Hochwasser 2002 Hochwasser 2002: Wieder aufgetaucht
WALDERSEE/MZ. - Die Sonne brennt. Die Temperaturen erreichen locker 30 Grad. Friedlich, fast schon idyllisch mutet er an, der Blick vom Schwedenwall auf Waldersee mit seinen vielen liebevoll hergerichteten Häuschen, die mittendrin vom Obelisken des Mausoleums der Sankt Bartolomäus Kirche überragt werden. "Genau so friedlich sah es damals auch aus", meint Ortsbürgermeister Lothar Ehm. Doch dann kam das Wasser.
Während am Sonnabend genau um 11.15 Uhr die Glocken der Bartholomäus Kirche an die dramatischen Ereignisse von vor zehn Jahren erinnern, versammeln sich knapp 100 Walderseer genau an der Stelle, an der am 18. August 2002 der Deich brach. Nachdem das Wasser von Mulde und Elbe seinen Weg auf einer Breite von etwa 70 Metern durch den Schwedenwall gefunden hatte, war es nicht mehr aufzuhalten.
"Erst haben wir es gar nicht glauben wollen", berichtet Gerald Herbst, der zu diesem Zeitpunkt gemeinsam mit anderen an der Jonitzer Brücke Sandsäcke verbaut hatte. Der Walderseer kann sich zwar noch gut an diese Tage erinnern, findet aber auch nur schwer Worte. "Es war eine irgendwie unwirkliche Situation. Man hat nur noch funktioniert."
Zuerst ergoss sich das Wasser auf dem angrenzenden Maisfeld, um dann binnen kürzester Zeit den gesamten Ort zu überfluten. "Das war die größte Katastrophe der jüngeren Stadtgeschichte, die glücklicher Weise keinen direkten menschlichen Schaden forderte", erinnert Ehm. Nackte Zahlen aber belegen ein Ausmaß von außergewöhnlicher Brisanz. So verursachten die Fluten damals allein in Waldersee einen Sachschaden von 150 Millionen Euro. Am Ende "wurden insgesamt 33 000 Tonnen Sperrmüll aus Waldersee abgefahren".
"Eine Katastrophe wie diese hat in der Regel eine Vorgeschichte", beginnt Ehm seine kurze Ansprache auf dem Schwedenwall, nachdem er zu einer besinnenden Schweigeminute aufgefordert hatte. Schon lange vor der jüngsten Überschwemmung hatten er und andere Lokalpolitiker immer wieder auf den damals schlichtweg maroden Hochwasserschutz der Stadt aufmerksam gemacht.
Heute ist Waldersee um einiges besser abgesichert. Nicht nur ist der Schwedenwall nunmehr etwa 150 Zentimeter höher, er ist auf der trockenen Seite auch besser zugänglich, was den Kampf gegen die nächste Flut deutlich erleichtern würde. Aber auch zehn Jahre nach dem jüngsten Flutfiasko "sind noch immer nicht alle geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen abgeschlossen", mahnt der Ortsbürgermeister erneut, diese Ziele auch künftig nicht aus den Augen zu verlieren.
Den damals über 4 000 freiwilligen Helfern, die sich dem dramatischen Kampf gegen die Fluten stellten, hatte in erster Linie die bereits erwähnte schlechte Zugänglichkeit der Wehranlagen größte Probleme bereitet. So liest am Sonnabend Gerd Möbius aus seinem Tagebuch vom 16.8.2002 beispielhaft vor: "THW-Kräfte und Bundeswehrsoldaten sind vor Ort. Die armen Jungs sollen die Sandsäcke mit Schubkarren über die Deichkrone von der Vockeroder Landstraße aus ranschaffen. Das dauert viel zu lange. Wir bringen mit unseren Fahrrädern Sandsäcke bis zur Abrutschung. Gegen 15.30 Uhr ist die Böschung gesichert, aber der Graben ist zugebaut." Nicht nur Möbius erwähnt während des Gedenkens immer wieder die Zweiräder. Insbesondere das Damenrad entwickelte sich zum günstigen Transportmittel für Sandsäcke. Die wurden einfach auf die Rahmen gestapelt.
Der Besinnung am Vormittag am Schwedenwall, folgte das Fest im Walderseer Zentrum. Natürlich gibt es einige Kritiker, die die Tatsache, dass die Walderseer ihr jährliches Dorffest immer um den 18. August herum feiern, bemängeln. Am Sonnabend findet das Fest seinen Höhepunkt mit einer großen SAW-Party. Stadtwehrleiter Olaf Braun aber nennt zwei gute Gründe für das Feiern: "Erstens, um die Erinnerung nicht untergehen zu lassen, und zweitens, um auf das gemeinsam neu Geschaffene stolz zu sein." Getreu diesem Motto feierten am Samstagabend über 1 000 Walderseer auf dem Festplatz ihren wieder "aufgetauchten" Stadtteil.