Salon in Roßlauer Goethestraße Mit Video: Frisör-Ära endet: Mit 84 Jahren legt Waltraud Koppehel Schere und Föhn beiseite
Laden und Kundschaft sind zusammen alt geworden: Nach 67 Jahren endet in der Roßlauer Goethestraße 16 die Ära vom „Salon Koppehel“. Mit 84 Jahren hört Waltraud Koppehel auf. Männer, Frauen, Mädchen und Jungen gingen hier zum Teil über Generationen ein und aus.

Rosslau/MZ. - „Und jetzt ist hier Schluss.“ Nicht rigoros, eher bedachtsam dreht Waltraud Koppehel den Schlüssel im Schloss herum. Nach 67 Jahren endet in der Roßlauer Goethestraße 16 die Ära vom „Salon Koppehel“. Ganze Generationen von Männern und Frauen, Jungen und Mädchen aus Roßlau und Umgebung haben sich hier die Haare schneiden, frisieren, föhnen und färben lassen.
Das Ende hat Waltraud Koppehel auf den Tag genau festgesetzt. „Am 1. Mai 1980 hatte ich in der Nachfolge meines 1979 verstorbenen Ehemanns, des Friseurmeisters Helmut Koppehel, das Gewerbe für mich angemeldet. Und nun mache ich am 30. April das 44. Jahr meiner Selbstständigkeit voll. Und gehe diesmal wirklich in Rente“, sagt die Frau mit schalkhaftem Funkeln in den Augen.
Vor sieben Jahren schon war sie einmal kurz davor. 2017 nämlich hatte die letzte ihrer angestellten Friseurinnen den Salon verlassen. Na gut, dann mach ich’s eben noch ein bisschen alleine, ein Jahr oder zwei - hatte sie sich überlegt. Aus dem Bisschen sind noch einmal sieben Jahre geworden. Jetzt legt sie also Schere, Föhn und Kamm endgültig aus der Hand.
Frisörin Waltraud Koppehel hat „alle Haarmoden mitgemacht“ unf trotzdem keinen Favoriten

Man sieht es ihr nicht an. Aber die genannten 84 Lebensjahre rufen beim Gegenüber unweigerlich ein ungläubiges Kopfschütteln hervor. Körperlich flink und fit läuft sie durch den weiträumigen Salon, ist klar und konzentriert als Geschäftsinhaberin. Und als Frisörin offen und interessiert für die Wünsche der Kundschaft.

Ob Glätteisen oder Dauerwelle. frecher Kurzhaarschnitt oder Hochsteckfrisur - die Haartracht ist wie die Mode allgemein ein Spiegel der verschiedenen Epochen; „ich habe da in so langer Zeit so viel erlebt und mitgemacht“, sagt die künftige Ruheständlerin lächelnd und lässt sich nicht festlegen auf eine Lieblingsfrisur. Ja früher, da wurden die Haare immer auf Lockenwickler gerollt und unter der Haube getrocknet, heutzutage übernehmen das meist der Föhn und die Rundbürste. Doch heute und einst zählte vor allem das Ergebnis. Und erlaubt ist und war immer das, was gefällt.
Angefangen hat Waltraud Koppehel als Helferin an der Seite ihres Mannes
Zur beruflichen Haarpflege und Haarkunst ist Waltraud Koppehel durch ihren Ehemann Helmut gekommen. Den hatte sie - in Stettin geboren und durch die Kriegswirren als Fünfjährige bei Verwandtschaft mütterlicherseits in Roßlau untergekommen - in der Elbestadt kennengelernt, nachdem sie die Schule in der Roßlauer Goethestraße absolviert hatte.
1957 hatte Helmut Koppehel den zuvor von seiner Mutter geführten Frisörladen übernommen und großzügig umgebaut zum Salon. 1962 gaben sich Helmut und Waltraud das Jawort für das gemeinsame Leben, Und seine junge Frau stieg als Mitarbeiterin mit ein ins Geschäft. Erledigte zunächst kleine Aufgaben und lernte immer mehr von ihrem Chef und Mann aus dem Berufsfeld des Friseurhandwerks.
Im Lauf der Jahrzehnte hat sich der Salon Koppehel in der Goethestraße eine treue Stammkundschaft erarbeitet
Als sie nach dem frühen Tod ihres Mannes plötzlich auf eigenen Füßen stand, setzte sie sich noch einmal bei Lehrgängen der Handwerkskammer auf die Schulbank, um erstens einen Abschluss zu bekommen und zweitens die offiziellen Vorgaben zur selbstständigen Führung eines Handwerksbetriebes zu erfüllen. Die Zeit als helfende Mitarbeiterin an der Seite ihres Mannes wurde unterm Strich mit anerkannt.

Im Lauf der Jahrzehnte erarbeitete sich der Salon in der Goethestraße eine treue Stammkundschaft. „Einem Mädchen durfte ich nach dem Ende der 10. Klasse und der Schulzeit die Zöpfe abschneiden. Heute ist sie Ende 70, wir sind miteinander älter und alt geworden“, so die Beinah-Rentnerin vor ihrem letzten Arbeitstag. Viele Kunden haben ihr inzwischen Geschenke und Blumen als Dankeschön in den Salon gebracht.