Haydns Oratorium Haydns Oratorium in Dessau: Anhaltischen Philharmonie und Lutherchor besingen "Die Schöpfung"

Dessau - April 1798, Wien. Vor dem Stadtpalais Schwarzenberg herrscht Unruhe. Für 10 Gulden und 20 Kreuzer sollen Händler an diesem Tag ihre Stände abbauen, um Platz für den bevorstehenden Andrang zu schaffen. Ein Komponist namens Joseph Haydn führe sein erstes Oratorium vor, es nenne sich „Die Schöpfung“.
Obwohl die Vorführung keine öffentliche ist, schlägt das Werk wie eine Bombe in der Stadt ein. Die Schöpfung als musikalische Lautmalerei, ohne Sünde, ohne Vertreibung, ohne Argwohn. Liebliche Klänge in Zeiten der Aufklärung als Zucker für die Kirchenkritiker. Ein Jahr später folgt die Uraufführung im Wiener Burgtheater.
Am Montag, 3. Oktober, ab 17 Uhr präsentiert nun der Lutherchor, zusammen mit der Anhaltischen Philharmonie und drei Solisten das Oratorium in der Dessauer Johanniskirche.
Ein Stück Zukunft steht auf dem Spiel
Es ist ein besonderes Konzert. Denn für Landeskirchenmusikdirektor Matthias Pfund steht ein Stück Zukunft auf dem Spiel. Haydns Oratorium in Dessau wird auch Pfunds praktische Abschlussprüfung für sein Aufbaustudium in Chor- und Orchesterleitung sein. Nervös?
„Vor Konzerten immer, wenn sie dann beginnen nicht mehr“, erzählt der 49-jährige Kirchenmusiker lachend. Während der Probe mit dem Chor geht Pfund Takt für Takt mit den Sängern durch.
Mal springend und fliegend, wenn es fließt. Mal präzise und genau, wenn der Ton noch nicht ganz stimmt oder die Sänger zu enthusiastisch singen, wie im dritten Teil des Oratoriums „Von deiner Güt, o Herr und Gott“. Leise und zart soll es klingen. „Psst! Adam und Eva turteln hier - nicht so laut!“, witzelt Pfund. Neben drei Solisten, die als Erzengel Raphael, Gabriel und Uriel die Schöpfungsgeschichte erzählen, singt der Chor in Form einer Engelschar.
Traumhaft farbig - und fast ordinär
Zu Beginn des Oratoriums besingen die Vokalisten die Entstehung des Lichts. Wieder zunächst leise und bedächtig, bis zu „Und es ward Licht“. In diesem Moment, dem letzten Wort, stimmen Bass, Tenor, Alt und Sopran kräftiger ein als zuvor und verdoppeln ihre bisherige Lautstärke zu einem raumfüllenden Vierklang. Es ist diese Mischung aus Bewegung und Ruhe, diese Dynamik, die Haydn der Schöpfungsgeschichte verleiht.
„Das Oratorium ist traumhaft farbig und abwechslungsreich“, so Pfund. „An manchen Stellen auch witzig, fast ordinär“, ergänzt der Kirchenmusiker. Zum Beispiel dann, wenn Haydn die Passage „Der Boden drückt der tiefen Last“ mit einem Kontrafagott und einer Posaune vertont - sie kurz vor sich hin hupen. „Man kann sich gut vorstellen, wie in dem Augenblick die Tiere über den Boden stampfen“, erklärt Pfund.
„Die Musik gibt Kraft für den Alltag“
Hans Reuter singt im Chor eine der Bassstimmen. Den 84-Jährigen faszinieren die geistlichen Klänge der großen Meister: „Ich mag alle Oratorien, auch Bach“, erzählt er.
Eine feste Instanz im Chor bildet Gabriele Stolz, die seit 1985 als Sopranistin dabei ist. Speziell an Haydn gefällt der 48-Jährigen die positive Atmosphäre: „Die Musik gibt Kraft für den Alltag“, so die Dessauerin. Dass Laien zusammen mit professionellen Musikern bei der Vorführung zusammenwirken, macht für Pfund das Ganze interessant: „Ich freue mich sehr auf die Aufführung.“
Die größte Herausforderung für den 49-Jährigen wird der Kontakt zu den Musikern sein. Wenn die Sänger und Musiker den Dirigenten nicht aus den Augen verlieren, kann er Einsätze kommunizieren, den Takt angeben und führen: „Es gibt insgesamt 35 Nummern in dem Oratorium. Jede ist wieder anders. Die Kunst ist es, das eine Stück zu beenden und direkt für das nächste einsatzbereit zu sein“.
Für den großen Tag am Montag habe er mehrere Stunden zu Hause geübt, dank Youtube-Videos bekannter Dirigenten und dem guten alten Spiegel sowie der klassischen Partitur.
Vom Burgtheater nach Dessau
Wähend des Konzerts am Montag werden insgesamt 35 Musiker der Anhaltischen Philharmonie, drei Solisten sowie 70 Chorsänger in der Johanniskirche die Schöpfungsgeschichte in Haydns Interpretation vortragen. Finanziert wird der Auftritt durch den Eintritt sowie den Förderverein des Lutherchors.
Matthias Pfund freut sich auf die Renaissance. Denn das Oratorium „Die Schöpfung“ wurde bereits wenige Jahre nach der Uraufführung im Wiener Burgtheater in der Dessauer Marienkirche aufgeführt, weiß der Kirchenmusiker. Ob damals auch die Bude so brechend voll war wie in Österreich, ist leider nicht überliefert - aber anzunehmen. (mz)