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Hilfe für Tschernobylkinder Hilfe für Tschernobylkinder: Kurze Zeit voller Glück und Fürsorge

Von Wladimir Kleschtschow 27.06.2002, 17:45

Kleinpaschleben/MZ. - Mit Beifall wurde während einer Seniorenveranstaltung in Kleinpaschleben nicht gegeizt. Schließlich tanzten die Mädchen und Jungen aus dem russischen Gebiet Brjansk gut. Und als sie zum Schluss auch noch einen altdeutschen Tanz vorführten, da war die Begeisterung der Zuschauer groß. Manche von ihnen tanzten gar mit - zu gemeinsamer Freude der Gäste und der Gastgeber. Am Ende wurde den Kindern aus Brjansk eine kleine Geldspende übergeben.

Das kleine Tanzensemble gehört einer Gruppe von 39 Kindern an, die gegenwärtig im Landkreis Köthen ihre Ferien verbringen. Tanzen und singen können allerdings nur die wenigsten von ihnen. "Zum großen Teil sind es kranke Kinder", sagt Ljuba Schmidt vom Dessauer Verein "Hilfe für Tschernobyl-Kinder in Brjansk". "Da ist zum Beispiel ein Junge dabei, bei dem sieben Krankheiten diagnostiziert wurden. Mit seinen 14 Jahren sieht er wie ein achtjähriger aus. Die meisten Mädchen und Jungen stammen aus den Familien, die zu den ärmsten der Armen zählen."

Ljuba Schmidt und ihre Stellvertreterin Jana Paetz haben die Reise der Gruppe organisiert, die in einem Objekt des Vereins in Mölz untergebracht ist. Zum Programm gehören unter anderem Besuche in Großpaschleben, Drosa und Köthen. "Die Bevölkerung zeigt viel Herz für die Tschernobyl-Kinder ", so Schmidt. "Unterstützt werden wir bei solchen Ferienaufenthalten von Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet. So liefert uns die Berliner Firma Terra Frisch kostenlos Obst und Gemüse - in einem Wert von Tausenden von Euro. Aber auch die evangelische Gemeinde in Köthen hilft uns. Für diese Kindergruppe wurden dort gleich am ersten Tag 176 Euro gesammelt."

Auch in Kleinpaschleben kümmerte man sich liebevoll um die Kinder. Frauen des Dorfes spendierten selbstgebackene Kuchen, es gab auch Eis - gerade richtig an diesem sonnigen Tag. Die Gäste aus Brjansk fühlten sich wohl und vergaßen - zumindest für einige Zeit - den trostlosen Alltag zu Hause und ihre Krankheiten. "Diese beiden Jungs haben Tumore im Kopf. Dieses Mädchen da ist taub, der Junge dort sieht nur mit einem Auge", berichtete eine Betreuerin über Kinder, die ihren tanzenden Freunden zusahen und hin und wieder nach einem Stückchen Kuchen langten.

Die 14-jährige Karina kam in Begleitung ihrer Mutter nach Deutschland. Anders wäre es kaum möglich, denn das Mädchen ist seit ihrem sechsten Lebensmonat blind. "Bei Karina wurde damals ein Tumor diagnostiziert, und sie wurde operiert", sagt Marina Ka- lendarowa, die Mutter. "Danach erblindete sie. Sie hätte auch sterben können. Wir vermuten, dass dieser Tumor durch die hohe Radioaktivität verursacht wurde. Schließlich wurde Karina 1988 geboren - zwei Jahre nach der Tschernobyl-Katastrophe. Aber kein Arzt will dies bestätigen. Nicht einmal eine Bescheinigung, dass Karinas Vater, ein Flieger, in der Tschernobyl-Region eingesetzt war, konnten wir bekommen." Das Gebiet Brjansk gehört zu den Regionen der ehemaligen UdSSR, die von der atomaren Katastrophe 1986 besonders hart betroffen wurden.

Marina betreut die Tochter zu Hause, die Familie lebt von der Rente, die Marinas Mann bekommt, und von kleinen Nebenverdiensten. Lehrer einer örtlichen Schule unterrichten Karina zu Hause. Das blinde Mädchen lernt gut. Mehr noch. Aus Ton formt sie Tierfiguren, diese werden dann gebrannt, und die Mutter malt sie an. Wie kann Karina Tiere nachbilden, ohne sie sehen zu können? "Ich kenne die Umrisse von meinem Spielzeug", sagt sie. "Außerdem haben wir eine Katze und einen Hund zu Hause". Einige dieser Figuren hat das Mädchen, das nach eigenen Worten nachts farbige Träume hat, mit nach Deutschland gebracht.

Nach dem Auftritt in Kleinpaschleben konnten die Kinder noch eine Zeit lang auf dem Sportplatz der örtlichen Schule spielen - wer das konnte. Die blinde Karina schob den Rollstuhl mit dem 22-jährigen Maxim mit Hilfe dessen Mutter zum Schulsportplatz.

GEKÜRZTE FASSUNG

Die vollständige Version lesen Sie bitte in der Regionalausgabe der MZ am 28.06.2002