufig auch an anderer Stelle."

Runder Tisch der Wirtschaft will Fachkräfte halten

Die IHK hat gemeinsam mit der Handwerkskammer, der Agentur für Arbeit und der Wirtschaftsförderung der Stadt einen Runden Tisch der Wirtschaft initiiert, um reagieren zu können, wie Stefanie Schmidt-Pforte sagt. „Wir agieren gemeinsam für die Firmen, um die Arbeitskräfte in der Region zu halten.“ Die Treffen fänden anlassbezogen statt, also immer dann, wenn ein Unternehmen Mitarbeiter abgeben muss. „Wir bringen dieses dann mit Unternehmen zusammen, das Fachkräfte benötigt und aufnimmt.“ Diese Hilfe werde von beiden dankbar angenommen.

Doch nicht nur die aktuelle Situation bereitet Sorge. Auch der Ausblick auf 2025 ist wenig optimistisch. „Wir erwarten kein Wachstum, sondern können glücklich sein, wenn sich die Lage nicht noch weiter verschlechtert“, fasst Schmidt-Pforte zusammen. Es bestehe eine große Unsicherheit. „Alle gehen auf Sparkurs, weil die Langfristperspektive fehlt.“

Was bedeutet, dass die Unternehmen auch nicht investieren. Und wenn, dann nur um instandzuhalten und zu ersetzen. „Erweiterung und Innovation finden nicht statt“, so Schmidt-Pforte. Lediglich elf Prozent der Unternehmen hätten dies als Motiv für Investitionen angegeben.

Bürokratie und steigende Kosten belasten Unternehmen in Dessau-Roßlau

Was muss sich ändern für eine Trendwende in der wirtschaftlichen Entwicklung? „Die Arbeitskosten müssen runter“, sagt Hendrik Senkbeil. Dem stünden aber „ideologische Scheuklappen“ im Weg. „Eine Industriegesellschaft ohne bezahlbaren Strom funktioniert aber nicht.“ Doch nicht nur Energie ist der Kostentreiber. Auch Steuern, Lohnkosten, Bürokratie und nicht zuletzt der Fachkräftemangel erschweren den Unternehmen, auch den lokal agierenden, das Leben.

„Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen sind Risikofaktoren. Wir brauchen einen Befreiungsschlag in der Politik."“ Senkbeil und Schmidt-Pforte sehen hier insbesondere auf Bundesebene vieles im Argen. „Die Politik muss die Wirtschaft wieder verstehen“, findet Stefanie Schmidt-Pforte.

237 Gewerbeabmeldungen in Dessau-Roßlau weist die Statistik bisher für 2024 aus. Das könnten mehr werden. „Aber es wird auch noch viel gegründet“, sagt die IHK-Geschäftsstellenleiterin. Insbesondere Einzelunternehmen. „Oft wird das auch als Alternative zum angestellten Arbeitsplatz gesehen. Die Leute geben also noch nicht auf.“