Hauptpost Dessau Hauptpost Dessau: Staubiger Neuanfang für bis zu 250 neue Jobs

Dessau - Aus dem Radio schallt „Love me tender“ von Elvis in den Flur. An einem Büro hängt noch ein Schild von damals - „Betriebsrat“. Es stammt aus einer Zeit, als in den oberen Etagen der Hauptpost in Dessau noch etliche Mitarbeiter in der Verwaltung saßen.
Heute liegen in den Räumen Schuttberge, Bauarbeiter sind mit Schutzmasken unterwegs. Denn es staubt in diesen langen Gängen des historischen Postgebäudes.
Aus dem Staub sollen in den kommenden Wochen Büros für bis zu 250 Mitarbeiter entstehen. Die Firma Regiocom, ein Dienstleister für Strom- und Gasabrechnungen, baut derzeit in dem historischen Gebäude in Dessaus Zentrum für ihren neuen Standort um.
Spätestens am 1. Mai soll das Servicecenter eröffnen. Die komplette erste und zweite Etage werden dafür belegt. Einst war auf den ellenlangen Fluren die Verwaltung der Deutschen Post untergebracht, die Räume standen seit einigen Jahren leer. Im Erdgeschoss wird es aber weiterhin die Dienstleistungen rund um Pakete und Briefe sowie die Postbank geben.
Etwa 100 neue Mitarbeiter sind bereits geschult und eingestellt worden
„Wir schaffen gerade Platz. Die Büros waren kleiner, wir aber brauchen größere für jeweils 40 bis 50 Arbeitsplätze“, erklärt Regiocom-Projektmanagerin Katherina Lüdicke.
Neben Büros sollen ein Schulungsraum, Aufenthaltsräume und ein Küchenbereich entstehen. Auch der Sanitärbereich muss erneuert und vergrößert werden. Geplant ist ebenso, den Eingang von der Kavalierstraße unter dem markanten Turm wieder zu öffnen und einen Zugang vom Hof mit einem Empfangsbereich zu schaffen.
Etwa 100 neue Mitarbeiter sind bereits geschult und eingestellt worden, sagt Lüdicke, vorrangig aus dem Raum Dessau-Roßlau, aber auch aus Köthen und Wittenberg.
Der Dienstleister ist seit 20 Jahren am Markt, größere Strom- und Gasanbieter wie Eon, Goldgas oder Stadtwerke aus anderen Städten gehören zu den Kunden. Die Center übernehmen den Kundenservice, die Betreuung bei Anbieterwechseln und die Abrechnung.
Insgesamt sind derzeit rund 2.000 Mitarbeiter beschäftigt. Mehrere Standorte betreibt Regiocom in Sachsen-Anhalt, am Hauptsitz in Magdeburg arbeiten etwa 1.000 Mitarbeiter, hinzu kommen unter anderem Halle, Salzwedel, Berlin, Wien und Bulgarien.
„Es ist ein beeindruckendes Gebäude, mit langer Geschichte und zentraler Lage“
Der Umbau in Dessau ist komplizierter als in bisherigen Niederlassungen. „Wir können vorhandene Strukturen nutzen. Aber wir müssen in dem denkmalgeschützten Haus alle Räume neu schaffen, man kann da auch nicht jede Wand entfernen“, so Lüdicke. Die neue Technik aber kostet die meiste Zeit. „Wir brauchen eine Standleitung mit Hochleistung. Das ist die größte Herausforderung.“
Die Wahl auf die alte Hauptpost fiel im vergangenen Jahr. Mehrere Objekte hatte sich die Geschäftsführung in Dessau angesehen. „Aber bei der Post haben die Augen sofort geglänzt. Es ist ein beeindruckendes Gebäude, mit langer Geschichte und zentraler Lage.“ 2016 begannen die ersten Schulungen im Berufsinformationszentrum Dessau, zur Einarbeitung geht es jeden Tag mit dem Bus nach Halle.
Die Konkurrenz gleich um die Ecke
Mit Regiocom siedelt sich in Dessau ein weiterer größerer Kundendienstleister an. Auch Sitel, ein international agierender Kundenservicedienstleister mit über 1.000 Mitarbeitern in Dessau und weltweit nach eigenen Angaben rund 61.000, hat in der Stadt zwei Niederlassungen. Es ist seit 2002 am Standort vertreten.
Unter anderem gehören große Telekommunikationsanbieter und Online-Bezahldienste zum Kundenstamm. „Dessau ist groß genug für Zwei. Wir sind in unterschiedlichen Branchen aktiv, deshalb sehe ich keine große Konkurrenz.“
Auf dem Arbeitsmarkt allerdings buhlen sie um die gleiche Zielgruppe. Wie lange der Mietvertrag für das historische Postgebäude unterschrieben ist, sagt Lüdicke nicht. Nur so viel: „Unsere Investition ist langfristig angelegt. Wir haben nicht vor, wieder zu gehen.“ (mz)
Das historische Dessauer Postgebäude wurde von 1899 bis 1901 errichtet und im Zweiten Weltkrieg stark zerstört. Beim Wiederaufbau wurde der einst 45 Meter Postturm verkleinert.
Nicht ohne Proteste: Als im Jahr 1994 für die Sanierung des Postgebäudes der alte Turmknauf geöffnet wurde, fand sich dort ein Schreiben von Klempnermeister Paul Schierwagen aus dem Jahr 1951: „Nachdem wir den nach allen Bombenangriffen stehengebliebenen Postturm abtragen mußten, ist nun dieser Stumpen von Turm entstanden, und nach langem Bemühen ist uns jetzt die Genehmigung zu einer Turmbekrönung in dieser Form gegeben. Wir bedauern, diesem schwerfälligen, abgebrochenen Riesen von Turm eine plumpe Kugelspitze geben zu müssen, da uns eine andere Abschlußmöglichkeit nicht gegeben ist.“
Die Deutsche Post hatte das Haus 2008 an den US-Investor Lone Star verkauft - und mietete einen Teil der Flächen zurück. (mz/lga)