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Foto-Schatz gefunden Foto-Schatz gefunden: Dessauer Stadtarchiv wird zum Jahresende von der Volksbank bedacht

Von Annette Gens 01.01.2018, 11:00
Stadtarchivar Frank Kreißler (re.) freut sich über die Fotoalben, die Volksbankchef Manfred Bähr übergab.
Stadtarchivar Frank Kreißler (re.) freut sich über die Fotoalben, die Volksbankchef Manfred Bähr übergab. Lutz Sebastian

Dessau - Das Dessauer Stadtarchiv kann dank der Volksbank einen besonderen Schatz heben. Es besitzt seit wenigen Tagen mehrere Fotoalben des Roßlauer Journalisten und Schriftstellers Hans Weltzel (1902-1952).

Weltzels Fotos stammen aus den 1930er Jahren. Sie zeigen unter anderem den Zerbster Pferdemarkt, das Roßlauer Schützenhaus, den damaligen Dessauer Tierpark oder den Deetzer Fischzug sowie Stadtszenen aus Dessau oder Porträts von Freunden und Familienangehörigen.

„Bisher gab es wenige Fotos in unserem Bestand, die das Alltagsleben der Region vor 80 Jahren abbilden. Jetzt wissen wir, dass vor 80 Jahren noch auf dem Roßlauer Schweinemarkt mit Schweinen gehandelt wurde“, verdeutlicht Dessau-Roßlaus Stadtarchivar Frank Kreißler den Wert der Zeitdokumente.

Das Dessauer Stadtarchiv selbst verfügt kaum über finanzielle Mittel

Sie zu erwerben, hat die Volksbank Dessau-Anhalt ermöglicht. Das Stadtarchiv selbst verfügt kaum über finanzielle Mittel und Möglichkeiten, historische Fotos oder Unterlagen anzukaufen. Kreißler weiß aber immer wieder Partner hinter sich, die das Archiv unterstützen. Die Volksbank hilft nicht zum ersten Mal.

Die Dessauerin Jana Müller entdeckte die Fotoalben bei eigenen Recherchen im Internet. Für Müller ist Weltzel längst kein Unbekannter. Der Journalist, der unter anderem für den Anhalter Anzeiger schrieb, dokumentierte unter anderem das Leben von Sinti in Bildern. Erst im Oktober waren Bilder Weltzels in einer Ausstellung in Prag zu sehen, die Müller zusammen mit Eve Rosenhaft von der Universität Liverpool erarbeitet hat.

Die Exposition war Teil einer wissenschaftlichen Konferenz. Es ging um das Schicksal von Sinti - auch in Anhalt. Im Frühjahr 1938 wurden sie aus Dessau ausgewiesen. Ihnen wurde ein Aufenthaltsverbot für Anhalt ausgesprochen. Die Familien wurden in ein Lager nach Magdeburg deportiert. Manche kamen von dort aus in Konzentrationslager. Nicht alle überlebten das.

Volksbank-Vorstand: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen“

Im nächsten Jahr jähren sich diese Ereignisse zum 80. Mal. Eine gemeinsame Ausstellung von Müller und Wissenschaftlern aus Liverpool, die über einen erheblichen Fundus von Weltzels Bildern verfügen, wird in der Dessauer Marienkirche daran erinnern.

Zurück zur Schenkung. Die Volksbank hat eindeutige Motive, dem Stadtarchiv zu helfen: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht verstehen und die Zukunft nicht gestalten“, zitiert Volksbank-Vorstand Manfred Bähr den großen deutschen Politiker Helmut Kohl und findet, dieser Satz bringt es auf den Punkt.

„Hans Weltzel gilt in seiner Heimatstadt Roßlau als beliebter Heimatdichter, Vertreter eines künstlerisch-kosmopolitischen Geistes in der Enge der Kleinstadt und Freund von diskriminierten Minderheiten“, beschreibt Eve Rosenhaft Weltzel im Dessauer Kalender von 2014.

Weltzel wurde 1950 verhaftet, verurteilt und 1952 nach Moskau überführt

Bei Philologen und Ethnologen war Weltzel in der 1930er Jahren für seine Schriften über deutsche „Zigeuner“ bekannt. Rosenhaft weiß auch, dass er nach dem Zweiten Weltkrieg sowohl bei den Forschern als auch bei den Überlebenden des Genozids in Verdacht kam, an der nationalsozialistischen Verfolgung der Sinti mitbeteiligt gewesen zu sein.

Weltzel wurde 1950 verhaftet, verurteilt und 1952 nach Moskau überführt. In der Hauptstadt Russlands wurde das Todesurteil gegen ihn vollstreckt. (mz)