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Das Analoge wieder lernen In Gebäude 15 am Dessauer Campus erhalten künftige Architekten das Rüstzeug für ihren Beruf

Ein Bildhauer spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Von Danny Gitter 19.12.2021, 14:00
Im Gebäude 15 des Dessauer Campus bringt Carl Constantin Weber seinen Studenten räumliches Denken bei.
Im Gebäude 15 des Dessauer Campus bringt Carl Constantin Weber seinen Studenten räumliches Denken bei. (Foto: Thomas Ruttke)

Dessau/MZ - Wer auf dem Dessauer Campus der Hochschule Anhalt das Gebäude 15 betritt, der taucht auf den ersten Blick in eine Art Kunstmuseum ein. Vitrinen mit Plastiken und architektonischen Modellen zieren das Foyer und die Gänge. An den Wänden hängen Zeichnungen. Doch museal geht es hier kaum zu. Im Gebäude 15 auf dem Dessauer Campus wird Zukunft gestaltet.

Wer Architekt werden will, der muss sich auch in diesem Gebäude beweisen. An diesem Ort bekommen die zukünftigen Architekten die Grundlagen des Gestaltens und räumlichen Denkens beigebracht. „Hier lernen sie sozusagen für ihren zukünftigen Beruf noch einmal Lesen und Schreiben“, formuliert es Carl Constantin Weber. Der diplomierte Bildhauer hat an der Hochschule Anhalt eine Professur für Grundlagen der Gestaltung inne. Durch seine Schule müssen alle, die ihr Architekturstudium erfolgreich absolvieren wollen. Denn räumliches und ästhetisches Empfinden sowie Denken sind das Handwerkszeug für diejenigen, die später einmal Gebäude entwerfen und damit mitunter Stadtbilder und Stadtentwicklungen beeinflussen.

Kleine architektonische Kunstwerke aus Gips und Holz stehen da gemeinsam mit Autos aus Keramik

Um das alles zu schulen, stehen im Gebäude 15 auf dem Dessauer Campus Ateliers fürs Zeichnen, für plastisches Gestalten sowie Labore mit Keramiköfen und CNC-Fräsen zur Verfügung. Das Atelier von Weber lädt förmlich dazu ein, sich einen Kittel überzuziehen, Rohmaterial aus dem Regal zu nehmen oder anzurühren und dann daraus etwas zu formen.

Die Ergebnisse lassen sich in den meterhohen Regalen begutachten. Kleine architektonische Kunstwerke aus Gips und Holz stehen da gemeinsam mit Autos aus Keramik, Vasen, Quadern mit kunstvollen Mustern und fantasievoll geschwungenen Plastiken. In deren Entstehungsprozess haben sich die Studenten intensiv mit Formgebung und Räumen auseinandergesetzt. Für viele ist das Segen und Fluch zugleich.

Mancher verzweifelt am Anfang daran, sich über eine lange Zeitspanne auf eine Sache zu konzentrieren

„Für Digital Natives ist diese Art der Auseinandersetzung mit Raum und Materie eine Herausforderung“, stellt der Professor immer wieder fest. Wer mit Internet, Smartphone, Laptop und Tablet aufgewachsen ist, der fühlt sich im Digitalen zuhause und kann dort auch mitunter schöpferisch sehr kreativ und produktiv sein. Doch Architektur verlangt auch analoges Denken, Empfinden und Vorstellungsvermögen, um Räume zu begreifen und sie später zu entwerfen.

Mancher verzweifelt am Anfang daran, sich über eine lange Zeitspanne auf eine Sache zu konzentrieren und auch Fehlschläge hinzunehmen. Doch mit den Erfolgserlebnissen steigert sich das Selbstvertrauen und die Zuversicht. Das plastische Gestalten kann mit der Zeit auch als wohltuender Ausgleich zum digitalen Leben betrachtet werden. Wer sich mit Zeichnen und plastischer Gestaltung sehr schwer tut, der ist als Architekt keinesfalls verloren. „Es ist ein Generalistenberuf, der viele Einsatzmöglichkeiten bietet“, so Weber. Nur ein gewisser Teil der Absolventen entwirft tatsächlich Gebäude.

Auch im Baurecht, der Bauausführung sowie in der ökologischen und nachhaltigen Planung von Gebäuden sind Architekten gefragt. Es gibt auch prominente Zeitgenossen, die einst am Zeichnen und plastischen Gestalten scheiterten und dennoch architektonische Weltgeschichte geschrieben haben. Walter Gropius, der Gründer und erste Direktor des Bauhauses, schmiss damals vor lauter Verzweiflung über sein mangelndes Zeichentalent sein Architekturstudium hin. Dass er dennoch Talent hatte, beweist das von ihm entworfene Bauhausgebäude, fußläufig nur wenige Minuten vom Gebäude 15 auf dem Dessauer Campus der Hochschule Anhalt entfernt.

Drei Tage pro Woche unterrichtet Carl Constantin Weber Studenten

Bei Carl Constantin Weber ist der Sachverhalt diametral anders als bei Gropius. Der 1966 in Wolfsburg geborene Sohn eines Bildhauers und einer Kunsthistorikerin fing auch ein Architekturstudium an. „Doch ich merkte recht schnell, dass ich mehr Freiräume brauchte“, erzählt er. So trat Weber doch in die Fußstapfen seines Vaters und genießt die künstlerische Freiheit des Bildhauers. Dass er mit seiner Professur die beiden Interessen vereinen kann, ist für ihn ein Glücksfall.

Nicht alle Studenten tun sich leicht mit dem Entwerfen und Fertigen solcher Skulpturen.
Nicht alle Studenten tun sich leicht mit dem Entwerfen und Fertigen solcher Skulpturen.
(Foto: Thomas Ruttke)

2006 wechselte er von der Hochschule Magdeburg/Stendal nach Dessau. Drei Tage pro Woche unterrichtet er Studenten. Den Rest verbringt Weber in seinem Atelier in Potsdam. Dort entstanden schon verschiedene Kunstwerke für öffentliche Räume. Durch eines ist er auch besonders mit der Weihnachtszeit verbunden. Dem Hamburger Theologen Johann Hinrich Wichern, dem die Erfindung des Adventskranzes zugeschrieben wird, ist in der Hansestadt eine Stiftung gewidmet. Auf dem Hof des Rauhen Hauses in Hamburg, wo der Theologe einst den Adventskranz erfunden haben soll und dem Sitz der heutigen Stiftung, steht seit 2009 die von Weber entworfene Skulptur „Kinder der Welt“. Sie zeigt drei Kinder rund um ein Wagenrad, aus dem Überlieferungen nach der erste Adventskranz entstanden sein soll.