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Gustav-Adolf-Kirche Göritz Gustav-Adolf-Kirche Göritz: Karge Kirche, üppige Legende

12.12.2003, 21:31

Halle/MZ. - Von Thomas Altmann Göritz / MZ. Als Gustav Adolf im August 1631 sein Feldlager in der Nähe des idyllisch gelegenen Dorfes Göritz aufschlug, soll er zunächst freundlich begrüßt worden sein. Weil die Bauern die Versorgung des Heeres aber nicht lange leisten konnten, hätten sie den Schwedenkönig gebeten, weiter zu ziehen. "Mein Herz wird sich so wenig erweichen wie der Stein zu Füßen meines Rosses", soll der Herr aus dem kalten Norden eiskalt geantwortet haben. Da hätte, so will es die Sage, sein Pferd dermaßen auf den Stein gestampft, dass sich darin eine Rosstrappe einprägte. Diesem höheren Zeichen folgend sei der König nach Coswig gezogen.

Wahr an dieser Sage ist vor allem, dass die Bevölkerung bald ebenso unter den schwedischen Söldnern litt, wie zuvor unter denen des Kaisers. Zum Namenspatron einer Kirche taugt Gustav Adolf, der zugunsten der protestantischen Sache für seinen Machtzuwachs stritt, vielleicht deshalb, weil er schon 1632 in der Schlacht bei Lützen fiel. Denn der Krieg ernährte den Krieg jenseits aller Konfessionen.

Ein zweite Sage um die Rosstrappe lässt den König, nachdem das Pferd seinen Huf in den Stein gemeißelt hatte, sagen: "Jetzt stehen wir Schweden als Feinde im Land." Doch einst würden sie als Freunde wiederkommen. Im Tanz der Bündnisse des Dreißigjährigen Krieges schloss sich Anhalt schon am 24. September 1631 der nach der Schlacht bei Breitenfeld gegründeten Allianz zwischen Kursachsen und Schweden an.

Wie dem auch sei, die Sage um die Rosstrappe sieht die Weissagung im September 1813 erfüllt, als der Kronprinz von Schweden, Bernadotte, hier mit seinem Heer eine Andacht hielt. Der Coswiger Schützenverein errichtete 1840 an jenem Ort ein massives Denkmal. Die Bronzetafel ist heute im Eingangsbereich der Gustav-Adolf-Kirche angebracht, die 1879 erbaut wurde, nachdem ein Feuer den Vorgängerbau beschädigt hatte.

Der Neubau der neoromanischen Backsteinkirche streift die Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, der auch anderen Orts zu Neubauten führte. Bescheiden deutlich wird dieser Aufschwung an Hand der Bevölkerungszahlen. 1753 wohnten in Göritz 72 Menschen. Im 19. Jahrhundert setzte eine gemächliche Steigerung ein, die um 1871 einen Höhepunkt mit 131 Einwohnern erreichte. Schon 1905 wurden nur noch 105 Bewohner gezählt.

Eine göttliche Trutzburg ist die neoromanische Kirche in Göritz nicht. Der Historismus belieh Formen vergangener Epochen, ohne deren Geist zu atmen.

So erkennt man in den neoromanischen und neogotischen Backsteinkirchen des Flämings kaum einen Unterschied, was den Grundriss, die äußere Gestalt und Bauweise anbelangt. Der Unterschied reduziert sich meist auf verhaltene formale Anleihen. Einst trennte die Gotik von der Romanik ein neues Weltbild und ganz neue technische Möglichkeiten. Vor allem schied die Gotik das Sakrale (Heilige) vom Profanen (vor dem heiligen Bezirk liegende).

Die romanische Kirche des Mittelalters galt als wehrhafte Himmelsburg des göttlichen Kaisers. Mag die Massivität der Bauten der Technik und den Möglichkeiten der verwendeten Baumaterialien geschuldet gewesen sein, so spiegelte die Addition der Baukörper, in denen jedes Gemeindeglied seinen angestammten Platz fand, die Gliederung der Gesellschaft innerhalb des mittelalterlichen Ordo-Denkens. Diese Hierarchie endet keineswegs unterm Horizont. Die Wehrhaftigkeit der Mauern repräsentierte irdische und göttliche Macht, Schutz vor Dämonen und Feinden aus Fleisch und Blut.

Die Gustav-Adolf-Kirche ist auch mit geborgten Formen ein Kleinod am Fuße des Flämings. Die aus der Zeit der Erbauung stammende Inneneinrichtung illustriert typisch protestantische Kargheit. Sie spiegelt die Angst der Reformation vor den Irrwegen der Tradition und opfert dem Wort alle Sinnlichkeit, an dessen Mangel die evangelische Kirche quasi dogmatisch leidet.

Außerhalb der Kirche, auf dem Feldweg nach Klepzig gibt es dann doch noch ein bescheiden steinernes Wunder, den so genannten "Heiligen Brunnen". In großer Trockenheit, so will es die Sage, unternahmen die Göritzer eine Wallfahrt mit Kreuz und Fahne zum Brunnen. Da begann der "Heilige Born" zu rauschen und ein sanfter Regen setzte ein.