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Gesundheit in Dessau Gesundheit in Dessau: Pille gegen den Stress

Von sylke kaufhold 09.10.2015, 20:10
Bei der Präsentation des DAK-Gesundheitsreports dabei: Martin Wenger, Dagmar Zoschke, Dr. Moritz Heepe und Thomas Büttner (v.l.).
Bei der Präsentation des DAK-Gesundheitsreports dabei: Martin Wenger, Dagmar Zoschke, Dr. Moritz Heepe und Thomas Büttner (v.l.). sebastain Lizenz

Dessau - Telefon, Termindruck, nervende Kunden, Chefschelte, Stress mit den Kollegen: Das ist zu viel! Wie gut, dass es Pillen gibt. Schnell eine geschluckt und schon geht es wieder. Immer mehr Menschen versuchen, mit dem sogenannten „Hirndoping im Job“ ihre Leistungsfähigkeit zu steigern. Das brachte eine Studie der DAK Gesundheit zutage, deren Ergebnisse die Krankenkasse in ihrem Gesundheitsreport 2015 zusammenfasste und der gestern für die Region Dessau-Roßlau und Anhalt-Bitterfeld der Öffentlichkeit präsentiert wurde.

18 000 Beschäftigte in Sachsen-Anhalt greifen mindestens zweimal im Monat zu verschreibungspflichtigen Medikamenten, um am Arbeitsplatz leistungsfähiger zu sein oder Stress abzubauen. „Auch wenn das Doping im Job noch kein Massenphänomen ist, so sind die Zahlen und vor allem die steigende Tendenz ein Alarmsignal“, warnt Thomas Büttner, Leiter des DAK-Servicezentrums Dessau. „Nebenwirkungen und Suchtgefahr sind nicht zu unterschätzen.“

Hohe Steigerungsraten

Die aufputschende Wirkung bestimmter Medikamente ist inzwischen allgemein bekannt. Häufig werden dafür Betablocker, Antidepressiva, Medikamente gegen Schläfrigkeit, ADHS-Pillen verwendet. Über die Hälfte der Befragten beziehen die Medikamente mit einem Rezept vom Arzt, auch wenn sie nicht an einer der Krankheiten leiden, für die die Mittel eigentlich gedacht sind. „Das finde ich sehr beunruhigend“ kommentiert Büttner diesen Fakt. Er geht davon aus, dass Hirndoping weiter zunehmen wird. Denn entgegen der landläufigen Meinung, dass vor allem Führungskräfte zu solchen leistungssteigernden Mitteln greifen, hat diese Studie widerlegt. „Hirndoping ist mittlerweile bei Otto Normalverbraucher angekommen, um den Arbeitsalltag besser meistern und Ängste, zum Beispiel vor dem Arbeitsplatzverlust, verdrängen zu können.“ Während die Männer Aufputschmittel vornehmlich zur Leistungssteigerung nehmen, greifen Frauen dazu, um ihre Stimmung zu verbessern. „Ich nehme solche Medikamente, weil ich mit ihrer Hilfe nach der Arbeit noch Energie und gute Laune für Privates habe“, lautete u.a. die Antwort einer Befragten.

Dr. Moritz Heepe, Ärztlicher Direktor des Alexianer St. Joseph Krankenhauses, sieht den Anstieg des Hirndopings nicht so sehr im Job-Stress begründet, sondern vielmehr in einem „narzistischen Kulturwandel“, wo jeder schöner, besser, hipper sein will. Auch sei zu beobachten, dass viel schneller etwas zur Krankheit erklärt und Medikamente verschrieben würden. „Die Schwelle, zur Tablette zu greifen, ist gesunken.“

„Wir müssen aufmerksam bleiben und gegen diesen Trend angehen“, wertet Martin Wenger, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung Sachsen-Anhalt die Aussagen des DAK-Reports zum Hirndoping. „Aber wir sollten auch die Relation beachten, wir haben hohe Steigerungsraten im niedrigen Bereich.“

15 Psychotherapeuten in der Stadt

Die Zahl der psychischen Erkrankungen wie Depressionen und Angstzustände ist laut DAK-Gesundheitsreport im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2013 gleichgeblieben. 11 Prozent der DAK-Versicherten in Dessau-Roßlau und im Landkreis Anhalt-Bitterfeld waren mit dieser Diagnose krank geschrieben. Trotz der aktuellen Stagnation bleiben die psychischen Erkrankungen ein Hauptschwerpunkt. In den letzen 14 Jahren sind die Fehltage aufgrund dieser Diagnose um 250 Prozent gestiegen. Martin Wenger führt diesen Anstieg auch auf den veränderten Umgang mit dieser Krankheit zurück. „Sie ist kein Stigma mehr, Patienten und Ärzte gehen offener damit um.“ In den letzten vier Jahren sei eine Steigerung der Behandlungsfälle bei Psychiatern um 12 Prozent zu verzeichnen.

Entsprechend hoch ist der Bedarf an Psychiatern und Psychotherapeuten, kann die Wartezeit auf einen Termin mitunter Monate dauern. Derzeit sind in Dessau-Roßlau 15 Psychotherapeuten tätig. Seit 2010 haben sich vier neu niedergelassen. Wie viele Psychotherapeuten bedarfsgerecht sind, wird laut Kassenärztlicher Vereinigung Sachsen-Anhalt entsprechend einer angewandten Verhältniszahl festgelegt. Die Bedarfsplanung erfolgt auf der Ebene von Planungsbereichen, die den Landkreisen und kreisfreien Städten entsprechen. Für die Stadt Dessau-Roßlau gilt die Verhältniszahl von 5 953 Einwohnern je Psychotherapeut als angemessen. Wie Martin Wenger informierte, wurden im Jahr 2012 die Bedarfsplanungsrichtlinien novelliert und im Zuge dessen neue Psychotherapeutenstellen geschaffen. 150 Stellen wurden seit 2013 im Land neu besetzt. (mz)