1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Verwahrlostes Grab der Herzöge von Anhalt: Grab der Herzöge von Anhalt in Dessau-Roßlau in schlimmem Zustand

Verwahrlostes Grab der Herzöge von Anhalt Grab der Herzöge von Anhalt in Dessau-Roßlau in schlimmem Zustand

Von Christian Eger 28.11.2018, 09:46
Schief und verwittert: Ein Holzkreuz, an das ein Blatt Papier gepinnt ist, markiert die Ruhestätte von drei Herzögen und ihren Angehörigen.
Schief und verwittert: Ein Holzkreuz, an das ein Blatt Papier gepinnt ist, markiert die Ruhestätte von drei Herzögen und ihren Angehörigen. Thomas Ruttke

Dessau-Rosslau - Wer ist verantwortlich für die verwahrloste Grabstätte der herzoglichen Familie in Dessau-Ziebigk, für die Brache ohne Grabstein und Würde? Die Stadt Dessau, die Landeskirche, der Staat Sachsen-Anhalt, die Familie von Anhalt?

Bei Nachfragen geht es zu wie bei einem Mikado-Spiel: Niemand will eine Bewegung erzeugen, die in Zugzwang versetzen könnte. Aber wer ist hier der Verursacher? Und nach mehr als 60 Jahren: Ist das überhaupt die richtige Frage?

Es war nicht die Stadt, sondern die Anhaltische Landeskirche, die Anfang der 1950er Jahre die Initiative ergriff, um mit einer Umbettung der Toten aus dem 1945 teilzerstörten Herzoglichen Mausoleum dem von staatlicher Seite ungebremsten Vandalismus Einhalt zu gebieten.

Laut einer Mitteilung der „Kirchengeschichtlichen Kammer“ hätten die Amtsträger vergeblich bei der Stadt und Polizei um die Garantie der Totenruhe gebeten, deren Störung ein Straftatbestand ist, an dessen Ahndung die sozialistische Stadtführung aber kein Interesse hatte.

Bei der vom Landeskirchenrat beschlossenen Umbettung soll es um eine Rettung gegangen sein, darum „die Würde des Menschen in seiner Gottesebenbildlichkeit zu wahren“.

Herr des Verfahrens blieb immer die Stadt. In einer Ratsvorlage vom 13. März 1952 wurde das Angebot des Landeskirchenrates notiert, „sämtliche Särge auf Kosten der Kirche zu entfernen und auf einem durch die Stadt bereitzustellenden Platz beizusetzen“. Vorgeschlagen wurde der städtische Friedhof in Dessau-Ziebigk.

Das Dezernat „Aufbau“ befürwortete den Wunsch und schlug dem Rat der Stadt vor, „dem Antrag des evangelischen Landeskirchenrats Dessau stattzugeben“. Dieser Satz wurde im Dokument durchgestrichen und handschriftlich durch die Mitteilung ergänzt: „Die Friedhofsverwaltung Friedhof I beauftragt, die Särge baldmöglichst zu überführen und dort beizusetzen.“

Tote Herzöge der Familie von Anhalt: Zehn Einzelgräber in Dessau-Roßlau

Das sollte noch Jahre dauern. Den Termin bestimmte die Stadt. Im Morgengrauen des 4. Juni 1958 wurden die zehn Toten, darunter drei Herzöge, in Särgen aus dem Mausoleum entfernt und auf Leichenwagen zum Friedhof gebracht, wo sie vom Ziebigker Pfarrer Martin Müller eingesegnet und beigesetzt wurden.

Die Öffentlichkeit wurde nicht informiert. Staatliche Akten wurden vernichtet. Das Gräberfeld blieb anonym, wurde aber über Jahrzehnte von Privatpersonen gepflegt. Heute ist die Grabstätte eine verödete Fläche.

Soll das so bleiben? Alfred Radeloff reagierte sofort. Der Dessauer Ehrenbürger und ehemalige Kreisoberpfarrer schrieb einen Leserbrief an die MZ. Von einem „Massengrab“ könne keine Rede sein. Und das Haus Anhalt und die Stadt Dessau hätten „miteinander zu sprechen“.

Ein Treffen mit Alfred Radeloff ist schnell vereinbart. Der 85-Jährige, der von 1957 an im Dienst der Anhaltischen Landeskirche stand, wiederholt seine Kritik am Begriff „Massengrab“ - ein Wort, das Eduard von Anhalt gebraucht, der die Grabstätte nicht anerkennt, um eine Rückführung der Toten ins Mausoleum zu erwirken.

Die Toten, sagt Radeloff, wurden in zehn Einzelgräbern nebeneinander beigesetzt, fünf links, fünf rechts. Noch lange seien Fassungen der Gräber zu erkennen gewesen, die Jahre unter Efeudecken lagen.

Das ist lange her. Was nicht als Massengrab angelegt war, erweckt heute genau diesen Anschein. Kein Stein, keine Markierungen. Wer auf die Freifläche tritt, um zum verwitterten Holzkreuz zu gehen, stört bereits die Totenruhe. „Die Menschen“, sagt Radeloff, „laufen über die Gräber hinweg.“ Kann die Kirche helfen?

„Der Zustand ist furchtbar“, teilt der anhaltische Kirchenpräsident Joachim Liebig zur Grabstätte mit, in der mit den drei Herzögen auch drei Oberhäupter der Landeskirche ruhen.

Sieht sich die Kirche im Blick auf die Grabstätte in irgendeiner Verantwortung? „Es handelt sich um einen kommunalen Friedhof“, antwortet der Kirchen-Chef. „Die Grabstätte wird von Prinz Eduard selbst als Provisorium betrachtet. Entscheiden muss über die Grabstätte die Familie von Anhalt. Wir haben nicht das Mandat, hier einzugreifen und sind dazu auch nicht angefragt.“

Könnte die Kirche einen Stein oder eine Stele stiften? Liebig verweist auf das bereits Mitgeteilte. Es ist offenkundig: Man dreht sich im Kreis. Zugleich erinnert er an den Einsatz der Dessauer Gemeinde St. Johannis und St. Marien bei der Wiederbeisetzung der Gebeine von etwa neun Anhaltinern - darunter mutmaßlich Fürst Leopold Maximilian, Vater des „Vaters Franz“ - 2015 in der Gruft der Schlosskirche.

Dieser Einsatz ist ein Verdienst Alfred Radeloffs, der Kirche, Stadt und die Familie Anhalt zusammenführte. Die 1968 aus dem Turm der zerstörten Schlosskirche in die Berenhorst-Gruft auf dem Friedhof I geretteten, wüst zugerichteten Askanier-Reste waren 2014 erneut vor Vandalismus zu schützen. Das gelang. Punktgenau wurde eine historische Wunde geheilt. Wäre so etwas auch in Ziebigk möglich?

Tote Angehörige der herzoglichen Familie von Anhalt: Was gegen eine Umbettung spricht

Radeloff ist entschieden gegen eine neuerliche Umbettung der Toten, die wieder die Totenruhe stören würde. Aber er ist genauso entschieden gegen die Verstetigung der Verwahrlosung auf dem Friedhof. „Ich bin dafür, dass die Gräber gekennzeichnet werden“, sagt der Pfarrer. „Dem Haus Anhalt müsste man klar machen, dass der Zustand der Grabstätte nicht nur eine Sache der Anhaltiner ist, sondern eine von Stadt und Land. Wenn es ein Problem mit den Finanzen geben sollte, rate ich dazu, um Spenden anzufragen. Das kann die Stadt machen. Oder eventuell die Landeskirche.“ Oder das Land?

„Die Grabstätte ist keine originäre Ländersache“, sagt der Regierungssprecher von Sachsen-Anhalt, Matthias Schuppe. „Aber selbstverständlich liegt es im Interesse des Landes, hier zu einer Lösung zu kommen.“ Und wie?

„Zu einer Moderation in der Sache wäre das Land jederzeit bereit, es müsste allerdings ein Impuls von den Beteiligten ausgehen“, sagt Schuppe. „Denkbar wäre ein Runder Tisch, an dem die Familie von Anhalt, die Stadt Dessau-Roßlau, die Anhaltische Landeskirche und das Innenministerium zu versammeln wären, moderiert von der Staatskanzlei. Mit etwas konstruktiven Willen könnte versucht werden eine Lösung zu finden.“

Der Ministerpräsident, sagt Schuppe, sei an einer Lösung interessiert. Reiner Haseloff trifft am Freitag Eduard von Anhalt zu einem Gespräch im Zuge der Feier 100 Jahre Kulturstiftung Dessau-Wörlitz. (mz)

Vor der Umbettung 1958: Blick in die unzerstörte Gruft im Mausoleum, mutmaßlich vor 1930.
Vor der Umbettung 1958: Blick in die unzerstörte Gruft im Mausoleum, mutmaßlich vor 1930.
Sammlung Mellies
Anonym: Herzogliches Grab in Dessau-Ziebigk Anfang der 1960er Jahre
Anonym: Herzogliches Grab in Dessau-Ziebigk Anfang der 1960er Jahre
Sammlung Mellies
Grabkreuz-Aufschrift 2017
Grabkreuz-Aufschrift 2017
Eger