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Große Stille an einem unerhörten Ort

Von STEFFEN BRACHERT 06.05.2010, 19:15

DESSAU/MZ. - Das 30 Millionen Euro teure SBBZ sollte die ehrgeizige Dessau-Hamelner Cemag-Gruppe in Sachen Zementanlagenbau zu einem Komplettanbieter machen, den Wertschöpfungsprozess innerhalb der Holding erhöhen - und das Gewerbegebiet auf dem Dessauer Flugplatz füllen. Weitere Flächen waren schon reserviert. Doch der Höhenflug endete abrupt: Im Juli 2009 musste die Unternehmensgruppe des Iraners Memari Fahrd Insolvenzantrag stellen.

CMP AG übernahm Geschäfte

Ein Neuanfang ist längst vollzogen. Zumindest für die Cemag. Im Oktober 2009 übernahm die in Hameln neu gegründete Cement and Mining Processing (CMP) AG einen Großteil des Cemag-Geschäftes und verkündete zum Jahreswechsel, als Niedersachsens Förderbank eine finanzielle Unterstützung versagte, den Hauptsitz der Firma nach Dessau zu verlegen. Die Investitionsbank von Sachsen-Anhalt dankte das. Wie und in welcher Form ließ das Finanzinstitut bei einer MZ-Recherche im April mit einem Verweis auf das Bankgeheimnis offen. Die CMP AG hatte aber selbst einmal von einem Drei-Millionen-Euro-Kredit gesprochen. Was Sachsen-Anhalt dafür versprochen wurde, ist bis heute unklar.

In Hameln, am einstigen Cemag-Stammsitz, hat Sachsen-Anhalts Unterstützung für den Cemag-Nachfolger für große Verbitterung gesorgt. Zahlreiche Gläubiger verfolgen die Aktivitäten der CMP AG aufmerksam kritisch. Der MZ liegen Briefe vor, die nach einem MZ-Artikel über die CMP an den Bund der Steuerzahler und an Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Reiner Haseloff gegangen sind. In den Briefen beklagt man sich über die finanzielle Hilfe des Landes Sachsen-Anhalt und vermutet entweder Tricksereien oder naive Banker. Reaktionen gab es nicht darauf.

Udo Zander und Volker Triszcz haben die Vorgänge um Cemag-Nachfolger CMP ebenfalls verfolgt. Gibt es dort noch Hoffnung auf ein glückliches Ende für Dessau und zumindest einige Mitarbeiter, haben die beiden Kollegen vom SBBZ diese fast schon aufgegeben. Seit Januar sind beide arbeitslos. "Es ist einfach nur traurig, dass es bei uns nicht weiter gegangen ist."

Das SBBZ war beim Neustart im September beim Insolvenzverwalter verblieben. Warum, das wurde nie ganz klar. Bis Oktober wurden Restaufträge abgearbeitet. "Im November", erinnert sich Zander, "haben wir schon nur noch rumgesessen und gewartet." Gewartet auf einen Investor. Gerüchte gab es viele. Tatsachen nur wenige.

Interessent aus der Schweiz

Trotz namhafter Interessenten aus der Region erhielt Ende 2009 eine Aktiengesellschaft den Zuschlag, die im Schweizerischen Kanton Thurgau ihren Sitz hat. Obwohl daran ein Unternehmer aus dem Nachbarkreis Anhalt-Bitterfeld beteiligt ist, sorgte die Entscheidung von Anfang an für Misstrauen unter den Beschäftigten. Der Grund: Unter der Adresse in der Schweiz sind mehr als ein halbes Dutzend Firmen verzeichnet, zum Teil aus der Finanzbranche. Mit Hilfe von Google Map hat sich Zander die Umgebung der Firma angesehen. "Das ist", sagt der Dessauer, "ein frei stehendes Gut mitten auf dem Land."

Am Ende scheiterte der Verkauf, wurden nach und nach die knapp 60 Mitarbeiter entlassen. Manchmal ohne Worte. "Ich", erzählt Zander, "habe von der Arbeitsagentur erfahren, dass ich zum 31. Dezember gekündigt bin."

Anfang 2010 hatte das SBBZ nur noch zwei Beschäftigte, heute, nach einem weiteren gescheiterten Privatisierungsversuch mit einer interessierten Firma aus Baden-Württemberg, hält nur noch eine Frau die Stellung.

Ralph Bünning mag all das nicht groß kommentieren. Aus rechtlichen Gründen. "Zu Namen", sagt der in Bremen arbeitende Insolvenzverwalter der renommierten Kanzlei Schubert & Braun, "werde ich mich gar nicht äußern." Immerhin bestätigt der Rechtsanwalt, dass in Sachen SBBZ "nicht alles so gelaufen ist, wie alle sich das vorgestellt haben". Die Arbeitnehmer seien zurecht enttäuscht. "Der Ärger ist verständlich."

Doch Bünning arbeitet weiter an einer Lösung. "Es haben noch keine Einzelverwertungsmaßnahmen stattgefunden." Alle hochwertigen Maschinen stünden noch in den Hallen der SBBZ. "Wir führen aktuell Verhandlungen, die weiter eine Gesamtlösung zulassen", deutet der Rechtsanwalt an, der die Insolvenzverwaltung im Herbst vorigen Jahres kanzlei-intern von Oliver Liersch übernommen hat, der als Staatssekretär ins niedersächsische Wirtschaftsministerium gewechselt war - und dort die niedersächsische Förderung für den Cemag-Nachfolger CMP mit versagte.

Doch die SBBZ-Probleme sind groß: Immobilie und Grundstück sind getrennt. Das Grundstück ist ziemlich groß und hat inzwischen einen eigenen Zwangsverwalter. Wie viel Zeit noch bleibt für eine tragfähige Lösung? Eigentlich genug. "Es ist eher die Frage, wann die Gläubiger unruhig werden." Doch Bünning weiß auch: "Wenn Dinge zu lange am Markt angeboten werden, sind sie tot." Und: Es sei wenig sinnvoll, ein leeres Gebäude über den Winter zu halten. Der Winter sei aber noch lange hin.

Suche nach neuer Arbeit

Zander und Triszcz wollen und können bis dahin nicht warten. Lange hatten die ehemaligen Kollegen Kontakt gehalten untereinander und zur Firma, immer bereit, beim Neuanfang mitzuhelfen. "Hoffnung hat man immer", sagt Zander. "Mich muss man erst einmal unterkriegen." Die Suche nach einer neuen Arbeit aber läuft.