Handball Handball: «Die Konsequenzen sind dramatisch»
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Es ist die wichtigste Saison seit langem für den Dessau-Roßlauer HV: Mindestens Platz 9 muss her, damit der Verein auch in der nächsten Saison in der dann eingleisigen zweiten Bundesliga spielt. Nach der unnötigen 28:31-Niederlage am Sonntag gegen den TV Emsdetten aber droht der Abstieg in die dritte Liga.
Wie ist die Ausgangslage
in der Liga?
Rein theoretisch ist noch alles drin. Der Dessau-Roßlauer HV steht mit 15:17 Punkten auf dem zehnten Platz, der die Relegation mit zwei Regionalliga-Meistern zur Folge hätte. Das Problem ist: Allenfalls Empor Rostock (7. Platz, 19:13 Punkte) und der VfL Potsdam (8. Platz, 18:14 Punkte) sind noch in Reichweite. Es droht ein Dreikampf um den letzten Qualifikationsplatz 9 mit Tusem Essen (9. Platz, 15:17 Punkte) und dem Wilhelmshavener SV (11. Platz, 13:17 Punkte) . In diesem Jahr gibt es dafür noch zwei "Schicksalsspiele". Am 26. Dezember, dem zweiten Weihnachts-Feiertag, kommt der VfL Bad Schwartau in die Anhalt-Arena. Das Überraschungs-Team der Liga war bis zur 24:31-Niederlage am Wochenende bei Aufsteiger Füchse Berlin II der Tabellenführer. Am 29. Dezember ist der Dessau-Roßlauer HV bei Mit-Konkurrent Tusem Essen gefordert. Danach geht es in die WM-Pause. Der Start ins neue Jahr erfolgt am 11. Februar beim VfL Potsdam.
Wie viel Punkte braucht es für den neunten Platz?
In der Saison 2009 / 2010 landete Eintracht Hildesheim mit 31:33 Punkten auf dem neunten Platz. 30 Punkte gelten auch diesmal als Muss. Dessau-Roßlau braucht also noch mindestens 17 Punkte aus den nächsten 16 Spielen. Vor allem in den Heimspielen darf sich das Team keinen Ausrutscher mehr leisten (obwohl mit Minden noch der Aufstiegsfavorit kommt), weil fast alle leichteren Auswärtsspiele (also in Aschersleben, in Varel, in Berlin, in Altenholz und Edewecht) schon gespielt sind (nur in Aschersleben wurde gewonnen) und nach der Winterpause auswärts (in Rostock, in Nordhorn, in Schwerin, in Emsdetten, in Hildesheim) kaum noch etwas zu holen sein wird. Ein Sieg bei der Reserve in Magdeburg (15. April) wird da fast zur Pflicht.
Stehen die Fans noch zur Mannschaft?
Manch einer, der am Mittwoch zum Pokalspiel in Bad Schwartau mit war, schwärmte davon. 2 500 Fans, eine ausverkaufte Halle. Doch auch der Dessau-Roßlauer HV kann sich nicht beklagen: Sonntag gegen Emsdetten kamen 1 436 Zuschauer. Das Interesse ist ungebrochen - trotz des fünften Punktverlustes in eigener Halle. Allerdings schallte es am Sonntag kurzzeitig, aber unüberhörbar aus der Fan-Ecke: "Außer Andi könnt ihr alle gehen." Die Geduld ist endlich.
Ist die Mannschaft stark genug, um die Qualifikation zu schaffen?
"Wir haben eine gute Stammsieben", sagt Torwart Andreas Sprecher, um dann einzuschränken. "Wenn alle ihre Leistungen bringen." Doch das war und ist zu selten der Fall. "Anspruch und Realität passen manchmal nicht zusammen", gibt Sprecher zu. Ein, zwei Spieler blieben zuletzt immer unter ihren Möglichkeiten. Das zeigte sich beispielhaft in Berlin. Dort hatte Robert Lux (12 Tore) einen starken Tag, konnten die anderen davon aber nicht profitieren. Insgesamt muss von Routiniers wie Robert Lux und Patrick Heddrich allerdings mehr kommen.
Druck von der Bank gibt es kaum. Daniel Holtz hat nach seiner Hand-Verletzung noch nicht zu alter Stärke gefunden. Martin Pratersch hat zwar eine überragende Vorbereitung gespielt, daran aber in der Hinrunde nicht anknüpfen können. Von Marcel Werner, Chris Alisch und Steven Just kann man in dieser Saison nichts erwarten.
War der Verein im Sommer auf dem Transfermarkt zu zögerlich?
Der Dessau-Roßlauer HV hat aus den Fehlern der Vergangenheit und gleich zwei Insolvenzen gelernt - und macht nur noch das, was wirtschaftlich vertretbar ist. Diese Vorgabe stand. Im Sommer ergänzte der Verein seinen Kader deshalb um Linkshänder Michal Panfil, weil der rechte Rückraum der große Schwachpunkt in der vergangenen Saison war. Das Problem aber ist: Der 28-jährige polnische Rückraumspieler bleibt hinter den Erwartungen zurück. Ersatzmann Steffen Fischer fehlt nach einer Schulter-Operation. Christian Schöne galt zuletzt immer mal als Alternative. Doch der zu Saisonbeginn aussortierte Rechtsaußen fuhr neulich mit nach Varel, blieb dort aber ohne Einsatzzeit. Die rechte Angriffsseite bleibt Dessau-Roßlaus Problemzone.
Hat der Verein zu lange
mit Neu-Verpflichtungen
gezögert?
Mit Armands Uscins hat sich der Leistungsträger schlechthin im ersten Saisonspiel in Bad Schwartau am Daumen verletzt. Die Hoffnungen, der lettische Kreisläufer könnte noch im Dezember wieder auflaufen, haben sich nicht erfüllt. Uscins Hand ist wieder in Gips. Der Kreisläufer aber fehlt. Im Angriff, aber auch in der Abwehr. Ein Andrei Kurtchev hätte gegen Uscins am Sonntag keine 13 Tore gemacht.
Erschwerend kommt hinzu: Die 12:6 Punkte zu Saisonbeginn haben Mannschaft, Trainer und Verein in Euphorie versetzt. "Doch schon damals waren unsere Wurf-Effektivitäten nicht wirklich gut", gibt Trainer Peter Pysall zu. Ein überragender Andreas Sprecher hat das verdeckt. Seit November hat die Mannschaft nur noch 3:11 Punkte geholt.
Anfangs wurden einige Niederlagen als Pech und Ausrutscher abgetan. Fraglich ist, ob die Mannschaft mit Druck umgehen kann: Immer wenn ein Sieg her musste, setzte es Niederlagen. Oft sogar deutliche. Manchmal fehlte da der unbedingte Wille, wird einer vermisst, der unbequem ist und voran geht. Mit -26 Tore hat Dessau-Roßlau das schlechteste Torverhältnis aller Qualifikations-Anwärter. Die Erkenntnis, dass die jetzige Besetzung nicht reicht, hat sich spätestens am Sonntag durchgesetzt.
Was kann der Trainer machen?
Vergangene Woche baten Präsidium und Wirtschaftsrat die Mannschaft zum Gespräch - ohne Trainer Peter Pysall. "Wir wollten schauen, ob es irgendwelche Probleme gibt", bestätigt Präsident Thomas Zänger. "Es kam aber nichts zur Sprache." Doch Pysall ist gefordert, vor allem die Abwehr wieder zu alter Stabilität zu bringen und die Angriffseffektivität zu verbessern. Gegen Emsdetten spielte Dessau-Roßlau aufwändig, aber gut, vergab jedoch zu viele Chancen. "Einige", sieht der Trainer auch die Spieler in der Pflicht, "müssen endlich den Schalter umlegen. Manche Quoten sind nicht zweitligareif."
Für welche Positionen müssen Verstärkungen her?
Der Wirtschaftsrat hat schon vor Wochen grünes Licht für Neu-Verpflichtungen gegeben. Alle Gespräche mit dem SC Magdeburg sind bislang aber ohne Ergebnis geblieben. Dessau-Roßlau ist angesichts der letzten Ergebnisse aber davon abgekommen, Ergänzungen zu holen. Gesucht werden Spieler, die sofort weiterhelfen. Vor allem für die rechte Seite. "Die Situation am Spielermarkt ist schwieriger, als wir dachten", gibt Präsident Thomas Zänger zu. Zuletzt handelte sich der Verein vier Absagen ein. "Spieler und Berater pokern natürlich auch und schauen, wo sich noch etwas ergibt." Dessau-Roßlau wird wohl erst nach der Winterpause einen neuen Mann präsentieren.
Was passiert, wenn der Dessau-Roßlauer HV die Qualifikation für die eingleisige zweite Liga nicht schafft?
Es ist ein Szenario, das alle weit von sich schieben. Für Thomas Zänger ist das aber kein Grund, nicht auf die Brisanz hinzuweisen. "Die Konsequenzen sind dramatischer, als alle denken", warnt der Präsident. Nicht nur, dass fast alle Spielerverträge neu verhandelt werden müssten. Die Spitzensportförderung der Stadt steht beim Abstieg in die dritte Liga auf dem Spiel, auch zahlreiche Sponsoren würden ihr Engagement reduzieren. "Die Qualifikation ist keine Prestigesache", sagte Zänger, "sondern eine existenzielle Frage für den Verein. Das muss jedem klar sein."