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Diskussion um Mobbing Berliner Grundschule: Weitere Lehrkräfte äußern Kritik

Ein homosexueller Lehrer an einer Berliner Grundschule berichtet von Mobbing gegen ihn. Auch andere Lehrkräfte üben Kritik am Verhalten von Schülern. Was läuft dort falsch?

Von dpa Aktualisiert: 03.06.2025, 18:07
Um die Carl-Bolle-Grundschule gibt es derzeit viele Diskussionen. (Archivbild)
Um die Carl-Bolle-Grundschule gibt es derzeit viele Diskussionen. (Archivbild) Sebastian Gollnow/dpa

Berlin - Erst war es nur ein einzelner homosexueller Lehrer, der von Mobbing an der Carl-Bolle-Grundschule in Berlin-Moabit berichtet hat. „Schwul ist ekelhaft“, habe er zu hören bekommen. Muslimische Schüler hätten über ihn gesagt, er werde „in der Hölle landen.“ Inzwischen haben sich weitere Lehrkräfte zu Wort gemeldet, die von massiven Problemen an der Schule berichten. Welche Dimension hat das Ganze? 

Die „Süddeutsche Zeitung“ beruft sich auf mehrere Lehrkräfte, die an der Schule tätig sind oder waren und unter anderem respektloses und diskriminierendes Verhalten von Schülern erlebt haben, ohne dass das Konsequenzen gehabt habe. 

Eine Lehrerin warf den Berliner Behörden „komplettes Systemversagen“ vor. Schon 2018 hätten Lehrkräfte in einem Brief an das Schulamt über Gewalt, Diskriminierungen und Mobbing informiert. Es sei aber nichts unternommen worden. 

Eine andere Lehrerin sagte der Zeitung, vor einer Sportunterrichtstunde habe ein Schüler ihr erzählt, ein Mitschüler wolle ihn mit einem Messer abstechen. Sie sei zu diesem Schüler gegangen, habe dessen Messer konfisziert und den Vorfall der Schulleitung gemeldet. Es sei aber auch in diesem Fall nichts unternommen worden. Die Schulleitung reagierte auf dpa-Anfrage zunächst nicht.

Der Fall erinnert an die Rütli-Schule in Neukölln, die 2006 bundesweit negative Schlagzeilen machte und zum Symbol für das Versagen des Schulsystems wurde. Lehrkräfte schrieben damals einen Brandbrief über die aus ihrer Sicht unhaltbaren Zustände, die das Unterrichten teilweise unmöglich machten. Nachdem jahrelang viel Geld investiert und neues Personal eingestellt wurde, gilt die Schule heute als Vorzeigeprojekt.

SPD fordert Aufklärung

Läuft es an der Carl-Bolle-Schule ähnlich falsch? „Wir haben da schon einige Fragen“, sagte der Bildungsexperte der SPD-Fraktion im Landesparlament, Marcel Hopp, der Deutschen Presse-Agentur. „Vor allem die: Wer fühlt sich hier eigentlich verantwortlich in so einem Fall?“ 

Die Vorwürfe über die Zustände an der Schule müssten komplett aufgeklärt werden, forderte Hopp. Wenn Lehrkräfte gemobbt würden und entsprechende Vorfälle nach oben meldeten, könnten sie erwarten, dass man sich schützend vor sie stelle. „Und das ist hier nicht passiert“, kritisierte der Abgeordnete. „Und deshalb sehe ich hier schon ein systematisches Problem, das wir unbedingt angehen müssen.“

Sowohl die Schulleitung, als auch die Schulaufsicht und die Bildungssenatorin müssten zur Aufklärung beitragen: „Wie kann es sein, dass mehrere Lehrkräfte über Jahre hinweg solche Fälle melden und es passiert einfach nichts?“

Grünen wollen unabhängige Beschwerdestelle

Auch die Grünen im Berliner Landesparlament verlangen Konsequenzen. „Die internen Beschwerdestrukturen haben versagt“, kritisierte der schulpolitische Sprecher der Fraktion, Louis Krüger. „Deshalb fordern wir eine unabhängige Beschwerdestelle für Schülerinnen und Schüler, Eltern und Beschäftigte.“

An der Schule ist der Lehrer Oziel Inácio-Stech nach eigenen Angaben von Schülern aus muslimischen Familien monatelang beschimpft, beleidigt und gemobbt worden. Er beklagt auch Mobbing und falsche Vorwürfe durch eine Kollegin. Schulleitung und Schulaufsicht hätten ihn nicht geschützt, obwohl er dort wiederholt um Hilfe gebeten habe. Seit rund drei Monaten ist er krankgeschrieben. 

„Ein queerer Lehrer wurde in Berlin monatelang gemobbt und bedroht – und von der Schulleitung, der Schulaufsicht und der Bildungsverwaltung alleine gelassen“, kritisierte Krüger. 

Die CDU-Politikerin müsse am Donnerstag im Bildungsausschuss umfassend Rede und Antwort stehen. „Wer Verantwortung trägt, darf sich nicht wegducken“, sagte Krüger.  

Die Bildungsverwaltung betonte auf dpa-Anfrage, sie setze sich mit Nachdruck dafür ein, jeglicher Form von Diskriminierung entgegenzuwirken sowie Toleranz und Vielfalt an Schulen zu fördern. „Wir nehmen Anliegen von Betroffenen – sowohl von Kindern und Jugendlichen als auch von Lehrkräften – sehr ernst und arbeiten kontinuierlich daran, Sachverhalte aufzuklären und bei Bedarf geeignete Ansprechpersonen und Hilfsangebote bereitzustellen.“

Entsprechende Vorgänge würden zunächst über Ordnungs- und Erziehungsmaßnahmen sowie Klassenkonferenzen in der Schule geregelt. „Sollte das nicht ausreichen, stehen weitere Unterstützungsangebote zur Verfügung.“ 

Eltern bestätigen Probleme

Auch an der Grundschule selbst sorgt das Thema für Diskussionen: „Es gibt solche Vorfälle an unserer Schule“, sagte Elternvertreter Lorenz Liebold - und sie blieben zu oft unwidersprochen. Das liege aber nicht daran, dass Lehrkräfte oder die Schulleitung sich nicht damit beschäftigen wollten. Es seien einfach sehr viele Fälle. 

Man könne sie aber auch nicht über einen Kamm scheren. „Das große Problem ist, dass die Durchmischung der Schülerschaft nicht der Durchmischung der Bewohner des Kiezes entspricht“, so der Elternvertreter. Es gebe ein riesengroßes Segregationsproblem, eine soziale Spaltung, von der die Schule stark betroffen sei. „Das ist der zentrale Punkt.“

Den Eltern gehe es ausdrücklich nicht darum, Muslime zu diffamieren oder den Islam zum Problem zu erklären. „Das Problem ist die Armut, die mangelnde Erziehung und die Häufung von Kindern aus nicht so privilegierten Haushalten an bestimmten Schulen.“